Angesichts der demografischen Entwicklung wird ein betriebliches Gesundheitsmanagement für Unternehmen immer wichtiger. Der Bedarf an Gesundheitsförderung wird jedoch oft nicht gedeckt, und das hat Gründe.
Deutsche Unternehmen stehen mit ihren HR-Strategien vor drei großen Herausforderungen: der Überalterung der Belegschaft durch den demografischen Wandel, dem Anstieg der Krankheitskosten pro Arbeitnehmer und dem Wettbewerb um talentierte Arbeitskräfte.
Bis 2050 wird die Gruppe der 50- bis 64-Jährigen 40 Prozent der Erwerbsfähigen hierzulande ausmachen. Der Bevölkerungswandel hat Auswirkung auf die Häufigkeit bestimmter Krankheiten, die meist den Stoffwechsel, den Kreislauf, das Muskel-Skelett-System oder die Atemwege betreffen. Somit steigen nicht nur die Aufwendungen des Gesundheitssystems sondern auch die Kosten für den Arbeitgeber durch krankheitsbedingte Abwesenheit vom und krankheitstrotzende Anwesenheit am Arbeitsplatz.
Potenzial von Gesundheitsförderung
Gezieltes betriebliches Gesundheitsmanagement (BGM) hilft Unternehmen, die Arbeitsbedingungen ihrer Mitarbeiter zu verbessern und Ausfallzeiten um bis zu 40 Prozent zu reduzieren. Untersuchungen von Aldana zeigen sogar den monetären Return on Invest von BGM-Maßnahmen: Jeder in betriebliche Gesundheitsförderung und Prävention investierte Euro zahlt sich danach mit 2,3 bis 5,9 Euro aus. Firmen mit strategisch verankertem BGM werden zudem von Mitarbeitern und Bewerbern attraktiver eingeschätzt.
All diese Argumente sind durch Studien belegt und 80 Prozent der deutschen Firmen erkennen daraus auch die Notwendigkeit von BGM. Warum jedoch nur ungefähr ein Drittel von ihnen Maßnahmen ergreift, bleibt fraglich. Bei Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern ist der Nachholbedarf sogar noch größer.
Wo sind also die Hürden?
Das betriebliche Gesundheitsmanagement erfordert die Unterstützung der Unternehmensführung: Wenn diese das Wohlfühlen der eigenen Mitarbeiter als Priorität versteht, können entsprechende Programme umgesetzt werden, um die Gesundheit der Belegschaft zu schützen. Mitarbeiterorientierung und -führung heißen hier die Zauberwörter. In Befragungsdaten spiegeln sich Stärken und Schwächen der Mitarbeiterorientierung deutscher Unternehmen wider. Zoks Analyse der Befragung von Mitarbeitern verschiedener Wirtschaftsbranchen fördert folgende gesundheitsrelevanten Ergebnisse zu Tage:
Je besser Führungskompetenz und Vorgesetztenverhalten bewertet werden, desto höher ist die Arbeitszufriedenheit und umso geringer sind die gesundheitlichen Beschwerden. Arbeitnehmer verstehen unter Mitarbeiterorientierung und Führungskompetenz eine gerechte Entlohnung, die Schaffung eines Teamgeists, das Erleben der Zugehörigkeit zum Unternehmen und die Wertschätzung der eigenen Person. Findet BGM demnach keinen Eingang in die Firmenphilosophie und keine Verankerung bei den Führungskräften, sind alle hehren Ansätze zum Scheitern verurteilt.
Klar ist auch, die Einführung und die Durchführung von betrieblichem Gesundheitsmanagement kosten Zeit und Muße. Werden sich Entscheider dessen bewusst, geht ganz schnell das Tagesgeschäft vor. Denn Einbußen will und kann man sich im Zweifel nicht leisten.
Staat beteiligt sich
BGM ist eine Investition in die Zukunft – das Verhältnis von Kosten und Nutzen kann deshalb im konkreten Moment nicht genau abgeschätzt werden. BGM-Skeptiker sprechen von der begrenzten Kalkulierbarkeit der mit BGM verbundenen Kosten. Das Wissen über erfolgreiche Beispiele ist oftmals zu gering, sodass die finanzielle Vorleistung auf Ablehnung stößt. Argumente zur steuerlichen Unterstützung geprüfter Maßnahmen zur Förderung der Mitarbeitergesundheit durch den Bund – 500 Euro können Unternehmen pro Mitarbeiter und Jahr lohnsteuerfrei investieren – und zur Umsetzungshilfe von Krankenkassen, Berufsgenossenschaften oder anderen Institutionen, verhallen.
Kenntnisse und Triebfedern fehlen
Die Ermittlung des BGM-Bedarfs im Unternehmen stellt noch eine kleinere Hürde dar, die durch Mitarbeiterbefragungen schnell übersprungen wäre. Jedoch offenbart sich dabei nicht selten, dass die Motivation der Mitarbeiter zur Teilnahme sehr überschaubar ist. Das liegt auch an den großen Wissensdefiziten zu Angeboten, Anbietern und Umsetzung von Maßnahmen.
Schließlich fehlen in Firmen zu oft die nötige Kompetenz und die personellen Ressourcen, um gezielte Programme anzubieten und zu begleiten. Das gilt vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe. Hier mangelt es nicht nur an Gesundheitsverantwortlichen, die Mitarbeitern als Ansprechpartner in BGM-Fragen dienen, für ständige Optimierung und Controlling sorgen, sondern auch an Schulungen für Führungskräfte in punkto gesundheitsgerechtem Führungsstil. Wenn niemand den Motor ölt und mit persönlichem Engagement am Laufen hält, fehlt der Belegschaft der Antrieb, an Gesundheitsmaßnahmen teilzunehmen.
Einfluss der Betriebsgröße
Ist die betriebliche Gesundheitsförderung beschlossene Sache, sind bei der erfolgreichen Durchführung weitere Hürden zu nehmen. Der iga.Report 20 der Initiative Gesundheit und Arbeit untersuchte die BGM-Probleme bei Firmen mit implementiertem beziehungsweise geplantem BGM und schlüsselte die Ergebnisse nach Betriebsgröße auf. Kleine, mittlere und größere Unternehmen haben demnach mit ganz unterschiedlichen Problemen zu kämpfen.
Fazit: Anpacken
Es besteht noch viel Aufklärungsbedarf hinsichtlich der Umsetzungsmöglichkeiten von BGM-Maßnahmen. Kooperationen und Netzwerke können für Wissenstransfer sorgen, sind jedoch noch nicht in der Breite etabliert. Hier sind Krankenkassen, Berufsgenossenschaften und BGM-Anbieter genauso gefragt, wie politische Instanzen, um Informationen zu steuerlichen Einsparpotenzialen flächendeckend zu verbreiten. Der Markt an Konzepten zur betrieblichen Gesundheitsförderung vergrößert sich zusehends – zur Belegschaft passende Maßnahmen können immer genauer angesteuert und evaluiert werden.
Wenn der betriebswirtschaftliche Nutzen klar herausgestellt wird, steigt auch bei den Entscheidern die Motivation, Gegenpositionen werden aufgegeben und sie kommen zu der Einsicht: Eine Investition in die langfristige Leistungsfähigkeit der eigenen Mitarbeiter lohnt sich für jede Firma.