Inklusion: Was Unternehmen beachten müssen

Arbeitsrecht

Der Gesetzgeber hat in den letzten Jahren die Rechte von schwerbehinderten Arbeitnehmern kontinuierlich gestärkt. Auch wenn diese Entwicklung Unternehmen mitunter rechtlich vor zusätzliche Herausforderungen stellt, ist sie sozial- und gesellschaftspolitisch zu begrüßen. Eine neue Stufe erreicht die Entwicklung mit der Digitalisierung.

Schwerbehinderte Menschen im rechtlichen Sinne sind Personen, die einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 Prozent aufweisen. Diese Personengruppe ist von Rechts wegen besonders geschützt. Weithin bekannt ist insoweit, dass schwerbehinderte Mitarbeiter einen gesetzlichen Anspruch auf zusätzlichen Erholungsurlaub haben und sie sind besonders gegen Kündigungen geschützt. Den Kündigungsschutz hat der Gesetzgeber vor nicht allzu langer Zeit zusätzlich gestärkt, indem er die Beteiligungsrechte der Schwerbehindertenvertretung (sofern eine solche besteht) deutlich ausgeweitet hat. Unternehmen müssen diese nun deutlich ernster nehmen, um nicht zu riskieren, dass beispielsweise eine Kündigung nicht mangels hinreichender Beteiligung per Gesetz unwirksam ist. Da die Neuregelung gesetzgeberisch nicht sonderlich geglückt ist, bestehen allerdings gewisse Unsicherheiten in der Praxis, wie die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung gesetzeskonform sichergestellt werden kann.

Weniger bekannt ist, dass schwerbehinderte Arbeitnehmer mitunter auch die Heranziehung zu Mehrarbeit berechtigt ablehnen dürfen. Dies kann für Unternehmen in vielen Bereichen besonders belastend sein, weil sie Kollegen zusätzlich heranziehen müssen. Ein typisches Problem gerade für Unternehmen mit sehr vielen Arbeitnehmern liegt auch darin, dass sie immer wieder mit dem Begehr schwerbehinderter Arbeitnehmer konfrontiert werden, den betrieblichen Arbeitsplatz der Einschränkung gerecht auszugestalten oder erforderliche technische Arbeitshilfen anzuschaffen. Unter technischen Arbeitshilfen sind dabei allein Vorrichtungen zu verstehen, die die Arbeit auf einem bestimmten Arbeitsplatz ermöglichen sollen, den der schwerbehinderte Arbeitnehmer ansonsten nicht übernehmen könnte. Vorrichtungen, die den Körperschaden selbst beheben sollen, wie zum Beispiel Prothesen, gelten nicht als technische Arbeitshilfen im Sinne der gesetzlichen Vorschriften.

Arbeitgeber müssen daher eine besondere Büroausstattung, wie einen speziellen Stuhl oder Arbeitstisch, zur Verfügung stellen und können sich schon ab einer überschaubaren Mitarbeiterzahl nicht mehr darauf berufen, die Anschaffung dieser Gegenstände würde sie wirtschaftlich überfordern. Gleiches gilt für den Anspruch eines schwerbehinderten Arbeitnehmers auf einen günstig gelegenen Parkplatz auf dem Betriebsgelände. So sind schwerbehinderte Arbeitnehmer bei der Parkplatzvergabe besonders zu berücksichtigen und es sind ihnen Parkplätze zuzuweisen, die ihnen den geringsten Aufwand zum Erreichen des Arbeitsplatzes abfordern.

Anforderungen in Zeiten der Digitalisierung

Die Konsequenzen der zunehmenden Digitalisierung in diesem Bereich sind für viele Unternehmen Neuland. Klar ist, dass die Digitalisierung der Arbeitswelt sich auch auf die Rechte und Ansprüche von schwerbehinderten Menschen auswirken wird. Dies betrifft vor allem die technische Ausstattung des Arbeitsplatzes. Je weiter die Technik voranschreitet – und damit auch weitere Arbeitshilfen bietet –, desto häufiger werden Unternehmen zu prüfen haben, ob sie verpflichtet sind, für ihre Mitarbeiter entsprechende technische Hilfsmittel anzuschaffen.

Konkret kann das bedeuten, dass Arbeitnehmern, denen es schwerfällt, auf einer Tastatur zu schreiben, eine entsprechende Sprachverarbeitungssoftware zur Verfügung gestellt wird. Die Arbeitnehmer müssen dann nicht mehr ihre Eingaben über die Tastatur vornehmen, sondern sprechen schlicht ihre Gedanken aus, was von der Software automatisch als Text verarbeitet wird. Vergleichbare Software ist in vielen Wirtschaftsbereichen bereits verbreitet und damit auch nicht mehr kostenintensiv. Solche technischen Arbeitshilfen sind effektiv und nicht selten geeignet, die Leistungsfähigkeit des schwerbehinderten Arbeitnehmers zu stärken. Wo dies der Fall ist, werden unternehmerische Interessen in der Regel zurückzustehen haben.

Homeoffice für alle?

Immer relevanter wird auch die Frage, ob Arbeitgeber schwerbehinderten Arbeitnehmern einen Homeoffice-Arbeitsplatz einrichten müssen, weil die Arbeitnehmer argumentieren, (nur) dieser sei ein leidensgerechter Arbeitsplatz. Nicht schwerbehinderte Arbeitnehmer haben keinen Rechtsanspruch auf Homeoffice, doch wird es generell immer schwieriger für Unternehmen, die Einrichtung eines solchen Arbeitsplatzes aufgrund der Üblichkeit im heutigen Wirtschaftsverkehr abzulehnen. Gegenüber schwerbehinderten Arbeitnehmern haben verschiedene Gerichte eine entsprechende Verpflichtung des Arbeitgebers demnach auch bereits angenommen. Dies gilt vor allem dann, wenn im Unternehmen zum Teil im Homeoffice gearbeitet wird, und umso mehr, wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer bereits über einen Homeoffice-Arbeitsplatz verfügt, an dem er bisher schon Teile seiner Arbeit verrichtet. Gerade in letzterem Fall können Unternehmen dann nicht mehr einwenden, unzumutbaren oder unverhältnismäßigen Aufwendungen ausgesetzt zu sein; die Aufwendungen wurden schließlich bereits getätigt.

Geht es darum, einen Homeoffice-Arbeitsplatz neu einzurichten, können Unternehmen zunächst versuchen, öffentliche Fördermittel, etwa durch die Bundesagentur für Arbeit, zu erlangen. Erst wenn keine externe finanzielle Hilfe zu erlangen ist, können sich Unternehmen gegebenenfalls auf eine unzumutbare wirtschaftliche Belastung berufen. Die Praxis zeigt aber, dass entsprechende Fördergelder zeitnah zur Verfügung gestellt werden, sofern die Arbeitsleistung im Homeoffice eine valide Option zur Aufrechterhaltung oder Steigerung der Leistungsfähigkeit des schwerbehinderten Arbeitnehmers darstellt. Um nicht ins Hintertreffen zu geraten, sind Unternehmen daher gut beraten, frühzeitig entsprechende Prozesse aufzusetzen, um vor allem eine effektive Mitarbeitersteuerung und -kontrolle zu gewährleisten.

Perspektivisch sollten Unternehmen sich mit der Digitalisierung auch in diesem Bereich befassen und die Vorteile schwerbehinderten Arbeitnehmern zugänglich machen. Dies dient nicht nur dazu, gesetzlichen Vorgaben zu genügen, sondern kann auch dazu beitragen, sich positiv hervorzuheben und für Talente interessant zu machen. Das Employer Branding ist ein nicht zu gering zu bewertendes Gut – nicht nur schwerbehinderte Arbeitnehmer achten auf das Standing des eigenen oder künftigen Arbeitgebers. Der Generation Y und folgenden Generationen sind sogenannte „weiche“ Faktoren wichtig: So wie auf Fair-Trade-Produkte geachtet wird, wird auch auf die mediale Bewertung des eigenen Arbeitgebers geachtet. Eine fortschrittliche Aufstellung in Bezug auf schwerbehinderte Arbeitnehmer ist also auch unter diesem Gesichtspunkt wichtig.

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(c) SKW Schwarz Rechtsanwälte

Alexander Möller

Alexander Möller ist seit 2011 als Rechtsanwalt zugelassen und ist als Counsel im Bereich Arbeitsrecht bei SKW Schwarz in Frankfurt tätig. Er berät deutsche und internationale Unternehmen in allen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts.

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