Data Literacy in HR als Grundlage für People Analytics

Nachwuchsförderpreis BPM

HR ist gefragt, zunehmend datenbasierter zu arbeiten, um den aktuellen Heraus­forderungen des Arbeitsmarktes zu begegnen und die eigene Organisation mitarbeiterzentriert aufzustellen. Die datenorientierte und -basierte Arbeit in HR wird unter dem Begriff der People Analytics zusammengefasst. Zu deren konkreten Umsetzung benötigen Personalverantwortliche dezidierte Data-Literacy-Kompetenzen. Im Rahmen ihrer Masterarbeit hat die Autorin untersucht, inwieweit HR bereits in der Lage ist, People Analytics umzusetzen, welche Kompetenzen der Data Literacy hierfür notwendig sind und wie diese in HR aufgebaut werden können.

Das Humankapital eines Unternehmens macht laut Zahlen aus dem Jahr 2020  des World Economic Forums 52 Prozent des Marktwertes eines Unternehmens aus. Dem HR-Bereich, der diesen Aspekt verantwortet, fällt somit eine strategische Schlüsselposition im Unternehmen zu. Zudem bringt die aktuelle Digitalisierung und Datafizierung der Arbeitswelt immense Potenziale zur Nutzung von Daten für unternehmensstrategische Entscheidungen mit sich. Dies wurde durch Katharina Schüller und weiteren im Jahr 2019 in der Aufstellung des Kompetenzrahmens und Forschungsberichtes zu Data Literacy definiert. Im Rahmen von HR dient die Disziplin der People Analytics als Ansatz für datenbasierte Entscheidungsprozesse und bietet demnach einen wesentlichen Wettbewerbsfaktor für Unternehmen. People Analytics hat das Potenzial, den Erfolg von Unternehmen wesentlich zu beeinflussen. Von der Einstellung bis zur Mitarbeiterbindung, von der Leistungssteigerung bis zur strategischen Planung. Wir befinden uns in einer Zeit, in der Daten die Zukunft der Personalarbeit gestalten. Demnach muss sich HR so datenbasiert, agil und strategisch wie möglich aufstellen.

Aber wie sieht es in der Praxis aus? Ist HR bereits flächendeckend in der Lage, die vorhandenen Daten effektiv zu nutzen, um Einfluss auf die strategischen Entscheidungsprozesse im Unternehmen zu üben? Und was wäre für HR nötig, um People Analytics effektiv umzusetzen?

Diese Fragen haben den Ausgangspunkt für meine Masterarbeit gegeben, in der ich unter dem Titel ­Wettbewerbsfaktor People Analytics – Erarbeitung von Handlungsempfehlungen zum Aufbau erfolgskritischer Data Literacy bei HR-Professionals zwei wesentliche Aspekte bearbeitet habe:

  1. Die Untersuchung des Status quo, die die Definition des Rahmens für People Analytics ausgehend von den notwendigen HR-Data-Literacy-Kompetenzen sowie die Analyse des aktuellen Reifegrads von HR-Professionals in den definierten Data-Literacy-Kompetenzen beinhaltet.
  2. Die Ableitung notwendiger Entwicklungsschritte hin­sichtlich des Aufbaus der spezifischen Data-­Literacy-Kompetenzen bei HR-Professionals.
Die Umsetzung von People Analytics kann praktisch auf drei Ebenen heruntergebrochen werden:

Individuelle Ebene: HR-Professionals sind mit ihrem Skill-Set maßgeblich für die Adaption von People Analytics (unter der Annahme, dass People Analytics von HR gesteuert wird) verantwortlich.

Strukturelle Ebene: Die Unternehmenskultur und gewisse einheitliche Strukturen, zum Beispiel ein einheitliches, organisationsweites Datenverarbeitungssystems mit integriertem HRIM (Human Ressource Information Management System).

Prozessuale Ebene: Die Bearbeitung von Fragestellungen und Ableitung entsprechender Maßnahmen unter dem Dach von People Analytics folgt gewissen Prozessschritten mit unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und Kompetenzen. Je nach Prozessanforderung müssen unterschiedliche Fachleute beteiligt werden.

Demnach werden die strukturelle und prozessuale Ebene für die weitere Betrachtung der relevanten HR-Data-­Literacy-Kompetenzen als gegeben betrachtet (dürfen aber in der Gesamtbetrachtung nicht vernachlässigt werden).

HR-Professionals benötigen laut den Erkenntnissen meiner Arbeit grundlegende Kenntnisse im gesamten Data-­Literacy-Prozess, der – wie auch bei Schüller nachzulesen – folgende grundsätzliche Schritte abdeckt:
  1. Definition des Datenproblems
  2. Ableitung datengetriebener Hypothesen
  3. Definition der Analysemethode
  4. Bereitstellung und Aufbereitung der relevanten Daten
  5. Durchführung der Datenanalyse
  6. Aufbereitung der datenbasierten Ergebnisse
  7. Interpretation der Ergebnisse, Ableitung von ­Maßnahmen
  8. Umsetzung evidenzbasierter Maßnahmen

HR-Professionals sind gefordert, Analytics-Prozesse zu verstehen und hinterfragen zu können. Anderenfalls besteht die Gefahr, dass Modelle und Annahmen von Personen mit ausschließlicher Datenanalyse-Expertise akzeptiert werden, ohne dass sie im nötigen logischen HR- und Beschäftigtenkontext hinterfragt werden.

An dieser Stelle zeigt sich das Problem für die Praxis. Die Veröffentlichung von Bersin by Deloitte im Jahr 2019 zur Disruption im Arbeitsmarkt und den veränderten Anforderungen an HR bestätigt, dass nur neun Prozent der HR-Professionals „gute“ oder „sehr gute“ HR Data Literacy besitzen. Auch Ralph (Bud) Hamilton bestätigt in seiner Arbeit im Jahr 2020 zu den Chancen und Herausforderungen für den Einsatz von Big-Data-Analysen für das strategische HR-Management, dass HR-Professionals, Personen aus dem HR-Management sowie Beschäftigte aus dem HR-Bereich aktuell nicht ausreichend qualifiziert für den Umgang mit Big Data und deren Analyse sind. Es zeigt sich eine Kompetenzlücke für die HR-Funktion in den Bereichen Datenanalyse, statistische Analyse und Berichterstattung.

© Nicole Reich
© Nicole Reich

Beim Abgleich mit den praktischen Anforderungen, die über diverse Interviewpartner in die Arbeit eingeflossen sind, zeigt sich, dass alle Befragten zwar Grundlagenkenntnisse voraussetzen, zum Beispiel in statistischen Konzepten innerhalb von HR, aber ein tieferes analytisches Wissen nur bei vereinzelten HR-Professionals vorhanden sein muss. Aus dem praktischen Erfahrungskontext bestätigt sich, dass es ein höheres flächendeckendes Data-Literacy-Verständnis innerhalb von HR braucht, aber nur einige wenige HR-Professionals als Kommunikatoren beziehungsweise Schnittstellen zu Data-Analytics-Fachleuten und Data Analytics Scientists notwendig sind. Im Ergebnis der „Status quo“-Analyse zu den erfolgskritischen Data-Literacy-Komponenten bei HR-Professionals haben sich die folgenden vier Komponenten herauskristallisiert:

1. Die Etablierung eines datenbasierten Denkansatzes, der ein flächendeckendes Verständnis für die Notwendigkeit des datenorientierten Denkens in HR und die konzeptionellen Grundlagen schaffen soll.

2. Der Aufbau grundlegender Kompetenzen im gesamten Data-Literacy-Prozess, der alle HR-Professionals dazu befähigen soll, einen datenbasierten Entscheidungsprozess und die notwendigen datenkonzeptionellen und statistischen Grundkonzepte nachzuvollziehen.

3. Der Aufbau reifer Kompetenzen für datenbasierte Prozessschritte, verantwortet durch HR, der vertiefte Kompetenzen in denjenigen Bereichen der Data Literacy aufbaut, die hauptverantwortlich durch die HR-Professionals gesteuert werden. Im Fokus stehe: ein vertieftes Verständnis für das Initiieren von Datenanalysen auf Grundlage von in HR definierten Trends, Ergebnisse mit HR-Wissen auf ihre Plausibilität zu prüfen und kreative HR-Maßnahmen auf Basis der Datenergebnisse umzusetzen.

4. Die vereinzelte Weiterentwicklung von HR-Professionals als HR-Analysten (Übersetzerrolle) soll eine der größten Kompetenzlücken schließen, das heißt, die Schaffung einer einheitlichen Wissens- und Sprachgrundlage zwischen HR-Fachleuten und Daten- und Analytics-Fachkundigen. Es besteht die Notwendigkeit, dass sich aus HR heraus Experten und Expertinnen mit fortgeschrittenem analytischem Wissen entwickeln.

In der Ableitung der konkreten Entwicklungsschritte für diese Komponenten sind die Komponenten eins bis drei der HR Data Literacy, unabhängig von der Unternehmensgröße oder dem HR-Modell, zu betrachten. Diese ­Kompetenzen sollten bei allen HR-Professionals ­ausgebildet werden. Der Aspekt vier wird als flexibel und eher vom Unternehmenskontext abhängig definiert. Dieser Aspekt kann – abhängig von den im Unternehmen vorhandenen oder bei KMU nicht vorhandenen Rollen – entfallen oder weitere auf die spezifischen Rollenanforderungen zutreffende Kompetenzbedarfe beinhalten.

Die Aus- und Weiterbildung von Data Literacy wird als eine präferierte Form zum Aufbau der Data Literacy in HR festgestellt. Das Recruiting gilt zwar ebenso als diesbezügliche Option, die Umsetzung wurde aufgrund des wenig verfügbaren Kompetenzmixes aus HR- und Analytics-Kompetenzen am Markt jedoch als schwierig erachtet. Ausgehend von dieser Feststellung wurde im Rahmen der Arbeit ein Trainingskonzept für die aufgeführten HR-Data-­Literacy-Komponenten mit Empfehlungen für Trainingsmethoden abgeleitet.

Der definierte Ansatz wurde übergreifend für HR-Professionals erarbeitet. Für Führungskräfte müsste der Ansatz entsprechend spezifiziert werden.

Mit den beschriebenen Erkenntnissen wurden die für People Analytics relevanten Kompetenzen in einen praktischen Anwendungskontext gesetzt. Der Aufbau eben dieser Kompetenzen ist essenziell für HR, um die Zukunft des Unternehmens ausgehend von seinem wichtigsten Kapital – den Mitarbeitern und ihren Bedürfnissen – zu gestalten.

© Mirella Frangella Photography

Für ihre Masterarbeit Wettbewerbsfaktor People Analytics – Erarbeitung von Handlungsempfehlungen zum Aufbau erfolgskritischer Data Literacy bei HR-Professionals wurde Nicole Reich mit dem diesjährigen Nachwuchsförderpreis des Bundesverbands der Personalmanager*innen (BPM) ausgezeichnet. Der Preis wird jedes Jahr auf dem Personalmanagementkongress verliehen. 2023 übergaben ihn Bernhard Muhler, Geschäftsführer, Bludau Partner, Sponsor des Nachwuchsförderpreises (links) und BPM-Vorstandsmitglied Michael Hyllan an die stolze Gewinnerin. Der Preis ist mit 2.000 Euro dotiert. Weitere Informationen zum Nachwuchsförderpreis auf www.bpm.de

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Emotionen. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Nicole Reich

Nicole Reich ist als SAP-Analytics-Beraterin mit dem Fokus auf People Analytics bei Deloitte tätig. Zuvor war sie neben ihrem Studium bereits in verschiedenen HR-Kontexten tätig, im Konzern- sowie Start-up-Umfeld. Die hier beschriebene Abschlussarbeit war Teil ihres Masterstudiums des Arbeits- und Personalmanagements an der HTW Berlin.

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