Keiner von uns ist so schlau wie wir alle.“ Dieser Ausspruch des Management-Experten Kenneth Blanchard wird gerne genutzt, um den Wert von Teamarbeit hervorzuheben. Aber was, wenn das „Wir“ nicht richtig in Fahrt kommt? Viel zu oft wird vergessen: Erfolgreiche Teamarbeit ist kein Selbstläufer. Um Energie ins Team zu bringen beziehungsweise die Teamleistung zu steigern, braucht es mehr als anspornende Worte. Es müssen grundlegende Dinge erfüllt sein. Der Wirtschaftspsychologe Florian Becker spricht von drei wichtigen, multiplikativen Handlungsfeldern, die er in seinem Buch Teamarbeit, Teampsychologie, Teamentwicklung beschreibt. Demnach bestimmen die Zusammensetzung des Teams und die Teamentwicklung, wie ein Team performt, ebenso wie das Umfeld.
Welche Anreizsysteme gibt es?
„Das beste Team kann in einem schlechten Umfeld nicht erfolgreich sein“, sagt Becker. Wie bei einer Pflanze, die einen fruchtbaren Boden, die richtige Temperatur und die für sie passenden Lichtverhältnisse für ihr Wachstum brauche, seien bestimmte äußere Bedingungen nötig, damit ein Team eine gute Leistung erbringe. „Unter anderem ist entscheidend, welche Anreizsysteme im Unternehmen gegeben sind“, führt Becker aus. Wenn das, was der oder die Einzelne leiste, anstelle der Teamleistung belohnt werde, sodass Mitarbeitende quasi in Wettbewerb zueinander geschickt werden, stehe das beispielsweise einer Kooperation und somit guter Teamarbeit im Wege. Darüber hinaus sollte ausreichend Zeit für die Zusammenarbeit zur Verfügung stehen und die erforderliche Infrastruktur vorhanden sein.
Klare Regeln trotz ausreichend Freiraum
Mit dem Umfeld als einer der drei tragenden Säulen der Teamarbeit meint Florian Becker ferner eine teamförderliche Unternehmenskultur und Führung. Für ihn steht unter anderem fest: Ein autoritärer Führungsstil ist nicht geeignet, um die Teamleistung zu steigern. „Ein Team sollte sich selbst organisieren können. Hierzu braucht es den nötigen Freiraum“, erläutert er. Dennoch spielt die Führungskraft fürs Team eine entscheidende Rolle und muss klare Regeln setzen. Wie die Trainerin und Beraterin für Teamentwicklung Claudia Weiler betont, wirken sich bestimmte Vorgaben der Führungskraft – beispielsweise den Umgang der Teammitglieder untereinander betreffend – positiv auf die Ergebnisorientierung aus. Als ehemalige Führungskraft im Handel hat die Inhaberin des Beratungsunternehmens „Führungsspitze“ die Erfahrung gemacht, dass es sich dabei um banale Dinge handeln kann – etwa den Pausenraum aufzuräumen, bevor man ihn wieder verlässt. „Entscheidend ist, dass man Werten dient, die wichtig für eine Zusammenarbeit sind: Respekt voreinander zu haben und achtsam miteinander umzugehen“, so Weiler.
Konsens in grundlegenden Werten
Ein gemeinsames Werteverständnis ist der Teamexpertin zufolge die Voraussetzung schlechthin, damit ein Team gut funktioniert und Konflikten vorgebeugt wird: „Was bedeutet Teamwork für uns? Wollen wir uns eher an den Markt anpassen oder wollen wir uns innovativ abheben? Was ist uns wichtig bezüglich Fairness und Transparenz? Dies sind beispielsweise Fragen, zu denen Konsens im Team herrschen sollte“, erläutert sie. Letztlich muss der Cultural Fit der einzelnen Mitarbeitenden im Team gegeben sein. „Menschen, die permanent entgegen ihren eigenen Werten und Überzeugungen agieren, können auf Dauer keine Leistung erbringen. Das kostet zu viel Kraft“, sagt Weiler. Die Führungskraft indes sei dafür verantwortlich, dass die Werte von allen Teammitgliedern gelebt werden. Hierzu müsse sie die Werte selbst vorleben – ebenso wie sie gefordert sei, ein gemeinsames Ziel zu setzen und die dafür wichtigen Themen und Ausrichtungen in den Vordergrund zu rücken, indem sie diese vorlebe und über sie spreche. Letzteres sollte dabei möglichst praxisorientiert und greifbar erfolgen. Weiler: „Geht es etwa um den Umsatz, ist es zielführender, darüber zu sprechen, mit welchen Maßnahmen die Teammitglieder den Kundenservice optimieren können, statt nur von Kosten und abstrakten Zahlen zu sprechen.“
Kein Teambuilding ohne Vorab-Check
Gemeinsame Werte wirken insbesondere deswegen so positiv, da sie auf den Zusammenhalt im Team einzahlen. Durch Teambuilding-Maßnahmen lässt sich dieser weiter verstärken. Allerdings ist hier Florian Becker zufolge Vorsicht geboten: „Es gibt auch Teams mit festem Zusammenhalt, die wenig leisten“, sagt er. Dies sei dann der Fall, wenn eine starke Leistungsorientierung von den Teammitgliedern nicht sozial erwünscht sei. „Mittels Teambuilding das Team zusammenschweißen zu wollen, wirkt dann kontraproduktiv. Daher sollte vor einschlägigen Maßnahmen immer gecheckt werden, ob es im Team als „normal“ angesehen wird, Leistung zu erbringen“, so Becker. Ein Blick auf die einzelnen Teammitglieder sei in diesem Kontext sinnvoll. „Man sollte sichergehen, dass insbesondere die zentralen Personen im Team leistungsorientiert ausgerichtet sind“, sagt der Teamexperte.
Schon bei der Personalauswahl die Weichen stellen
Sinnvoll ist laut Becker, bereits bei der Personalauswahl darauf zu achten, ob die jeweilige Person die Werte des Unternehmens und somit des Teams teilt. Zudem sollte sie jene Eigenschaften mitbringen, die in der Persönlichkeitspsychologie als die Big Five benannt werden:
- Verträglichkeit im Sinne von rücksichtsvoll, kooperativ und empathisch
- Gewissenhaftigkeit im Sinne von organisiert und zuverlässig Offenheit im Sinne von wissbegierig und veränderungsbereit
- Extraversion im Sinne von personenorientiert
- Neurotizismus im Sinne von emotional stabil
Dass diese Persönlichkeitseigenschaften die Teamleistung positiv beeinflussen, ist wissenschaftlich gesichert, wie Heiko Weckmüller, Professor für Human Resources Management am Campus Remagen der Hochschule Koblenz, mitteilt. Darüber hinaus würden Studien belegen, dass die Teamzusammensetzung entscheidend für den Erfolg eines Teams sei. „Die Teammitglieder sollten unterschiedliche Erfahrungen mitbringen, sodass ein breites Know-how im Team gegeben ist“, sagt Weckmüller. Kommen die Teammitglieder aus verschiedenen Fachbereichen, steigert das demnach in der Regel die Team-Performance.
Diversity im Team: nicht per se besser
Immer wieder zu hören ist, dass ein Mix aus Alter, Geschlecht und ethnischer Vielfalt Teams innovativer und somit erfolgreicher und profitabler macht. Die Unternehmensberatung McKinsey hat in der Vergangenheit mehrere Studien veröffentlicht, auf die in diesem Kontext regelmäßig verwiesen wird, legen diese Untersuchungen doch positive wirtschaftliche Faktoren für Unternehmen mit viel inklusiver Praxis und Vielfalt innerhalb von Führungsteams nahe. In der Wissenschaft sind diese Studien jedoch umstritten. So haben die US-amerikanischen Wirtschaftsprofessoren Jeremiah Green und John R. M. Hand jüngst festgestellt, dass die Untersuchungen nicht replizierbar sind. Zudem zweifeln sie die Signifikanz der Ergebnisse an.
Heißt das, dass Diversity im Team keinen positiven Einfluss auf die Teamleistung hat? Nach Meinung von Florian Becker gibt es unterm Strich kein Schwarz oder Weiß, was die Heterogenität in Teams betrifft. „Letztlich kommt es auf die Aufgaben des Teams an“, bringt er es auf den Punkt. „Soll etwas gemeinsam entwickelt beziehungsweise konzipiert werden, ist es besser, wenn möglichst unterschiedliche Menschen im Team sind. Geht es jedoch darum, ein Produkt oder eine Maßnahme zu implementieren, setzt ein homogenes Team dies in der Regel schneller um, weil die Kommunikation unter den Teammitgliedern reibungsloser verläuft als bei einer heterogenen Besetzung.“
Stärken und Schwächen benennen
Insgesamt plädiert Becker in Sachen Teamzusammensetzung dafür, weniger auf Alter, Geschlecht und Nationalität als vielmehr auf die Persönlichkeit zu schauen: Was tragen die Menschen jeweils in sich? Welche Eigenschaften und Stärken haben sie? Um die unterschiedlichen Stärken der Teammitglieder dann aber tatsächlich bestmöglich nutzen zu können, muss laut Beraterin Claudia Weiler noch einen Schritt weiter gegangen werden: „Es sollte im Team nicht nur möglich sein, die eigenen Stärken zu benennen.
Es muss auch erlaubt sein, sagen zu können, was man nicht gut kann – und entsprechend um Hilfe zu bitten“, sagt sie. Sonst könne es im Projekt stocken. Sie erinnert sich an einen Fall, wo zwei sehr ergebnisorientierte Mitarbeitende zu keiner Lösung für ein bestimmtes Problem kamen. „Erst als sie kapituliert und einen weiteren Kollegen herangezogen haben, von dem sie wussten, dass er problemorientiert und analytisch ausgerichtet ist, konnte es im Projekt weiter vorangehen. Dieser Mitarbeitende hatte schnell herausgefunden, woran es hakte“, so Weiler.
Psychologische Sicherheit ist entscheidend
Um zu sagen „Ich kann das nicht“ muss Weiler zufolge jedoch die nötige psychologische Sicherheit im Unternehmen gegeben sein. Sie spielt auch sonst eine entscheidende Rolle: Laut Heiko Weckmüller ist wissenschaftlich bestätigt, dass psychologische Sicherheit die Team-Performance antreibt. Die Weichen hierzu legt abermals die Unternehmenskultur samt Führung, geht es in Sachen psychologischer Sicherheit zum Großteil doch darum, einen wertschätzenden Umgang zu pflegen, Vertrauen zu vermitteln und eine konstruktive Fehlerkultur zu etablieren.
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Die fünf Dysfunktionen eines Teams
Dass fehlendes Vertrauen und die Angst vor Konflikten gute Teamarbeit verhindern, beschreibt der US-amerikanische Manager Patrick Lencioni in seinem internationalen Business-Bestseller Die fünf Dysfunktionen eines Teams. Dem gleichnamigen Modell des Autors zufolge ist zudem auf eine hinreichende Ergebnisorientierung im Team zu achten. Das heißt: Ein gemeinsames Ziel muss definiert werden. Wird das Ziel nicht gut kommuniziert, kann das in mangelndem Engagement der Mitarbeitenden münden, was Lencioni als weitere Dysfunktion eines Teams beschreibt. Ferner ist es laut seinem Modell eine große Barriere, wenn die Teammitglieder Verantwortung vermeiden.
Mit einer klaren Rollenverteilung im Team könne forciert werden, dass die Mitarbeitenden sich ihrer Verantwortung nicht entziehen, sagt Claudia Weiler. „Sie müssen aber auch intrinsisch motiviert sein und die Bereitschaft mitbringen, sich ins Team einzubringen“, betont sie. Die Grenze für gute Team-Performance liegt da, wo der Wille der Teammitglieder für ein Mitdenken und Engagement schlicht nicht vorhanden ist.
Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Performance. Das Heft können Sie hier bestellen.