Wie Sie Hochstapelei im Coaching entlarven

Personalentwicklung

Vor knapp 20 Jahren boten in Deutschland kaum mehr als 5.000 Personen ihre Dienste als Coaches an. Heute sind es weit über 50.000. Doch nur rund 14.000 Coaches verfügen laut Roundtable Coaching e.V. über eine Coaching-Ausbildung, die professionellen Standards genügt. Man kann also sagen: Auf jede und jeden qualifizierten Coach kommen mindestens drei Coaches, die weder über eine fundierte Ausbildung noch über hinreichende Standards der Berufsausübung verfügen. Wie aber können wir erkennen, ob wir es mit Blendern oder mit seriösen und erfahrenen Expertinnen zu tun haben?

Ob Beraterinnen, Coaches oder Headhunter: Die HR-Welt bietet ein breites Spektrum an Dienstleistungen. Doch wer sich als Expertin oder Experte auf dem Markt positionieren möchte, braucht mehr als nur Fachwissen. Erfolg verzeichnen heute oftmals jene Selbstständigen, die aus ihrer Person eine Marke zu machen verstehen. Sie stehen auf Bühnen, betreiben Pressearbeit, bloggen zu ihren Themen und geben klare Botschaften aus. Ökonomisch oft eine gelingende Strategie. Manche prahlen mit einer schier unglaublichen Fülle an Know-how und Referenzen, andere ernennen sich schlankweg selbst zu bestqualifizierten HR-Fachleuten. Da „Coach“ in Deutschland keine geschützte Berufsbezeichnung ist, kann sich jede und jeder Coach nennen. Im rapide wachsenden Online-Coaching-Markt ist es leichter als je zuvor, auch mit wenig Substanz, aber großen Versprechungen zu reüssieren – Erfolgsfaktor dabei ist vor allem eine „smarte“ Internet-Präsenz. Coaching-Interessierte, Klientinnen und Klienten oder auch Verantwortliche für Personalentwicklung erwarten aber wesentlich mehr als glänzende Verpackungen. Das stellt eine potenzielle Zusammenarbeit vor Herausforderungen. Wie also vor Vertragsabschluss sinnvoll einschätzen, ob die Selbstdarstellung von Anbietern mit der Wirklichkeit Schritt halten kann?

Häufige Warnsignale:

  • Lösung für jedes Problem: Manche Coaches behaupten, wahre Wunder zu bewirken. Das klingt verlockend, ist aber unrealistisch. Coaching ist keine Wunscherfüllungsmaschine, und nicht jedes Problem ist durch Coaching zu bewältigen. Der Erfolg eines Coachingprozesses bemisst sich nicht daran, dass ein ganz bestimmtes, zuvor festgelegtes Ergebnis erzielt wird, sondern daran, dass das im Prozess erarbeitete Ergebnis sich als förderlich für die Coachees und gegebenenfalls auch für die auftraggebende Institution erweist. Resultatgarantie ist ausgeschlossen! Das Versprechen auf 100 Prozent Erfolg in der Erreichung bestimmter Ziele ist nicht seriös und lässt unlautere Absichten vermuten.
  • Fragwürdige Qualifikation(en): Der deutsche Coachingmarkt ist schwer zu überblicken, Coaching kein geschützter Begriff, sodass unterschiedlichste Angebote unter diesem Label firmieren. Qualifizierte Coaches haben kein Problem damit, Personalentwicklungsmaßnahmen wie Trainings, Organisationsentwicklungsformate oder gar Therapien von Coaching abzugrenzen und ihr eigenes Vorgehen zu erläutern. Ihr methodisches Wissen und die zugehörige Praxis haben sie in plausibel belegbaren, coachingspezifischen Ausbildungsgängen erworben und entwickeln es nachvollziehbar kontinuierlich weiter. Vage Formulierungen oder pseudotheoretische, selbstreferentielle Begrifflichkeit, Betonung einer angeblichen völligen Neuartigkeit der „Methode“ oder wiederkehrende Forderungen nach mehr „Offenheit“ beziehungsweise die Behauptung, es stünden einem sichtbaren Fortschritt leider noch zu überwindende „Glaubenssätze“ im Wege, deuten eher auf ein bestimmtes Geschäftsmodell als auf sinnvolles Coaching hin.
  • Vertragssituation vorab klären: Ohne einen Vertrag, der die Rahmenbedingungen klar regelt und sowohl Coachee als auch Coach – nicht unbedingt einem gegebenenfalls beteiligten dritten Auftraggeber – ohne Nachteil die (vorzeitige) Beendigung des Coachingprozesses erlaubt, ist eine seriöse Zusammenarbeit zwischen Coach und Coachee (beziehungsweise HR eines Unternehmens) nicht möglich. Der Vertrag schafft für die beteiligten Parteien Klarheit und Transparenz, hält allgemein Ausgangssituation und Ziel des Prozesses sowie die voraussichtliche Dauer fest und regelt die Art der Bezahlung – Vorauszahlungen sind nicht üblich und oft Hinweis auf zweifelhafte Geschäftspraktiken.

Qualitätskriterien und Verbandszertifizierungen

Zur zielführenden Einschätzung und zum sinnvollen Vergleich von Angeboten braucht es klare und handhabbare Qualitätskriterien. In einem sehr dynamisch sich entwickelnden Markt ist man in Unternehmen aber nachvollziehbarerweise nicht immer sicher, was die Beurteilung von Kompetenzen und Referenzen betrifft. In der Geschäftsstelle des DCV gehen dann immer wieder einmal Anrufe ein, in denen Fragen zu bestimmten Methoden und auch geschäftlichen Usancen gestellt werden. Gute Verbände verfügen über Ethik- beziehungsweise Compliance-Richtlinien, auf deren Einhaltung sich alle Mitglieder verpflichten; diese sind natürlich auch allen Interessentinnen und Interessenten zugänglich. In jedem Falle sind für die Aufnahme in den Verband, vor allem aber für die bestimmten Qualifizierungen, Erfahrungen und Kompetenzen nachzuweisen, worüber ebenfalls frei informiert wird. Die Mitgliedschaft in einem Berufsverband verbürgt also bereits ein bestimmtes Qualitätsniveau. Für Interessenten, Klientinnen und auftraggebende Institutionen ist dies ein guter Orientierungsrahmen zur Beantwortung der Frage, ob sich jemand für die geplante Zusammenarbeit eignet.

Dass auch unter diesen Voraussetzungen Unstimmigkeiten auftreten und vielleicht zu Auseinandersetzungen führen können, ist auch bei bester Planung nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen. Um Missbrauch zu vermeiden und Fehlverhalten vorzubeugen, ist regelmäßige Weiterbildung und Supervision zur Aufrechterhaltung der Zertifizierung verpflichtend; die inhaltlichen Anforderungen dazu werden wiederum nicht nur verbandsintern, sondern in Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren wie Partnerverbänden und Vertretern von Wissenschaft und Forschung festgelegt. Für den „äußersten Fall“ schließlich sollten verbandsintern geregelte, parteiunabhängige Verfahren der Klärung von Auseinandersetzungen vorgesehen sein.

Coaching wie Recruiting

HR-Verantwortliche müssen bei der Auswahl von externen Partnerinnen und Dienstleistern nicht grundsätzlich anders vorgehen als bei der Personalauswahl. So sind Personalerinnen und People Manager geübt darin, herauszufinden, ob jemand falsche oder geschönte Angaben macht. Jedes Angebot sollte einen insgesamt stimmigen, plausiblen Eindruck machen. Falls sich hier nachhaltige Zweifel auftun, wird es nicht unmöglich sein, ein alternatives Angebot zu finden, das besser überzeugt. Anders als beim Kauf einer Maschine, für deren Funktionieren es irrelevant ist, ob zur Konstrukteurin ein gutes Vertrauensverhältnis besteht oder nicht, ist das Vertrauensverhältnis zum Coach entscheidend für den Erfolg eines Coachingprozesses. Hier gilt es, keine Abstriche zu machen und sich gegebenenfalls auch auf ein Bauchgefühl zu verlassen, wenn Bedenken aufkommen.

Lassen Sie die Finger von intransparenten Angeboten. Wenn Coaches hinsichtlich Referenzen zögerlich reagieren, muss aber kein Täuschungsverdacht aufkommen. Denn viele Coachees sind in diesem eher sensiblen Bereich nicht bereit, Dritten Referenzen zu geben. Im Zweifel schafft ein fachliches Gespräch Klarheit über Expertise und Know-how. Spätestens im Arbeitseinsatz stellt sich heraus, ob eine Expertin oder ein Experte hält, was sie oder er verspricht, und ein seriös gestalteter Vertrag erlaubt notfalls die unkomplizierte Beendigung der Coaching-Beziehung.

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Dr. Alexander Brung, Deutscher Coachingverband e.V.

Alexander Brungs

Dr. Alexander Brungs ist Vorstand Öffentlichkeitsarbeit des Deutschen Coaching Verband e. V. (DCV).

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