Wer heute geht, kann morgen schon wieder kommen

Recruiting

Besonders in Zeiten eines sich zuspitzenden Fachkräftemangels oder besser gesagt eines Arbeitskräftemangels und veränderter Erwartungen der Menschen an ihren Arbeitsplatz, wie zum Beispiel flexible Arbeitsmodelle, braucht es eine strategische Neuausrichtung.

Die Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) haben diesen Shift als Chance erkannt: Nach einem starken Fokus auf klassisches Recruiting und der Einführung eines strukturierten Sourcing-Managements, geht es seit 2024 um den Aufbau nachhaltiger Strukturen für Boomerang Recruiting. Doch was braucht es, damit Mitarbeitende nicht nur gern zurückkehren, sondern auch wieder langfristig und vor allem zufrieden im Unternehmen bleiben? Welche organisatorischen Voraussetzungen müssen geschaffen werden? Und warum lohnt sich dieser Ansatz für Unternehmen?

Boomerang Recruiting: ein Gamechanger

Jahrelang galt: Wer geht, geht für immer. Das war auch bei der ÖBB-Infrastruktur so. Doch diese Einstellung ist nicht mehr zeitgemäß. Unternehmen investieren hohe Summen in das Recruiting neuer Mitarbeitender, während ehemalige Talente – die bereits die Unternehmenskultur und Prozesse kennen – oft ungenutzt bleiben.

Der Wert von Boomerang Recruiting wird zunehmend durch nationale und internationale Studien belegt: Eine Analyse des Beratungsunternehmens Königsteiner aus dem Jahr 2022 zeigt, dass ein erheblicher Anteil der Arbeitnehmenden einer Rückkehr zum ehemaligen Arbeitgeber nicht abgeneigt ist. Rund 43 Prozent können sich eine erneute Beschäftigung im früheren Unternehmen vorstellen. 17 Prozent würden sich eigenständig bewerben, während 21 Prozent offen für eine Kontaktaufnahme durch das Unternehmen wären. Trotzdem entscheiden sich nur fünf Prozent tatsächlich für eine Rückkehr, was unter anderem an fehlenden Strukturen oder unklaren Rückkehrmöglichkeiten liegt.

Ehemalige Mitarbeitende bieten Unternehmen zahlreiche Vorteile. Da sie bereits mit der Unternehmenskultur, den internen Abläufen und den Werten vertraut sind, können sie sich laut einer Studie der Cornell University aus dem Jahr 2019 nach ihrer Rückkehr deutlich schneller wieder in ihre Rolle einfinden und sind dadurch oft leistungsfähiger als neue Kolleginnen und Kollegen. Zudem bringen sie durch ihre zwischenzeitliche Tätigkeit in anderen Unternehmen wertvolle externe Erfahrungen und neue Perspektiven mit, die Innovationen und Weiterentwicklungen fördern können. Die Arbeitgebermarke wird ebenso gestärkt, denn es lässt eine gute Unternehmenskultur vermuten, wenn Menschen zurückkehren (und sie es vielleicht woanders schlechter angetroffen haben).

Ein weiterer entscheidender Vorteil liegt in der Kosteneffizienz: Die Wiedereinstellung ehemaliger Mitarbeitender kann zu erheblichen Kosteneinsparungen führen, da diese bereits mit den Unternehmensprozessen und der Kultur vertraut sind. Dadurch reduzieren sich die Aufwendungen für Rekrutierung, Einarbeitung und Trainings, was den Wiedereinstiegsprozess nicht nur schneller, sondern auch wirtschaftlicher gestaltet.

Doch eine erfolgreiche Boomerang Culture passiert nicht zufällig – sie braucht gezielte strukturelle Maßnahmen. Die International Association for Human Resource Information Management (IHRIM) empfiehlt in ihrer Veröffentlichung von 2024 The Benefits of Returning Boomerang Employees – International Association for Human Resources Information Management, dass Unternehmen proaktive Strategien entwickeln sollten, um ehemalige Mitarbeitende zurückzugewinnen. Dazu zählen der Aufbau von Alumni-Netzwerken, regelmäßige Kommunikation mit ehemaligen Mitarbeitenden und die Schaffung flexibler Arbeitsmodelle, die den veränderten Lebensumständen der Rückkehrenden gerecht werden. Die ÖBB-Infrastruktur nutzt diese Erkenntnisse gezielt, um eine strukturierte Rückkehrkultur zu etablieren.

Die vier Säulen einer erfolgreichen Boomerang-Kultur bei der ÖBB-Infrastruktur

 

  1. Ein professionelles Offboarding mit symbolischem „Rückkehrticket“

Eine erfolgreiche Rückkehr beginnt lange vor dem eigentlichen Wiedereinstieg, nämlich bereits beim Austritt aus dem Unternehmen. Organisationen, die ihre ehemaligen Mitarbeitenden als potenzielle Talente der Zukunft sehen, gestalten den Trennungsprozess bewusst positiv.

Die ÖBB-Infrastruktur setzt daher auf systematische und wertschätzende Austrittsgespräche. Jedes Ausscheiden aus dem Unternehmen wird in einem strukturierten Gespräch begleitet, um die Gründe für den Weggang zu analysieren. Es wird aktiv erfragt, ob eine zukünftige Rückkehr eine Option wäre und welche Rahmenbedingungen dafür notwendig wären. Die gewonnenen Daten aus den Gesprächen fließen in die Weiterentwicklung der Unternehmenskultur ein.

Durch ein symbolisches „Rückkehrticket“ erhalten ausscheidende Mitarbeitende ein klares Signal, dass ihnen die Tür für eine spätere Rückkehr jederzeit offensteht und sie im Unternehmen weiterhin willkommen sind. Zudem verlassen Mitarbeitende das Unternehmen mit einem positiveren Gefühl, da ihnen im Austrittsgespräch nochmals Gehör geschenkt wird. Sie erhalten die Möglichkeit, konstruktives Feedback zu geben, ihre Erfahrungen zu reflektieren und auch kritische Punkte offen anzusprechen. Diese Austrittsgespräche liefern uns wertvolle Daten über die Gründe des Ausscheidens – und zeigen, welche Rahmenbedingungen für eine mögliche Rückkehr notwendig wären.


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2. Die Wiedereinstellungszusage für Schlüsselberufe: ein starkes Commitment

Während viele Unternehmen ehemaligen Mitarbeitenden nur eine unverbindliche Rückkehrmöglichkeit anbieten, geht die ÖBB-Infrastruktur einen Schritt weiter: für Mitarbeitende im Verschub und in der Fahrdienstleitung gibt es eine vertraglich garantierte Wiedereinstellungszusage.

Mitarbeitende dieser Berufsgruppen können innerhalb von zwei Jahren nach ihrer Kündigung ohne erneutes Bewerbungsverfahren zurückkehren. Das Unternehmen garantiert den Wiedereinstieg – unabhängig von der aktuellen Personalsituation. Diese Regelung schafft Sicherheit für Fachkräfte, die sich beruflich ausprobieren möchten, ohne die Tür zur ÖBB-Infrastruktur endgültig zu schließen. Diese Struktur sorgt dafür, dass qualifizierte Fachkräfte der Organisation treu bleiben – selbst wenn sie zwischenzeitlich eine neue Erfahrung machen möchten.

3. Das Alumni-Netzwerk „Stay on Track“: verbunden bleiben mit ehemaligen Mitarbeitenden

Viele Unternehmen verlieren den Kontakt zu ehemaligen Mitarbeitenden – und damit auch die Chance, diese später zurückzugewinnen. Die ÖBB-Infrastruktur hat daher das Alumni-Programm „Stay on Track“ ins Leben gerufen. Das Ziel ist es, dass die Menschen stolz darauf sind, Ex-ÖBBler und Ex-ÖBBlerinnen zu sein. Die Strukturen für das Alumni-Netzwerk befinden sich gerade im Aufbau. Feste Bestandteile sind regelmäßige Updates zu Jobmöglichkeiten und Unternehmensentwicklungen, Einladungen zu ÖBB-Events, gezielte Direktansprache für Rückkehrmöglichkeiten und ein eigenes Onboarding-Programm für Rückkehrer. Dennoch stellt die Gewinnung ehemaliger Mitarbeitender für unser Alumni-Netzwerk eine Herausforderung dar, weshalb wir gezielt nach Wegen suchen, ihre Teilnahme attraktiver zu gestalten.

4. Flexible Arbeitsmodelle als Rückkehr-Magnet

Viele Mitarbeitende verlassen Unternehmen nicht, weil sie unzufrieden sind, sondern weil sich ihre Lebensumstände ändern. Deshalb ist Flexibilität der Schlüssel, um eine Rückkehr zu erleichtern. Die ÖBB-Infrastruktur setzt hier auf verschiedene Modelle, um den Bedürfnissen der Mitarbeitenden gerecht zu werden, hier sind drei ausgewählte Beispiele:

  • „Switch“ zwischen Vollzeit und Teilzeit: Mitarbeitende können innerhalb von zwei Monaten ihr Stundenausmaß flexibel anpassen. Mit einer Vollzeitgarantie stellen wir insbesondere sicher, dass immer aufgestockt werden kann.
  • Der „FlexiFriday“: Mitarbeitende, die ihre wöchentliche Arbeitszeit vollständig erbringen, können freitags einen zusätzlichen freien Tag nutzen. So ist (auch) im Officebereich eine Viertagewoche möglich.
  • Flexible Mobilitätslösungen für Schichtarbeitende: Wer zeitweilig an einem anderen Dienstort aushelfen möchte, hat die Möglichkeit, längere Freizeitblöcke dafür zu nutzen oder von einer Mobilitätsprämie zu profitieren.

Diese Maßnahmen erleichtern nicht nur eine Rückkehr, sondern steigern auch langfristig die Zufriedenheit der Beschäftigten. Es geht um die Entwicklung eines nachhaltigen HR – eines, das Mitarbeitende langfristig und vor allem motiviert an das Unternehmen bindet.

Boomerang Recruiting ist kein kurzfristiger Trend, sondern eine notwendige Evolution des Talentmanagements. Unternehmen, die jetzt Strukturen schaffen, um ehemalige Mitarbeitende aktiv zu rekrutieren, profitieren doppelt: Sie sparen Ressourcen und stärken gleichzeitig ihre Arbeitgebermarke.

Die ÖBB-Infrastruktur geht diesen Weg konsequent und baut ein ganzheitliches System für Re-Recruitment auf – mit einer positiven Rückkehrkultur, strategischen Netzwerken und flexiblen Arbeitsmodellen. Durch die Verbindung von strategischem Talentmanagement, innovativen HR-Ansätzen und einer positiven Unternehmenskultur wird Boomerang Recruiting zur nachhaltigen Strategie der Zukunft. Denn: Mitarbeitende von gestern könnten die Talente von morgen sein.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Struktur. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Thomas Kreiter

Thomas Kreiter ist Personalchef des Teilkonzerns ÖBB-I­nfrastruktur mit 19.000 Mitarbeitenden, Mitglied im Aufsichtsrat der ÖBB Operative Services und Geschäftsführer der OmegaTelos GmbH. Des Weiteren ist er Vorsitzender des Bundesverbandes der Personal­manager*innen in Österreich.
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Katarina Roder

Katarina Roder leitet die Abteilung für Personalentwicklung und Kultur im Teilkonzern ÖBB-Infrastruktur. Ehrenamtlich engagiert sie sich unter anderem als Stv. Vorsitzende des Bundesverbandes der ­Personalmanager*innen in Österreich und als Coach bei Buntaz – dem Netzwerk für Chancengleichheit.

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