Einstellende Unternehmen sind nicht länger die treibende Kraft auf dem Arbeitsmarkt. Die Digitalisierung wird dem und anderen gewohnten Mustern ein Ende setzen. Zeit für HR, neue Wege zwischen Wertewandel und Tradition zu finden. Eine Analyse.
Digitalisierung, Flexibilität, Arbeitswelt 4.0 – die Schlagwörter unserer Zeit umgeben uns heute überall. Doch was steckt dahinter? Am Ende finden wir die Lösung nicht; wieder nicht. Bloggen wir noch, twittern, was denn nun? Vielleicht auch nur eine schöne Verpackung aufgepeppter, althergebrachter Vorgänge im neuen Kleid. Doch was ist anders, was ist neu?
Wöchentlicher Posteingang: Neue Hochglanzbroschüren – Anrufe davor oder danach. Alles sei neu, das bahnbrechende Tool dabei – zahlreiche Venture Capital Projekte stecken dahinter – ein neuartiger Algorithmus, der alles Herkömmliche in den Schatten stellt, so die Berater. Ist es neu, dass Unternehmen Stellengesuche schalten und Bewerber sich registrieren sollen? Nein! Neu ist, dass sich Bewerber bei der Eingabe einem Testverfahren unterziehen müssen, welches später das Matchingverfahren zwischen Anforderungen des Unternehmens und Qualifikation der Aspiranten einleitet. Was aber mit den vielen Artikeln aus vergangener Zeit, dem Schüren von Ängsten die Absprungquote auf Karriereseiten betreffend? Wie sieht eine angemessene Dichte von Daten aus, damit der potenzielle Kandidat nicht schon bei der Eingabe aufgibt und nach simpleren Lösungen sucht? Wie matched man persönlich-atmosphärische Eigenschaften? Am Ende: persönlich.
Es gilt, sich einer modernen Welt anzupassen. Zukunftsfähigkeit fordert einen zügigen Schritt. Doch wie weit muss man gehen, um den Überblick zu behalten? Wie viele Dubletten von Ideen verwalten wir? Sich anpassen, nicht aber die werteorientierten Hüllen fallen lassen. Unternehmen, so im Spiegel der Medien zu lesen, hinken hinterher, wirken verunsichert. Bislang wandten sich Bewerber an das inserierende Unternehmen, um ihre beruflichen Ziele zu erreichen – jetzt soll sich dies umkehren?
Im Zeitalter mobiler Daten ist es von Bedeutung, jegliche Kanäle und Möglichkeiten offen zu halten. Insbesondere verkürzte Bewerbungsverfahren, wie Kontaktdatenübersendung interessierter Bewerber via Smartphone sowie Initiativbewerbungen auf zukünftige Jobchancen, müssen in den Gesamtprozess eingearbeitet werden. Die Geschwindigkeit im Prozess erhöht sich zum Vorteil des Marktvorsprungs. Schnelles Onboarding, so ein neues Schlagwort, begünstigt von digitaler Revolution und modern kommunizierenden Bewerbern.
Aber weiterhin gilt: Unternehmen und Bewerber müssen sich gesehen und wertgeschätzt fühlen; die Reputation eines Unternehmens ist zu erhalten und zu fördern, Kommunikationsfehler zu vermeiden, Risiken zu transformieren. Arbeitgeberbewertungsforen treffen Unternehmen empfindlich. Wo nur die Unzufriedenen eine aktive Rolle spielen, mag der Glaube an die positiven Bewertungen schnell fehlen.
Neue Marktteilnehmer brechen die Form auf. „Informal“, analog zur effektiven Inhouse-Kommunikation, scheint Synonym für das neue Zeitalter zu sein. Verkürzt aber smart, so die neue Leitkultur der Generation Y. Social Media Abteilungen versuchen, ihren Code zu entschlüsseln. Über die schnellen Marktveränderungen entscheiden aber schon lange nicht mehr die einstellenden Unternehmen; es sind die neuen Konstrukte, die ihre Vorhaben über crossmediale Kampagnen in der Zielgruppe durchsetzen. Akquirieren auf der Seite der Jobkonsumenten.
Meist verlassen sich Unternehmen nach wie vor auf klassische Bewerbungseingänge via Karriereseiten und Standardinsertionen; hoffen darüber auf die Idealbesetzung einer Vakanz – im Rahmen eines herkömmlichen Prozedere. Halt so wie es immer war.
Schauen wir auf den Markt: technisch scheint alles möglich. Job-Crawler, eine Art Google, die alles auslesen, was der relevante Branchenmarkt zu bieten hat. Ein Wischsystem, welches zielgruppenorientiert vermeintlich passende von unpassenden Insertionen unterscheidet. Bei Interesse nach rechts wischen, links ist raus. Die Wischofferte, Nachahmer einer bekannten Dating-Plattform. Für die einen Werteverfall, für Andere „lean and easy“-Darreichungsform in Vollendung. Seit jeher ein Menschheitstraum: Maschinen übernehmen die Arbeit und Menschen widmen sich dem wahren Leben. In Wahrheit vereinfacht, aber mit Nachwirkungen: die freiwerdende Ressource Zeit verlagert sich ins Negative auf die Arbeitgeberseite. Vieles muss in Parametern angepasst, durchforstet und analysiert werden. Schließlich die knappe Übersendung eines CVs via Dropbox. Die neue Generation von Bewerbern nutzt Smartphones und sonstige Mobile Devices. Aber wie behält die Abteilung Human Resources den Überblick zwischen knapper Personaldecke, fordernden Stakeholdern und Vorstandsvorgaben, die Unternehmenskultur zu fördern? Kulturwandel binnen kürzester Zeit? Die etablierte Industrie verweigert sich – die Firmen- und Eigentümerphilosophie ist eine andere. Menschen brauchen Zeit. Um zu prüfen, zu beobachten und zu hinterfragen. Stetig und angemessen soll der Wandel erfolgen, so geschrieben im Stabilitätsgesetz aus dem Jahr 1967. Der Mittelstand macht mit. Er muss mitmachen, um nicht den Anschluss an die für den Kandidaten sichere und gut dotierte Konzernstruktur zu verpassen.
Auch unternehmensinterne Abteilungen wie das Campus Management, das Hochschulmarketing und das High-Potential Recruiting stehen vor neuen Herausforderungen: Zusammenarbeit mit Lehrstuhlinhabern hat ausgedient; einschlägige Ausschreibungen haben sich längst in moderne, neuartige Tools und Insertionsmedien verlagert. Unzählbare Anbieter tummeln sich in diesem scheinbar unerschöpflichen Zielgruppenumfeld.
Jeder Anbieter geht seinen Weg, kämpft nur für seinen Erfolg, berücksichtigt nicht die Anknüpfungspunkte der Anderen. Ein bisschen wie Europa in diesen Zeiten.
Ein Ansatz könnte sein, jeden Anbieter auszuprobieren, unzähligen Verfahren zu folgen, stetig mit der IT-Abteilung über ein dafür erforderliches Zeitfenster zu verhandeln. All das bindet Ressourcen, Geld und Kraft. Neue Verfahren, Tools und Applikationen sind spannend, aber erfordern nicht nur technische Begeisterung, sondern erzeugen Druck; bloß kein Verfahren oder eine sich anbahnende Entwicklung zu übersehen.
Wir Unternehmen können nun alle Felder beleuchten, alle Möglichkeiten eruieren, mit genügend Zeit und Einsatz auch alles aufdecken. Das gesamte digitale Spektrum an Quellen erfassen und verdichten. Alles Erforderliche ist schon da. Nur wie kommen wir rund über einen Markt, den wir nur mitbetreuen können? Längst vorbei die Zeiten, in denen man einen Sonderbeauftragten für Innovationen im Unternehmen beschäftigte. Viele Unternehmen gehen diesem umfangreichen Prozedere aus dem Weg. Als Folge drohen nachhaltige Reputations- und Chancenverluste.
Die Lösung? Könnte eine konservative Lehre sein: die von der Besinnung aufs Kerngeschäft. Interner Dienstleister für die Business-Units sein, das Fortkommen und die Entwicklung eines positiven Geschäftsverlaufs begünstigen. Die Passenden unter den Richtigen in Einsatz bringen.
Im Umkehrschluss meint dies: Trends aufgreifen, analysieren und in die Wertschöpfung integrieren. Dies sollte Aufgabenstellung eines spezialisierten Anbieters sein. Am Ende lautet die Lösung auch althergebracht: Auslagerung des Gewinnungsprozesses an einen innovativen Recruiting Provider, der über ein derartig verdichtendes prozessoptimiertes Tool verfügt und die guten Komponenten miteinander verbindet. Brückenkompetenz zwischen Tradition und Moderne. Digitale Werkzeuge nutzen, aber dabei keinesfalls den Wertekorridor der persönlichen Betreuung und Ansprache verlassen.