Die alten Führungsmodelle werden in der sich rasant wandelnden Arbeitswelt mehr und mehr obsolet. Mitarbeiter suchen in ihrer Führungskraft eher einen Förderer denn einen Leader. Führungskräfte müssen also umdenken. Ein Appell.
Die Arbeitswelt ist heutzutage einem rasantem Wandel ausgesetzt: Unternehmen stehen vor der Herausforderung, auf globale Trends wie Digitalisierung, Globalisierung, verschärften Wettbewerb und massiven Informationsaustausch zu reagieren. Hinzu kommen die unterschiedlichen Forderungen und Erwartungen der verschiedenen Arbeitnehmer-Generationen, den Baby Boomern, Generation X, Generation Y und bald auch Generation Z.
Während die Baby Boomer so langsam in Rente gehen und Generation X mitten im Arbeitsleben steht, so ist der Großteil der Generation Y gerade erst im Berufsleben angekommen. Oftmals wird der moderne Arbeitsplatz, den diese Generation fordert, als eine lustige Arbeitsumgebung mit Pingpong-Tischen, Basketballplätzen, kostenlosem Essen und hochmodernen Arbeitsbereichen dargestellt. Gallups Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass die Mitarbeiter von heute jedoch viel grundlegendere Wünsche an ihren idealen Arbeitsplatz stellen: Sie sind an einer hervorragenden Führungskraft interessiert, die zum Beispiel Feedback gibt, ihre Mitarbeiter als Mensch sieht und es ihnen ermöglicht, Neues zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Im Engagement Index 2016 finden sich zudem unter den Top 10 der Erwartungen von Mitarbeitern an ihre Unternehmen Aspekte wie das Verlangen nach Freiheiten und Gestaltungsspielraum sowie herausfordernden und abwechslungsreichen Tätigkeiten. Davor rangiert vor allem eins: der Wunsch, auf der Arbeit das zu tun, was man richtig gut kann. Dennoch stimmen nur 35 Prozent aller Arbeitnehmer in Deutschland der Aussage vollständig zu, dass ihre Vorgesetzte beziehungsweise ihr Vorgesetzter den Schwerpunkt auf ihre Stärken und positiven Eigenschaften legt.
Führungskräfte sollen Weiterentwicklung unterstützen
Der Wunsch, sich weiterzuentwickeln, geht einher mit einem Verlangen nach individueller Leistungsförderung, kontinuierlichem Feedback und selbstbestimmtem Handeln. Führungskräfte stellt dies vor große Herausforderungen. Um diesen Wünschen der Mitarbeiter gerecht zu werden, ist es nicht ausreichend, allein das Performance-Management-System umzustellen. Vielmehr muss ein innerer, persönlicher Wandel stattfinden – es ist ausschlaggebend, dass der geforderte neue Führungsstil von der Führungskraft sowohl angenommen als auch gelebt wird. Als Teil dessen muss sich das Selbstbild, das Verständnis für die eigene Funktion als Führungskraft sowie die generelle Führungsmentalität verändern. Die heutige Führungskraft darf sich nicht mehr in der Rolle eines klassischen Chefs sehen, sondern muss vielmehr zum Coach werden: Sie agiert als Beifahrer, der die Mitarbeiter begleitet und dabei unterstützt, Ziele selbst festzulegen, Erfolge zu identifizieren und diese mithilfe der eigenen Stärken zu erreichen.
Um Mitarbeiter optimal in ihrem selbstbestimmten Handeln zu unterstützen und erfolgsgerichtet zu coachen, muss eine Führungskraft aufrichtig daran interessiert sein, die individuellen Stärken jedes einzelnen Mitarbeiters zu kennen und diese zielgerichtet zu fördern. Ohne die Begleitung durch eine Führungskraft, die Anreize geben und dazu inspirieren kann Stärken herauszufinden, entdecken viele Mitarbeiter ihre Stärken und Schwächen nur langsam im Laufe ihres Berufslebens, und zwar durch „Trial & Error“. Das frühe Wissen über die eigenen Stärken und Schwächen hilft Mitarbeitern dabei, ihr eigenes Potenzial zu erkennen, auszuschöpfen und den eigenen Weg zu finden, um Erfolge zu erzielen und Herausforderungen zu meistern.
Eigenes Potenzial erkennen und nutzen
Das gleiche gilt auch für Führungskräfte – Selbstkenntnis und ein Verständnis für die eigenen Talente sind ein fester Bestandteil der neuen Führungsmentalität und unumgänglich, wenn eine Führungskraft authentisch auftreten und führen möchte. Zudem erwarten Mitarbeiter von ihrem Coach nicht mehr ein Experte auf allen Gebieten zu sein. Das Eingestehen der eigenen Fehlbarkeit wird von den Mitarbeitern nicht nur akzeptiert, sondern regelrecht gefordert.
Der Appell, einen Wandel der Führungsmentalität herbeizuführen und diesen zu festigen, geht an die Unternehmen selbst. Es muss ihnen bewusst werden, dass es für einen beständigen Kulturwandel mehr benötigt als die Theorie über Stärken zu verinnerlichen. Unternehmen müssen sich drauf einlassen, langfristig in die praktische Anwendung von stärkenbasierter Führung zu investieren – denn Führungskräfte müssen erst erlenen, wie sie ihr Wissen über Stärken in Entwicklungsgespräche, Teambildungsprozesse und Problemlösungen einbauen können. Nur wenn ein Unternehmen seine Führungskräfte dazu befähigt, die eigenen Stärken zu erkennen, können diese die neuen Herausforderungen am Arbeitsplatz meistern und ihr eigenes Potenzial sowie das ihrer Mitarbeiter voll ausschöpfen.
Autorin Orsolya Seebode referiert zu diesem Thema auch im E-Learning-Zertifikatskurs: „Leadership Expert“ der Quadriga Hochschule.