Das klassische Seminar war gestern

Recruiting

Die Personalentwicklung in den Unternehmen ändert sich grundlegend. Lernen wird interaktiver, praxisnäher, individueller – die Personalentwicklung 2.0 hält Einzug.

Talentmanagement und Social Media sind die Themen, die uns Personaler momentan am meisten bewegen. Von vielen kaum beachtet findet die deutlichste Veränderung des Personalmanagements an einer anderen Stelle statt: in der Personalentwicklung. Für die meisten Personaler lohnt es sich daher, einmal genauer zu prüfen, wo die Personalentwicklung (PE) des eigenen Unternehmens steht.

Vergegenwärtigen wir uns noch einmal, welche Veränderungen gerade stattfinden:

  • Eine globalisierte Wirtschaft führt zu immer schnelleren Marktveränderungen, die meist von Entwicklungen in Asien und Schwellenländern getrieben werden
  • Demografische Entwicklung und andere Faktoren erfordern ein deutlich strategischer ausgerichtetes Personalmanagement
  • Flexible Arbeitsformen (Zeitarbeit, Interimsmanagement etc.) und die Gestaltung der Arbeit (Work-Life-Balance, BGM etc.) nehmen in ihrer Bedeutung zu

Die Konsequenzen sind vielfältig und erfordern eine Anpassung der Personalentwicklung:

  • Die klassische, ausbildungsorientierte PE wird durch schnelle, flexible Lernkonzepte ersetzt: Kompetenzentwicklung ersetzt das Sammeln von Abschlüssen
  • Lernen wird individualisiert und personalisiert: Mitarbeiter übernehmen die Verantwortung für die eigene Lernkarriere
  • die Komplexität der PE steigt durch eine größere Anzahl an Zielgruppen und Lernbedarfen dramatisch an: neue, zusätzliche Instrumente der Personalentwicklung ergänzen die vorhandenen.

Einige der notwendigen Veränderungen sind bereits auf einem guten Wege. So setzt sich zum Beispiel das 70:20:10-Lernmodell immer weiter durch und ersetzt klassische Qualifizierungskonzepte. Lernen und Weiterbildung werden zum normalen Bestandteil des beruflichen Alltags und das interaktive Lernen in der Belegschaft erlangt gegenüber dem Wissenstransfer von außen einen größeren Stellenwert.

Dementsprechend werden Seminare aus dem Katalog immer mehr durch kompetenzbasierte, praxisnahe Modelle, die auf interaktiven Lernsettings beruhen, ersetzt. Die Mitarbeiter lernen miteinander und voneinander und kollegiale Beratung, Mentoring und ähnliche Formate gewinnen massiv an Bedeutung. Im (scheinbaren) Gegensatz zu solch aufwändigen Lernbeziehungen führt der zunehmende Effizienzdruck zu standardisierten Lernformaten, die per e-Learning oder mobilen Geräten genutzt werden.

Der Handlungsbedarf für das Personalmanagement, der sich aus den absehbaren Veränderungen ergibt, erstreckt sich auf mehrere Felder:

1. Lernkultur

Der größte Wandel der nächsten Jahre zeichnet sich hinsichtlich der Lernkultur in den Unternehmen ab. Klassische ausbildungs- und statusbasierte Strukturen werden radikal umgekehrt. In Märkten und Unternehmen mit Produktzyklen von wenigen Jahren und Geschäftsfeldern, die primär im Ausland liegen, werden sich die Wissens- und Erfahrungsführerschaft mit jedem Projekt und jedem neuen Kunden auf die jeweils beteiligten Mitarbeiter verschieben. Alle sind gefordert, das für sie relevante Wissen zu erlangen, das für die eigene Weiterentwicklung nötig ist und die notwendigen Handlungskompetenzen aufzubauen.

2. Organisation und Rollen

Mit der neuen Kultur sind neue Rollen und Strukturen vonnöten. Dass die Vorgesetzten für die Lernentwicklung ihrer Mitarbeiter verantwortlich sind, hat sich als Einsicht in den meisten Unternehmen bereits durchgesetzt. Wie sieht jedoch die alltägliche Praxis aus? Sind die Führungskräfte bereits in der Lage, die neue Rolle auszufüllen? Meist können sie gar nicht entsprechend agieren, da notwendige Rahmenbedingungen und methodische Begleitung fehlen. Hier hinken viele Personalabteilungen der Entwicklung hinterher, weil sie die eigene Rolle noch nicht umgestellt und durchgesetzt haben. Die Personalentwicklung der Zukunft ist Berater und Begleiter der Führungskräfte auf Basis strategischer Personal- und Entwicklungsplanung.

3. Formate und Instrumente

Personalentwicklung wird darauf abgestellt sein, die strategisch abgeleiteten und individuell identifizierten Entwicklungsbedarfe in Konzepte zu gießen, die im Berufsalltag verankert sind und stark auf kooperatives Lernen setzen. Dazu werden Instrumente wie Patenschaften, Lerngruppen und das Mentoring deutlich an Bedeutung gewinnen, während Seminare und andere Formate des Wissenstransfers an Bedeutung verlieren.

4. Intelligente Kooperationsmodelle

Die steigende Komplexität durch mehr Zielgruppen, Instrumente und die Integration des Lernens in den operativen Alltag können viele Personalabteilungen überhaupt nicht leisten. Dazu fehlen die Ressourcen und die Möglichkeiten des Business, notwendige Rahmenbedingungen zu schaffen. Die Balance aus notwendigen Maßnahmen und Wirtschaftlichkeit herzustellen wird eine wichtige Kompetenz der Personalentwickler sein. Positivbeispiele für zukunftsweisende Modelle sind Verbundlösungen, in denen sich Unternehmen zusammenschließen, um regional oder branchenorientiert gemeinsam zu agieren. Cross-Mentoring-Programme, gemeinsamer Einkauf von Standardseminaren oder Recruiting-Kampagnen mehrerer Unternehmen einer Region zeigen, wohin die Reise gehen wird.

Wie ein nächster Schritt auf dem Weg zur PE 2.0 aussehen kann, zeigt das Beispiel eines mittelständischen Maschinenbauers: Die strategische Personalplanung ergab bei diesem Unternehmen, dass ein Mangel an internen Kandidaten für Positionen im Top-Management bestand. Gleichzeitig war unklar, welche Kandidaten für neue Aufgaben in internationalen Projekten und der Marktentwicklung verfügbar sind. Ein kombiniertes Executive und Talent Management Programm sollte potenzielle Kandidaten identifizieren und eine flächendeckende Entwicklung der Führungskompetenzen erreichen.

Auf Basis eines Kompetenzmodells definierte der Vorstand Kompetenzprofile für die Zielpositionen und mehrere strategisch relevante Projekte, die durch die Teilnehmer bearbeitet werden sollten. Die Projekte wurden das Rückgrat des Programms und alle weiteren Instrumente wie eine e-Learning-Plattform zur Bearbeitung von Case Studies, Seminare oder kollegiale Beratung waren so auf die Projekte abgestimmt, dass diese bestmöglich bearbeitet werden konnten.

Das Feedback der Teilnehmer, des Managements und der anderen Stakeholder zeigte folgende Erfolgsfaktoren:

  • intensive und andauernde Begleitung der Projekte durch das Top-Management in der Vorbereitung und als Projekt-Sponsor
  • hoher Anspruch der Projekte durch die strategische Bedeutung
  • beschleunigte Notwendigkeit der Teamentwicklung durch sehr heterogene Gruppen (fachlich, international)
  • Verzahnung unterschiedlicher Instrumente, die sich gegenseitig unterstützen und den Transfer der erworbenen Kompetenzen in den Arbeitsalltag erlauben

Die geschilderte Veränderung der Personalentwicklung bedeutet sehr viel Arbeit und ist mit einigen Widerständen bei allen Stakeholdern verbunden. Trotzdem lohnt sich der Weg, denn die stärkere Verknüpfung mit dem Business liefert schnelle, nachhaltige Ergebnisse, wenn es gelingt die zukünftig benötigte Flexibilität und Zielgenauigkeit der Maßnahmen herzustellen.

So kann sich die Personalabteilung in jedem Fall als Business Partner positionieren und einen wichtigen Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten.

 

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Frank Edelkraut

Geschäftsführer
Mentus GmbH

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