„Freiheit, das heißt, keine Angst haben, vor nichts und niemand.“ Wer mit diesem Satz des deutschen Liedermachers Konstantin Wecker aufwächst, für den verheißt Freiheit das erlaubte Aufbegehren gegen Ungerechtigkeit und Feigheit, das Abschütteln von jeglicher Obrigkeitshörigkeit wie wir sie von Heinrich Manns berühmten Protagonisten Diederich Heßling aus seinem Roman „Der Untertan“ kennen. Heßling ebnet in seinem Sozialchauvinismus den Boden für jenen Gräuel, der auf die wilhelminische Ära folgen sollte. Der Untertan buckelt nach oben und tritt nach unten. Doch kann eine freiheitliche Gesellschaft nur im Bewusstsein der für sie unerlässlichen Zivilcourage gedeihen.
+++ Dies ist das Editorial zur Ausgabe Freiheit des Human Resources Managers. Eine Übersicht aller Ausgaben sowie einen Blick in die Ausgabe #52erhalten Sie hier. +++
Allerdings ist Freiheit nicht per se menschenfreundlich. Sie wird, bei Weitem nicht das erste Mal in der deutschen Geschichte, gekapert von jenen, die Menschenfeindliches unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit streuen: „Das wird man ja noch sagen dürfen“, ist da nur eine törichte Äußerung unter vielen, die allein die Abwertung anderer zum Ziel hat und sich dabei feige in die Unschuldsecke kauert. So machen sich jene über die Freiheit her und schaffen dabei Unfreiheit. Dann wendet sich die Freiheit in ihrer ureigenen Beschaffenheit plötzlich gegen sich selbst, weil sie ohne unser Dazutun eben nicht unbesehen sozialverträglich ist. Vielmehr will sie verteidigt werden und immer wieder aufs Neue entstehen.
Das Recht auf freie Entfaltung
Das Grundgesetz schützt demgemäß das Recht auf freie Entfaltung, solange dadurch die Rechte anderer nicht verletzt werden. Freiheit existiert stets in Relation zum Gegenüber, denn die Freiheit des Einzelnen endet bekanntlich dort, wo die Freiheit des Anderen beginnt.
Zudem birgt Freiheit nicht nur antisoziales Potenzial. Sie wird inmitten des neoliberalen Turbokapitalismus auch zum Steigbügelhalter einer kühlen Arroganz: „Du hast die Wahl“, lautet entsprechend die Kernaussage der Libertären. Wir hätten doch die Wahl zu gehen oder zu bleiben, dem Arbeitgeber die Treue zu schwören oder ihm zu kündigen.
Luxus oder Grundbedürfnis
Doch ist dieses Dogma nur Symptom einer Überheblichkeit, die kurzgedachter kaum sein könnte: Haben Angestellte, die nicht nur für ihr eigenes Wohl sorgen, wirklich die Wahl, ohne ein Wimpernzucken in die freie Welt da draußen zu ziehen, um ihres eigenen Glückes Schmied zu werden? Für die Antwort bedarf es eines Blicks zurück, denn zuvor haben diese vermeintlich freien Menschen eine Wahl getroffen: in erster Linie die für ein Leben, in zweiter die für ein Leben in Gemeinschaft. Und das will geschützt werden. Zuvörderst mit Grundsätzlichem.
Doch wer richtet darüber, was Grundbedürfnis und was Luxus ist? Niemand muss ein Haus bauen, den Nachwuchs für den Musikunterricht anmelden oder den Lebensabend der Eltern so angenehm wie möglich gestalten. Aber sind nicht all diese Sehnsüchte und Bedürfnisse Ausdruck einer sozialverträglichen, sich umeinander sorgenden Gesellschaft? Ihnen begegnet der moderne Untertan mit Gleichmut und verweist auf seinen Glaubenssatz: „Hier muss ja niemand arbeiten“. Er buckelt nach sozialdarwinistischer Libertas und tritt nach dem Sehnen eines elementaren Sicherheitsbedürfnisses. Damit ebnet der zeitgenössische Diederich Heßling den Weg in empfundene und tatsächliche Ungerechtigkeit, die sich an anderer, schmerzhafter Stelle wieder entlädt.
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