Gerade wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, von Job und Freizeit geht, ist der Ruf nach flexiblen Arbeitszeiten und Teilzeit zu hören. Doch ist das, was für viele Mitarbeiter der unteren Hierarchiestufen schon längst Alltag ist, auch für höhere Führungspositionen realistisch?
Nein, meint der Unternehmensberater Roland Jäger, denn umfangreiche Abstimmungsprozesse im Managementkreis seien unabdingbar und eben nicht immer von 8 bis 13 Uhr organisierbar.
Ja, meint Jürg Wiler von der Initiative „Teilzeitmann – Ganze Männer machen Teilzeitkarriere“, denn die Vorstellung, dass eine Führungskraft immer für ihr Unternehmen zur Verfügung steht, sei ein Auslaufmodell.
Teilzeitarbeit in der Chefetage funktioniert, davon ist Jürg Wiler überzeugt:
Der Mann muss felsenfest von seinem Vorgehen überzeugt sein. Vizekanzler Sigmar Gabriel, Chef der SPD, verkündete vor einiger Zeit öffentlich, dass er einmal die Woche mit seiner Tochter einen freien Nachmittag verbringe. Seine Frau sei berufstätig, und „mittwochs bin ich mit dem Abholen aus der Kita dran“, sagte Gabriel in einem Interview. Ein „Teilzeitminister“ sei er, wurde prompt geschimpft. Wer ihm solches vorwerfe, so die Reaktion des Energieministers, habe „einen Knall“. Er arbeite 70 Stunden die Woche. Und sowieso: Die Welt funktioniere auch, wenn man nicht 24 Stunden an ihr arbeite.
Das ist genau der Punkt. Denn es hält sich die Mär, dass Leistungsfähigkeit mit Rund-um-die-Uhr-Präsenz verbunden ist. Aber die Vorstellung, dass eine Führungskraft immer für ihr Unternehmen zur Verfügung steht, ist ein Auslaufmodell. Viele Chefs arbeiten ja bereits Teilzeit. Denn sie sind oft bei ihrer eigentlichen Aufgabe abwesend, weil sie in Verwaltungs- und Stiftungsräten sitzen oder Lehraufträge haben.
Dagegen ist nichts einzuwenden. Aber weshalb soll es dann ein Problem sein, wenn Menschen Zeit mit ihrer Familie verbringen, Zeit für die Erholung oder für die Pflege von Angehörigen verwenden oder um anderen Interessen nachzugehen? Das ist Lebensqualität. Und ein Stück Freiheit, die den Stress wegnimmt. Gerade Führungskräfte laufen Gefahr, ihren Motor immer auf Hochtouren laufen zu lassen und sich damit zu überfordern. Wenn sie ihn etwas runterfahren, sind sie länger leistungsfähig. Das ist entscheidend in unserer beschleunigten und immer dichter werdenden Welt.
Grundsätzlich profitieren alle Beteiligten von Teilzeit. Die Beschäftigten, weil sie eine gute Lebensbalance haben, die Unternehmen, weil solche Beschäftigte motivierter, effizienter und kreativer arbeiten, und auch die Wirtschaft insgesamt, weil es letztlich immer um Leistung geht. Nicht umsonst gehen Schweizer Studien von einer Rendite von acht Prozent für Unternehmen aus, welche Teilzeitmitarbeitende beschäftigen. Teilzeit ist also für Arbeitgeber betriebswirtschaftlich rentabel.
Natürlich ist im Alltag mehr Koordination nötig und oft entsteht auch ein administrativer Mehraufwand. Wer in Teilzeit führt, muss sich auf seinen Kernjob konzentrieren, denn Mehrfachaktivitäten bergen das Risiko, dass sich Kaderleute überfordern. Daher ist auf Engagements in Nebenämtern wie Vereinen, Vorständen und Politik zu verzichten und Projektarbeit auf dem Minimum zu halten. Es gilt, Reserven zu bewahren, um in Ausnahmesituationen die Extrameile gehen zu können.
Teilzeit trägt dazu bei, dass Chefs stärker Verantwortung delegieren, ohne sich aus der Verantwortung zu stehlen. Dazu muss die Stellvertretung die nötigen Kompetenzen haben und Verantwortung wahrnehmen. Zudem braucht es ein Vertrauensverhältnis. Philosophie und Wertehaltung müssen übereinstimmen. Wenn das Know-how auf mehrere Köpfe verteilt ist, entwickeln Teilzeitarbeitende bei strategischen Fragen bessere Lösungen, machen weniger Fehler und können mehr bewältigen – und das ist Gold wert, wenn mal einer ausfällt.
Wer sich dosiert darauf einlässt, wird die Erfahrung machen, dass Teilzeitarbeit funktioniert – auch in der Chefetage. Und wer diese Erfahrung mal gemacht hat, wird felsenfest vom Modell Teilzeit überzeugt sein.
Gerade wenn es um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, von Job und Freizeit geht, ist der Ruf nach flexiblen Arbeitszeiten und Teilzeit zu hören. Doch ist das, was für viele Mitarbeiter der unteren Hierarchiestufen schon längst Alltag ist, auch für höhere Führungspositionen realistisch?
Ja, meint Jürg Wiler von der Initiative „Teilzeitmann – Ganze Männer machen Teilzeitkarriere“, denn die Vorstellung, dass eine Führungskraft immer für ihr Unternehmen zur Verfügung steht, sei ein Auslaufmodell.
Nein, meint der Unternehmensberater Roland Jäger, denn umfangreiche Abstimmungsprozesse im Managementkreis seien unabdingbar und eben nicht immer von 8 bis 13 Uhr organisierbar.
Ein bisschen Führung gehe nicht, sagt Roland Jäger:
Neue Männer braucht das Land! Von Ina Deter bereits 1982 besungen, ist der Durchbruch geschafft. Flexible Arbeitszeitmodelle, Väter in Elternzeit und ein größeres Bewusstsein für die bessere Verteilung der Rolle Erziehungsberechtigter – alles da. Die gesellschaftliche Akzeptanz wächst. Das ist gut. Für Unternehmen und Mitarbeiter ist das jedoch eine zusätzliche Belastung. Und für die Führungskräfte zu oft ein stressiges Unterfangen – Scheitern inklusive!
Um es vorweg zu nehmen. Ein Team von maximal vier Mitarbeitern in Teilzeit zu führen, ist möglich. Die Zeit, die für Führungsaktivitäten verwendet wird, beträgt circa fünf Stunden in der Woche. Das ist auch in Teilzeit leistbar. Daneben sind Fachaufgaben zu erledigen, diese gilt es sauber von den Führungsaufgaben zu trennen.
Eine Führungsaufgabe im gehobenen Management in Teilzeit auszufüllen, ist jedoch unmöglich. Dafür gibt es einige Gründe: Der Vorstand benötigt dringend einen Rat in einer komplexen Fragestellung. Die eigenen Mitarbeiter brauchen kurzfristig eine Entscheidung, Kunden möchten sich beim Teilzeitchef beschweren, doch dieser glänzt durch Abwesenheit. Umfangreiche Abstimmungsprozesse im Management sind unabdingbar und eben nicht immer von 8 bis13 Uhr organisierbar.
In Vergessenheit gerät die Kernaufgabe einer Führungskraft: Sie hat dafür zu sorgen, dass die Ziele erreicht werden. Dazu muss sie die Mitarbeiter beeinflussen. Das Mittel dazu ist Kommunikation. Doch Management per Handy, Einflussnahme per E-Mail und Anleiten mittels schriftlicher Anweisung reicht hier keineswegs aus, denn es wird der Aufgabe nicht gerecht. Außerdem gilt: Mitarbeiter haben ein Recht auf den ganzen Chef.
Auch eine Doppelspitze funktioniert nicht: Die Führungs- und Entscheidungsstile sind unterschiedlich, der Abstimmaufwand ist hoch, ebenso wie das Konfliktpotenzial – das ist viel unproduktive Zeit. Und in Abwesenheit werden dennoch Mails gecheckt und Telefonkonferenzen begleitet. Wann ist da wirklich Feierabend? Von den zusätzlichen Personalkosten einmal ganz abgesehen. Und warum bitte schön müssen sich alle Mitarbeiter nach den Terminkalendern der beiden Teilzeitchefs richten, nur weil die es sich bequem machen?
Aber auch die Teilzeitführungskraft bleibt auf der Strecke: Zeit für sich? Fehlanzeige! Zeit für Freunde? Fehlanzeige! Muße? Was ist das! Stattdessen: Essen kochen, Kinder versorgen, Hausaufgaben kontrollieren, Haushalt, Behördengänge. Und zwischendurch immer wieder kurz an den Rechner, um sich zu vergewissern, dass nichts anbrennt. Das ist Stress und nicht Work-Life-Balance.
Das Totschlagsargument lautet: Das lässt sich alles organisieren. Ja, zum Teil sicherlich, aber dazu müssen alle sehr gut funktionieren. Ob das tatsächlich ein glückverheißendes Lebensmodell ist, bezweifle ich sehr, denn Menschen brauchen Muße und freie, unverplante Zeit. Diesen Stress auf Jahre hinweg durchzuhalten, ist gesundheits- und beziehungsgefährdend. Und was passiert, wenn das Kind krank wird, die Schule früher aus ist, die Tagesmutter Urlaub hat? Dann nutzt die beste Planung nichts, denn für das Unvorhergesehene ist kein Raum.
Etwas richtig und professionell zu machen bedeutet, sich darauf zu konzentrieren. Chefs müssen sich, wollen sie einen anspruchvollen Führungsjob adäquat wahrnehmen, diesem ganz und gar verschreiben. Ein bisschen Führung geht nicht.