5 Dos and Don’ts zu Persönlichkeitstests

Personalentwicklung

Häufig werden in der Personalentwicklung oder im Recruiting Persönlichkeitstests eingesetzt. Wenn sie wissenschaftlich fundiert sind, können sie einen Mehrwert bieten, da sie über die rein subjektive Einschätzung von Persönlichkeit hinausgehen.

Laut einer Umfrage, die 2012 in dem Onlinemagazin Wirtschaftspsychologie heute veröffentlicht wurde, setzen bereits 75 Prozent der Unternehmen im deutschsprachigen Raum Persönlichkeitstests im Recruiting und bei der Personalentwicklung ein. Leider fehlt es im Umgang mit diesen Tests oft an Seriosität und wissenschaftlicher Fundierung.

Es braucht daher Maßnahmen, um seriöse Persönlichkeitstests zu identifizieren, um auf deren Basis fundierte, ethisch verantwortbare und zielgerichtete Entscheidungen treffen zu können.

Fünf Dos

1. Den Zweck des ­Einsatzes definieren

Ein Persönlichkeitstest sollte eine sinnvolle diagnostische Zusatzinformation bieten und nicht zum Selbstzweck eingesetzt werden. Daher stellt sich anhand folgender Kriterien zunächst die Frage, ob ein solcher Test für den speziellen Einsatz überhaupt sinnvoll ist: Auf welche Anforderungen im Kompetenzprofil zielt der Test ab? Ist der Persönlichkeitstest eine geeignete Erkenntnisquelle oder gibt es aussagekräftigere Alternativen? Wie genau soll der Test in die bestehende Diagnostik oder ins Coaching eingebettet werden? Liegen für die Zielgruppe geeignete Normen und Sprachversionen vor?

2. Persönlichkeitsdiagnostik den Profis überlassen

Persönlichkeitstests gehören in die Hände von Profis. Um einen Persönlichkeitstest auszuwählen, zu interpretieren und diagnostisch sinnvoll einbetten zu können, ist eine fundierte psychologische Ausbildung eine wichtige Voraussetzung. Ist diese Expertise inhouse nicht verfügbar, empfiehlt es sich, auf externe, psychologisch-diagnostische Expertise zurückzugreifen. Sind beide Optionen nicht möglich, sollte lieber auf einen Persönlichkeitstest verzichtet werden.

3. Qualität kritisch ­hinterfragen

Im deutschsprachigen Raum existiert inzwischen ein selbst für manche Fachleute unüberschaubares Angebot an Persönlichkeitstests. Kriterien zur Einschätzung der Seriosität sind beispielsweise: „Objektivität, Reliabilität und Validität“ sowie die wissenschaftliche Grundlage. Auskunft über die Gütekriterien und die zugrunde liegende wissenschaftliche Theorie und darüber, ob diese Theorie aktuell und in Fachkreisen anerkannt ist, gibt unter anderem auch die Anleitung des jeweiligen Testentwicklers.

4. Den Test selbst ­durchführen

Bevor der Persönlichkeitstest bei anderen Personen angewandt wird, ist es aufschlussreich, ihn selbst durchzuführen und auf ethisch-rechtliche Aspekte zu prüfen. Auf keinen Fall sollte der Test gegen die Privat- oder Intimsphäre verstoßen. Auch sollte geprüft werden, wie Verhaltensäußerungen ausgewertet werden. Weiterhin sollte, falls der Test KI-Anwendungen nutzt, überprüft werden, ob diese im Rahmen der KI-Verordnung der EU liegen sowie welche Algorithmen ihnen zugrunde liegen.

5. Ergebnisse als wertvolle Zusatz­information nutzen

Persönlichkeitstests haben nur eine niedrige Vorhersagekraft für den zukünftigen Berufserfolg. Daher sollten die Ergebnisse als wertvolle diagnostische Zusatzinformation gesehen werden, die das Bild von Kandidatinnen und Kandidaten abrunden.

Fünf Don’ts

1. Auf Marketing von Anbietern hereinfallen

Die meisten Anbieter von Persönlichkeitstests behaupten, ihre Tests seien wissenschaftlich fundiert. Wissenschaftliche Qualitätsanforderungen werden aber nur von einem kleineren Teil der Verfahren umfassend erfüllt. Informationen aus neutralen Quellen, die über einen entsprechenden Sachverstand verfügen, liegen dagegen nur selten vor und sind schwer zu finden. Eine erste Anlaufstelle ist das Diagnostik- und Testkuratorium (DTK), das einige Tests rezensiert hat. Das Forum Assessment plant außerdem, eine Testinformationsplattform zu veröffentlichen, die eine heuristische Einschätzung zu rund 250 Tests geben soll.

2. Persönlichkeitstests ungeprüft über­nehmen

Nur weil einige große und renommierte Firmen einen bestimmten Persönlichkeitstest verwenden, heißt das nicht, dass dieser auch seriös ist und bedenkenlos übernommen werden kann. Die Suche nach einem seriösen Persönlichkeitstest, der sinnvoll in die Diagnostik eingebettet werden kann, kann aufwendig sein, ist aber notwendig. So können Reputationsschäden durch unseriöse Testanwendungen vermieden werden.

3. Typen-Kategorien glauben

Als Faustregel gilt: Alle Tests, die Menschen in „Typen“ einteilen (Farben, Buchstabenkombinationen, Tiere, Hogwarts-Häuser, Disney-Prinzessinnen und mehr) sind wissenschaftlich nicht fundiert und somit auch nicht seriös. Persönlichkeit ist ein Kontinuum und keine Kategorie. Menschen sind nicht entweder extra- oder introvertiert, sondern befinden sich meist auf einer Skala irgendwo dazwischen. Wissenschaftlich fundierte Modelle der Persönlichkeit sind beispielsweise das Big-Five-Modell und das Hexaco-Modell.

4. Zertifizierungen per se als Qualitätsmerkmal ansehen

Es gibt sehr gute Persönlichkeitstests, für deren Anwendung keine Zertifizierung nötig ist, und sehr schlechte, die eine vorherige Zertifizierung verlangen. Davon auszugehen, dass eine Zertifizierung in jedem Fall ein Kriterium für einen fundierten Test darstellt, ist daher ein Fehler. Im Worst Case wird viel Geld zur Zertifizierung oder Rezertifizierung für einen nutzlosen, potenziell reputationsschädigenden Test ausgegeben. Auch hier gilt es, den Test zuerst gründlich zu prüfen und eine Zertifizierung nur bei einem seriösen Test in Kauf zu nehmen.

5. Vom Bekanntheitsgrad auf die Seriosität schließen

Gleiches gilt beim Bekanntheitsgrad. Ein bekannter Test deutet nicht unbedingt darauf hin, dass er auch gut ist und umgekehrt. Beispielsweise sind Typentests in Deutschland sehr verbreitet, aber nicht wissenschaftlich fundiert. Sie können zu Stereotypisierung und Schubladendenken führen. Nach mehr als hundert Jahren psychologischer Forschung existieren inzwischen aber breit untersuchte und akzeptierte wissenschaftliche Modelle.

Korrektur: In der früheren Version und der Magazinausgabe hieß es: „Laut einer Umfrage, die 2012 in dem Onlinemagazin Wirtschaftspsychologie heute veröffentlicht wurde, setzen bereits 75 Prozent der Unternehmen im deutschsprachigen Raum Persönlichkeitstests im Recruiting und bei der Personalentwicklung ein.“ 

Richtig müsste es heißen: Laut einer Umfrage, die 2021 in dem Onlinemagazin Wirtschaftspsychologie heute veröffentlicht wurde, setzen bereits 75 Prozent der Unternehmen im deutschsprachigen Raum Persönlichkeitstests im Recruiting und bei der Personalentwicklung ein. Leider fehlt es im Umgang mit diesen Tests oft an Seriosität und wissenschaftlicher Fundierung.“ Wir haben diese Stelle angepasst.

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Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Skills. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Anna-Magdalena Kölzer

Anna-Magdalena Kölzer ist Psychologin mit dem Schwerpunkt Eignungsdiagnostik. In ihrer aktuellen Rolle als Senior Diagnostic Expert bei PowerCo, einem Start-up von VW, ist sie für die Auswahl von Führungskräften verantwortlich. Zudem ist sie Dozentin an der Fachhochschule Wedel und Mitglied der Projektgruppe Persönlichkeitstests des Vereins Forum Assessment.

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