Total Rewards: Mit New Work Schritt halten

Gehalt

Remote Working, hybride Arbeitsmodelle, agile Teams oder Gig Economy – Flexibilität und Anpassungsfähigkeit ist nicht nur von Mitarbeitenden, sondern auch von Unternehmen gefragt. Gesamtvergütungsprogramme müssen darauf abgestimmt werden. Für Unternehmen heißt dies insbesondere Skalierbarkeit von Kosten, Synchronität von Vergütung und Wertschöpfungsprozess sowie ein besserer Return-on-Invest auf die Vergütungsausgaben. Für Mitarbeitende geht es um ein faires, inklusives Gesamtvergütungspaket, passend zu ihren Präferenzen und ihrer Lebenssituation. Beide Seiten möchten die Chancen nutzen, die sich im Gefolge der Pandemie aufgetan haben.

Jetzt ist dafür der richtige Zeitpunkt. Der Handlungsdruck der akuten Pandemiebewältigung ebbt ab, so dass Freiräume entstehen, neue, passendere Gesamtvergütungsstrategien zu entwickeln. Zahlreiche Unternehmen planen daher aktuell, ihre Gesamtvergütungsphilosophie umfassend zu prüfen, wie die jüngst veröffentlichten Studie Reimagining Work and Rewards 2022 von WTW zeigt.

In der Pandemie ist der Blick auf die Menschen, mit denen wir arbeiten und für die wir Vergütungsprogramme entwickeln, ganzheitlicher geworden. Wir begegnen uns auf Augenhöhe, die Grenzen zwischen Privatleben und Beruf verschwimmen. Wir haben erfahren, dass wir alle in einem Boot sitzen, sich unsere Bedürfnisse und Lebenssituationen aber unterscheiden. Dies verstärkt die Trends zu Ganzheitlichkeit, Personalisierung, Wahlfreiheit und Individualisierung – bei steigenden Anforderungen an Diversity, Equity und Inklusion.

Daher muss die Flexibilisierung der Gesamtvergütung alle Elemente einbeziehen: Entgelt, Nebenleistungen, Karriere und Wellbeing müssen gesamthaft gestaltet werden. Dies erfordert eine Zusammenarbeit über Abteilungsgrenzen und “Silos” hinweg. Zudem reichen “nur” ein wettbewerbsfähiges Gehalt oder attraktive Nebenleistungen nicht mehr aus. Gerade das Thema Wellbeing hat in der Pandemie und beim hybriden Arbeiten an Bedeutung gewonnen. Angesichts des Fachkräftemangels ist das Thema Karriere für die Mitarbeitergewinnung und -bindung erfolgskritisch. Ohne eine stärkere Einbeziehung und Beteiligung der Mitarbeitenden an der Weiterentwicklung der Gesamtvergütungsprogramme wird die erforderliche Modernisierung kaum gelingen.

Entgelt: mehr Freiraum für Vergütungsentscheidungen

Anstelle der bisherigen rigiden Vergütungsansätze räumen Unternehmen ihren Führungskräften mehr Freiräume für Vergütungsentscheidungen ein. Level, Rollen und Vergütungsbänder werden breiter, der Ordnungsrahmen grobmaschiger. Neben Lage im Band und Leistung spielen Faktoren wie Kritikalität der Rolle, erfolgskritische Fähigkeiten sowie knappe und hochspezialisierte Kenntnisse, Meilensteine der persönlichen Entwicklung sowie das Potenzial der Mitarbeitenden eine größere Rolle für die Vergütungsentwicklung. Mit Blick auf Entgeltgerechtigkeit und -transparenz sollten die Entscheidungen unbedingt daten- und faktenbasiert getroffen werden.

Viele Unternehmen haben zusätzlich ihre Budgets für Anerkennungsprämien aufgestockt, die Vorgesetzte oder Kolleginnenen und Kollegen vergeben können, um Führungskräften und Mitarbeitenden eine zeitnahe Anerkennung von Leistung flexibel zu ermöglichen. Einige Unternehmen erlauben ihren Mitarbeitenden darüber hinaus Wahlfreiheit bei der Zusammensetzung ihres Vergütungspakets (fixe versus variable Vergütung). Auch die zeitliche Flexibilität wächst: einige Unternehmen wechseln von jährlichen auf halbjährliche Gehaltsrunden oder lassen unterjährige Erhöhungen zu. An die Stelle von One-Size-Fits-All treten stärker segmentierte Lösungen, insbesondere für das Performance Management und Anreizsysteme.

Nebenleistungen: Flexibler und passend zum Employer Brand

Insbesondere jüngere Mitarbeitende wünschen sich mehr Wahlfreiheit bei ihren Nebenleistungen – jedoch bietet dies nach eigener Einschätzung weniger als die Hälfte der Unternehmen an. Es gibt also viel zu tun. Im Gegensatz zu den Cafeteria-Lösungen der Vergangenheit helfen heutige technologische Lösungen, Komplexität und administrativen Aufwand überschaubar zu halten. Online-Tools (zum Beispiel Benefits Access) unterstützen den Entscheidungsprozess der Mitarbeitenden und helfen in einem modernen „Look and Feel” dabei Lösungen zu vergleichen und individuelle Empfehlungen zu generieren. In der Folge schätzen Mitarbeitende ihre Nebenleistungen mehr und arbeiten insgesamt engagierter, wie Studien belegen.

Viele Arbeitgeber prüfen derzeit ihr Nebenleistungsportfolio, um ihren Mitarbeitenden mehr Flexibilität und Wahlmöglichkeit zu ermöglichen und sich gleichzeitig als Arbeitgeber zu differenzieren. Sie schauen insbesondere auf Benefits, die mit dem Unternehmenszweck in besonderem Zusammenhang stehen und die Arbeitgebermarke schlüssig transportieren.

Karriere neu definieren

Individuelle Entfaltung und flexible Karrieren auf Basis der eigenen Fähigkeiten und Präferenzen erfordern statt vordefinierter Karrierepfade vielfältige Entwicklungsmöglichkeiten. Viele Mitarbeitende wünschen sich mehr Flexibilität in ihrer persönlichen Entwicklung passend zu ihren privaten Plänen. Gleichzeitig werden Organisationseinheiten flacher. Hierarchieebenen und damit Aufstiegsmöglichkeiten werden reduziert, während die Notwendigkeit, Personal flexibel und über funktionale Grenzen hinweg breit einsetzen zu können wächst. Unternehmen benötigen Transparenz darüber, welche Skills im Unternehmen benötigt und welche vorhanden sind. Insgesamt richten Organisationen ihren Fokus verstärkt auf laterale Karrieren, die Entwicklung vielfältiger Skills sowie das Ermöglichen wichtiger Lernerfahrungen in Projekten oder Sonderaufgaben – innerhalb des eigenen Unternehmens und darüber hinaus. Das Verständnis, was „Karriere“ im Unternehmen bedeutet, muss neu erarbeitet werden.

Schließlich werden die Erwerbsbiografien wieder länger und schließen damit mehr Lebensphasen mit unterschiedlichen Karrierewünschen und -bedürfnissen ein. So wünschen sich 69 Prozent der Arbeitnehmenden, auch im Rentenalter arbeiten zu können, zum Beispiel in einer Fach- statt einer Führungsrolle oder in kürzeren Arbeitswochen oder einer anderweitig reduzierten Jahresarbeitszeit. Wichtig ist, dass solche Wechsel kulturell nicht als Degradierung gewertet, sondern als integrierter Bestandteil der Karrierelandschaft kommuniziert werden.

Wellbeing fördern, Produktivität verbessern

Zeitlich und räumlich flexible Arbeitsformen unterstützen das emotionale und soziale Wellbeing und damit auch die Mitarbeiterbindung – für unterschiedlichste Mitarbeitergruppen: zum Beispiel junge Eltern, Mitarbeitende, die Angehörige pflegen oder sich ehrenamtlich engagieren. Flexible Arbeitsmodelle unterstützen so die Erwerbstätigkeit unterschiedlicher Arbeitnehmergruppen und fördern Inklusion und Diversität. Aufgrund des positiven Zusammenhangs zwischen Wellbeing und Produktivität experimentieren einige Unternehmen mit kürzeren Arbeitswochen für alle Mitarbeitenden bei gleichbleibender oder steigender Produktivität ohne Abstriche bei der Vergütung.

Drei Handlungsempfehlungen

Unternehmen, die nun sukzessive mehr Flexibilität und Wahlmöglichkeiten in ihre Gesamtvergütung integrieren wollen, sollten dabei drei Punkte im Blick behalten:

  1. Setzen Sie nicht auf Annahmen, sondern auf Daten und Fakten (zum Beispiel aus Mitarbeiterbefragungen), um die Präferenzen Ihrer vielfältigen Mitarbeiterschaft zu verstehen und faktenbasierte Gestaltungsentscheidungen zu treffen.
  2. Nutzen Sie Technologie, um den Aufwand für flexible Vergütungssysteme zu begrenzen und Mitarbeitende flexibel, personalisiert und relevant anzusprechen.
  3. Fördern Sie eine Kultur der Flexibilität, die auf die Anforderungen des Unternehmens ebenso eingeht wie auf die Präferenzen einer diversen Mitarbeiterschaft.

Total-Rewards-Programme mit Blick auf Flexibilität und Wahlmöglichkeiten ganzheitlich neu zu denken, unterstützt sowohl die Ambitionen der Mitarbeitenden als auch die der Unternehmen. Entsprechend wird die parallele Flexibilisierung von Arbeit und Vergütung eine der Hauptaufgaben für die nächsten Jahre sein.

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Anja Pempelfort ist Director im Bereich Talent & Rewards bei Willis Towers Watson in Deutschland.

Anja Pempelfort

Anja Pempelfort ist Director im Bereich Talent & Rewards bei WTW in Deutschland. Sie verfügt über rund 20 Jahre Erfahrung in der Entwicklung und Implementierung von Job-Architekturen, Job-Katalogen und der Stellenbewertung bei nationalen und internationalen Unternehmen.

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