Lebensthema statt Buzzword

Rezension

Diversity als Feigenblatt? Viele Unternehmen sehen Diversität nur als nützlich, wenn sie sich rentiert – eine Ressource, die in erster Linie ökonomisch verwertet werde, meint Ramzi Fatfouta. Doch in oberflächlichen Maßnahmen und PR-Aktionen sieht er nicht nur den eigentlichen Zweck von Diversity verfehlt, sondern auch langfristig mögliche Nachteile fürs Unternehmen. In seinem jüngsten Buch Ist das Diversity oder kann das weg? Wie Menschen und Organisationen von gelebter Vielfalt profitieren, nimmt er diese Praxis kritisch unter die Lupe und zeigt, warum austauschbare Diversity-Leitbilder oft wirkungslos bleiben.

Diversity auf dem Prüfstand

„Es besteht eine konzeptionelle Lücke in der Darstellung realer Herausforderungen und erfolgreicher Strategien zur Integration von gelebter Vielfalt im Unternehmen“, schreibt Fatfouta. Auf 240 Seiten hinterfragt er Diversity-Narrative und überprüft kritisch die etablierten Konzepte. Gleichzeitig werden Lösungswege hin zu wirksamen Strategien aufgezeigt. Die Lektüre richtet sich primär an Führungskräfte und Manager im Diversity-Bereich. Im Vorwort berichtet Fatfouta von seinem persönlichen Bezug zum Thema seines Buchs: Er werde oft nach seiner Herkunft gefragt – seine Antworten blieben dabei selten unkommentiert –, auch in seiner beruflichen Laufbahn habe er oft nicht ins Bild gepasst.

Fatfouta ist promovierter und habilitierter Psychologe und arbeitet als Experte für Besetzung, Diagnostik und Personalentwicklung bei der Deutschen Bahn. Zudem hatte er einige Jahre eine Professur für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule für Medien, Kommunikation und Wirtschaft (HMKW) inne. Bereits zu Beginn des Buchs macht er deutlich, dass Diversity für ihn ein Lebensthema ist, das auch durch seine eigene Biografie geprägt ist.

Klare Haltung und hoher Praxisanteil

Das Buch gliedert sich in drei Teile. Im ersten Teil Deep Dive Diversity beleuchtet der Autor Diversity aus verschiedenen Blickwinkeln. Darauf folgt der zweite Teil Diversity Debunked, in dem dreizehn gängige Mythen rund um Diversity aufgedeckt und aus psychologischer, unternehmerischer und gesellschaftlicher Perspektive analysiert werden – hier spricht der Autor in Interviews mit Fachleuten im Bereich der Diversität, beispielsweise mit Natalya Nepomnyashcha zur sozialen Herkunft als Diversity-Faktor oder mit dem Anti-Diskriminierungsexperten Emre Celik.


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Schließlich gibt Fatfouta im letzten Teil Diversity, Equity, Inclusion, Belonging – was zuerst? einen Überblick über häufige Gründe für das Scheitern von Diversity-Strategien. Fatfoutas Haltung ist klar: „Differenziert ist Diversity-Arbeit nur, wenn die Perspektiven unterschiedlicher Menschen und deren Lebensrealitäten mit einfließen.“ Seine Argumente stützt er stets auf fundierte Quellen. Zudem sticht der hohe Praxisanteil heraus – durchzogen mit Reflexionsfragen und QR-Codes, die zu praktischen Übungen, Fragebögen oder Unternehmensbeispielen führen, die das Thema Diversity mit allen dazugehörigen Dimensionen und Fachbegriffen nahbar machen. Nur die technische Umsetzung birgt Herausforderungen.

Der Zugriff auf die QR-Code-Inhalte erfordert eine Registrierung auf der Verlagsseite. Außerdem wird an einer Stelle auf Selbsttests der Harvard University verwiesen, die leider nur in der Desktop-Version durchführbar sind. Kritisch, aber nicht dogmatisch Fatfouta stellt zum Schluss sein eigens entwickeltes, vierstufiges Diversity-Management-Modell vor – von der Strategieentwicklung über die Implementierung bis hin zur Erfolgsmessung.

Das Ganze wird Schritt für Schritt erklärt, wobei auch potenzielle Stolpersteine benannt werden. Eine Checkliste erleichtert die Umsetzung. Fatfouta gelingt es, trotz des Aufzeigens struktureller Missstände nie eine belehrende
Rolle einzunehmen. Er rät dazu, in Diversity-Debatten nicht in Schuldzuweisungen zu verfallen und den „alten weißen Mann“ nicht zum Sündenbock aller Probleme zu machen – ihn stattdessen mit ins Boot zu holen.

Ins Handeln kommen

Die Lektüre ist ideal für alle, die einen praxisnahen Zugang zu Diversity-Strategien im Unternehmen suchen. Wer bereit ist, das eigene Verhalten und die Unternehmenskultur kritisch zu hinterfragen und aktiv in die Selbstreflexion einzusteigen, findet hier einen wertvollen Ausgangspunkt.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Struktur. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Salome Häbe

Salome Häbe ist Junior-Redakteurin beim Magazin Human Resources Manager. Dort absolvierte sie zuvor ihr Volontariat. Sie hat einen Bachelorabschluss in Internationaler Kommunikation und arbeitete neben dem Studium freiberuflich im Bereich der Nachhaltigkeit für mehrere Online-Magazine.

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