Milderung von Streikfolgen auf Arbeitgeberseite durch Streikbruchprämien

Arbeitsrecht

Im Falle eines Streikes haben Arbeitgeber kaum Möglichkeiten, sich zu wehren. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Auslobung von Streikbruchprämien nun bestätigt.

Sonderzuwendungen, die der Arbeitgeber vor oder während des Arbeitskampfs wegen der Nichtteilnahme am Streik gewährt (sog. Streikbruchprämien), sind in der Rechtsprechung des BAG als zulässiges Kampfmittel des Arbeitgebers anerkannt, um die Folgen eines Streiks abzumildern. Mit seinem Urteil vom 14.8.2018 (1 AZR 287/17, Entscheidungsgründe noch nicht veröffentlicht) sorgt der 1.Senat des BAG nunmehr auf Arbeitgeberseite für Rechtssicherheit bei der Ausgestaltung der Höhe von Streikbruchprämien.

Kaum Mittel gegen betriebliche Ablaufstörungen

Die Rechtsprechung spricht dem Streikrecht (Art. 9 Abs. 3 GG) einen hohen Wert zu. Kann (oder will) der bestreikte Arbeitgeber einen Streik nicht im Wege einer einstweiligen Verfügung untersagen lassen, verbleiben ihm kaum Mittel, um betrieblichen Ablaufstörungen entgegenzuwirken:

  • Während eine Betriebsstilllegung insoweit kontraproduktiv ist, vergrößert eine Aussperrung auch der arbeitswilligen Arbeitnehmer, soweit diese im Einzelfall überhaupt zulässig ist, unter Umständen die kampfbedingten Störungen.
  • Der Einsatz von Leiharbeitnehmern als Streikbrecher in einem unmittelbar durch einen Arbeitskampf betroffenen Betrieb und für Tätigkeiten, die bisher von im Streik befindlichen Arbeitnehmern erledigt wurden, ist gesetzlich untersagt.
  • Eine (rechtmäßige) Verweigerung der Lohnzahlung gegenüber streikenden Arbeitnehmern hält Gewerkschaftsmitglieder von Zahlungen aus gewerkschaftlichen Streikkassen in der Regel nicht vom Streik ab.

Möchte der Arbeitgeber dennoch möglichst viele Arbeitnehmer von der Streikteilnahme abhalten, verbleibt ihm die Möglichkeit, eine Streikbruchprämie auszuloben. Streikbruchprämien sind vom BAG seit längerem als grundsätzlich zulässiges Mittel des Arbeitskampfes anerkannt, wenn hierdurch streikbereite Arbeitnehmer zur Arbeitsaufnahme veranlasst werden sollen, um die Fortsetzung des Betriebs zu ermöglichen (vgl. BAG v. 13.7.1993 – 1 AZR 676/92). Zur Begründung wird angeführt, die Streikbruchprämie unterscheide sich nicht von anderen Arbeitskampfmitteln des Arbeitgebers und sei gegenüber der Aussperrung sogar ein milderes Mittel. Daher kann ein Streikteilnehmer sich nicht darauf berufen, in der Nichtgewährung der Zuwendung wegen der Teilnahme am Streik liege ein Verstoß gegen das Maßregelungsverbot des §612a BGB. Gegenteiliges soll nur dann gelten, wenn im Tarifvertrag bezüglich einer derartigen Zuwendung eine Gleichstellung der streikenden mit den nicht streikenden Arbeitnehmern vorgesehen ist (sog. tarifliches Maßregelungsverbot) oder die Streikbruchprämie ausdrücklich nur Gewerkschaftsmitgliedern und nicht unterschiedslos allen nicht am Streik beteiligten Arbeitnehmern gezahlt wird.

Der behandelte Fall

Dass ein bestreikter Arbeitgeber berechtigt ist, zum Streik aufgerufene Arbeitnehmer durch Zusage einer Streikbruchprämie von ihrer Streikbeteiligung abzuhalten, hat das BAG jüngst in seiner Entscheidung vom 14.8.2018 (a.a.O.) bestätigt und geht noch darüber hinaus:

In der zugrunde liegenden Entscheidung hat der klagende Arbeitnehmer trotz Teilnahme an einem mehrtägigen Streik von seinem Arbeitgeber, einem Einzelhandelsunternehmen, die Zahlung einer arbeitgeberseitig vor dem Streik ausgelobten Streikbruchprämie verlangt. Gemäß Aushang vor Streikbeginn sollten alle arbeitswilligen Mitarbeiter und Auszubildenden, die im Falle eines Streiks ihrer regulären Tätigkeit nachgehen und nicht streiken, eine Prämien in Höhe von zunächst 200Euro und gemäß späterem Aushang von 100 Euro je Streiktag (stundeanteilige Berechnung bei Teilzeit) erhalten. Der Kläger sah darin einen Verstoß gegen das Maßregelungsverbot und den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz; jedenfalls aber sei die Höhe der Prämien, die angesichts seines Bruttomonatseinkommens von 1.480 Euro seinen Tagesverdienst um ein Vielfaches übersteigen, unverhältnismäßig.

Wie die Vorinstanzen, die die Klage abgewiesen haben, hielt das BAG die Streikbruchprämie – auch der Höhe nach – für ein zulässiges Kampfmittel. Die in der Zusage der Prämie liegende Ungleichbehandlung von streikenden und nicht streikenden Arbeitnehmern und Auszubildenden sei gerechtfertigt. Der Arbeitgeber dürfe mit einer freiwilligen Sonderzuwendung den Auswirkungen des Streiks entgegenwirken, um den Betrieb weitest möglich aufrecht zu erhalten. Auch für den Arbeitgeber gelte – wie für die Gewerkschaft – der Grundsatz der Kampfmittelfreiheit. Die Maßnahme müsse zwar dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz standhalten. Dieser sei aber sogar bei einer ausgelobten Streikbruchprämie, die den Tagesverdienst Streikender um ein Vierfaches übersteigt, gewahrt.

Was die Entscheidung für Sie bedeutet

In der betrieblichen Praxis können Streikbruchprämien somit bedenkenlos empfohlen werden, um die Folgen von Arbeitskampfmaßnahmen so weit wie möglich abzumildern. In welcher Form und Höhe eine Streikbruchprämie anlässlich bevorstehender Streikmaßnahmen zulässig und zweckmäßig ist, ist einzelfallabhängig zu entscheiden. Begrüßenswert ist, dass das BAG nunmehr bestätigt hat, dass der Arbeitgeber durch eine ausreichende und pauschalierte Höhe einer Tagesprämie entsprechende finanzielle Anreize schaffen kann, um Arbeitnehmer von der Teilnahme an Streikmaßnahmen abzuhalten. So muss der Arbeitgeber selbst dann keine Zahlungsansprüche streikender Arbeitnehmer befürchten, wenn deren Tagesverdienst nur einen Bruchteil der Höhe der Prämie ausmacht. Nicht zuletzt sollten aber auch das Mittel und die Form der Bekanntgabe gegenüber den Arbeitnehmern sorgfältig geprüft werden.

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Jutta Heidisch, Foto: Privat

Jutta Heidisch

Rechtsanwältin
Allen & Overy
Jutta Heidisch ist Rechtsanwältin bei Allen & Overy LLP.

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