Es ist keine ganz einfache Aufgabe, New Work nach wissenschaftlichen Kriterien zu fassen. Klar ist: es ist für jeden etwas anderes: für den einen „Work-Life Integration“, für den nächsten die „Flexibilisierung von Arbeit“, andere fokussieren auf „Agilität“, oder „sinnstiftendes Tun“ – und in Zeiten der Corona-Pandemie fällt schnell der Begriff Homeoffice. Doch aus Sicht des Wissenschaftlers sind all das zwar richtige Facetten von New Work, die aber nicht ausreichen, um das Phänomen New Work umfassend zu beschreiben.
Als Antwort auf die Veränderungen der Arbeitswelt bezieht sich New Work auf viele Facetten der Arbeit. Es beeinflusst nicht nur, wann und wo wir in Zukunft arbeiten, sondern betrifft auch die Art und Weise der Zusammenarbeit und die veränderten Erwartungen der Mitarbeitenden in Bezug auf Beteiligung, Autonomie oder Sinnstiftung. Kurzum: New Work beschreibt eine umfassende Transformation – von Arbeitserbringung, Arbeitsweisen bis zur Arbeitsorganisation und Unternehmensführung.
Frithjof Bergmann hat mit seinen Gedanken über New Work viele inspiriert. Er versteht New Work als notwendige Antwort, die Menschen auf die Frage finden müssen, was sie in ihrem zukünftigen Arbeitsleben wirklich wollen. Doch frei nach Bergmann fragt sich nicht nur der Mensch, was er wirklich will, sondern auch jede Organisation. Und viele wollen eine andere Arbeitsrealität schaffen. Doch zwischen Wunsch und Wirklichkeit, diese im Unternehmen umzusetzen, liegen vielfach Welten. Denn was theoretisch plausibel klingt, ist im Alltag nicht immer leicht zu realisieren.
Die richtigen Stellschrauben identifizieren: Warum Messbarkeit sinnvoll ist
Gemeinsam mit der NEW WORK SE haben wir von der Handelshochschule Leipzig (HHL) das New-Work-Arbeitgebersiegel entwickelt. Es soll Orientierung geben und durch die Messung von New Work eine Hilfe beim dauerhaften Etablieren sein. Das Schwierige: Es existiert nicht „der eine“ New-Work-Ansatz, den Unternehmen für eine erfolgreiche Transformation von Arbeit implementieren können. Ein Beitrag der Bertelsmann-Stiftung vermerkt in diesem Zusammenhang, dass nicht alles für jeden Menschen, jedes Team, jedes Unternehmen gleichermaßen passe und auch nicht immer alles gleich anders gemacht werden müsse. Wichtig ist aber, die richtigen Stellschrauben finden, um in den unterschiedlichen Unternehmen Arbeitsrealitäten zu verändern, verborgene Potenziale zu wecken und neue Ressourcen zu aktivieren. Dafür ist es wichtig, die Dimensionen von New Work zu kennen. Aus einer wissenschaftlichen Perspektive heißt das, folgende Fragen zu klären: Wie kann ich weiche Indikatoren von New Work konkret messen? Gibt es nachvollziehbare Kriterien? Und wie kann ich Veränderungen und Erfolge dauerhaft sichtbar machen?
Erkenntnisse aus existierenden Studien führen zum New Work Score
Im Rahmen einer Literaturanalyse haben wir mehr als 30 Studien zu New Work aber auch Blogs, Forenbeiträge und praxisorientierte Veröffentlichungen ausgewertet. Hierbei wurden die Dimensionen von New Work konsolidiert und in einen konzeptionellen Rahmen überführt, mit dem Ziel New Work möglichst umfassend zu beschreiben. Die wesentlichen Dimensionen von New Work sind auf den ersten Blick für viele offensichtlich: „Wertschätzung gegenüber Mitarbeitenden“, „Führungskultur“, oder „Individuelle Entfaltung“ sowie ableitbare Kriterien – etwa Aussagen zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie, zur technischen Infrastruktur in Unternehmen oder zur Diversität unter den Mitarbeitenden.
Anschließend wurden für die drei Dimensionen spezifische Kriterien identifiziert, an denen New Work beschrieben werden kann. Auch hier erfolgte eine Orientierung an vorhandenen Arbeiten, deren Erkenntnisse wir zusammengeführt haben. So wurde beispielsweise analysiert, wie in existierenden Studien „Führung“ in Unternehmen operationalisiert ist. Als Resultat dieser Analyse wurden für jede Dimension je drei Kriterien identifiziert, die schließlich als Grundlage von Items – also konkreten Indizien für New Work – dienten.
Dabei sind zwei Perspektiven berücksichtigt: das Feedback von Arbeitnehmenden und die Angaben der Arbeitgebenden. Beide Perspektiven stützen sich auf unterschiedliche Datenquellen. Während die Arbeitgeberbewertungen zu New Work aus den Kununu-Profilen sowie dem Kununu-Kulturkompass der jeweiligen Unternehmen entnommen werden, basieren die Arbeitgeberdaten auf einer von den Unternehmen zur Verfügung gestellten Selbstauskunft, hinter der ein Fragebogen aus 60 Fragen steht. Die Summe aller Antworten und Bewertungen bildet schließlich die Grundlage für die Vergabe von New Work Scores in den einzelnen Kriterien und Dimensionen.
New Work Score bietet Unternehmen Orientierung
Wichtig war es, die weichen Faktoren von New Work nachvollziehbar zu operationalisieren. Dabei ermöglicht das Messbarmachen von New Work eine interne und externe Positionsbestimmung. Die Dimensionen des Arbeitgebersiegels erlauben eine detaillierte Analyse der Stellschrauben und bieten Unternehmen auch die Möglichkeit, ihre Erfolge bei der Umsetzung von New Work darzustellen.
Uns dient der New Work Score als Entscheidungsgrundlage für die Vergabe des neuen Arbeitgebersiegels. Er basiert auf den Bewertungen der Arbeitnehmenden und den ausgewerteten Selbstauskünften der Arbeitgebenden, die gleichgewichtet in die Auswertung einfließen.
Mitarbeiter-Feedback und Selbstauskunft im Methoden-Check
Grundsätzlich ergibt sich auf Kununu vielfach ein aktuelles Bild von der Realität in Unternehmen. Zu Verzerrungen kann es aber bei jeder Form der Befragung kommen – unabhängig ob es sich um eine interne Umfrage oder eine für alle im Internet einsehbare Befragung handelt. Der wesentliche Vorteil der Plattform liegt allerdings in der großen Zahl an Bewertungen, die sich über einen langen Zeitraum erstrecken. Damit stehen mehrere Datenpunkte zur Verfügung – und nicht nur eine einmalige Sicht auf den Stand der Dinge, wie es häufig bei internen Befragungen der Fall ist. Und ferner muss es eine ausreichende Datenbasis geben, um verlässliche Schlüsse ziehen zu können: bei kleinen Unternehmen von bis zu 50 Mitarbeitern ist quasi eine Vollerhebung notwendig, bei größeren Unternehmen mit mehr als 10.000 Mitarbeitenden sind Stichprobengrößen von mindestens 400 Bewertungen erforderlich.
Die Arbeitgeberperspektive wird durch eine Selbstauskunft erfasst, bei der Geschäftsführende oder HR-Verantwortliche 60 Fragen beantworten und Zahlen, Fakten und Hinweise zur Implementierung von New Work in ihren Unternehmen zur Verfügung stellen. Dabei werden Fragen gestellt wie „Welche Plattformen zur digitalen Zusammenarbeit werden im Unternehmen genutzt?“ oder „Welche Aspekte spielen bei der Zusammensetzung von Teams eine Rolle?“. Die Fragen beziehen sich auf verschiedene Bereiche, zum Beispiel der Arbeitsumgebung in Unternehmen, den Möglichkeiten zur Work-Life-Integration oder zur Führungskultur. Anschließend müssen die Unternehmen ihre Antworten durch weiterführende Angaben belegen.
Abschluss-Report zeigt Stärken und Nachholbedarf
Für die Vergabe des Arbeitgebersiegels müssen Unternehmen in allen Bereichen einen gewissen Mindestscore aus Sicht der Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden erreichen. Jedes Unternehmen, das die Analyse abschließt, bekommt einen ausführlichen Report, aus dem es möglichst viele eigene Erkenntnisse ziehen kann. Der Report zeigt etwa, wo Arbeitgebende in den Bereichen individuelle Entfaltung, Transparenz, Wertschätzung sowie Führung und Organisation stehen, wo sie Stärken haben oder wo noch „Luft nach oben“ ist: und das aus Sicht von Arbeitnehmenden und -gebenden. So bekommen Unternehmen einen tiefen Einblick in ihren derzeitigen New Work Status und können eigene Entwicklungsperspektiven erkennen. All das kann helfen, die Arbeitsrealitäten in Unternehmen positiv zu verändern. Und so wollen wir einen Beitrag leisten, dass die Wünsche nach mehr Wertschätzung, Orientierung für die Mitarbeitenden und einem positiven Arbeitsklima vielerorts Realität werden.
Weitere Informationen unter: arbeitgebersiegel.new-work.se