Kein Selbstverleih von Geschäftsführern

Arbeitsrecht

Die Beschäftigung freier Mitarbeiter ist ein gängiges Instrument der Personalbeschaffung, birgt aber zugleich auch Risiken bei arbeitnehmernahen Tätigkeiten. Zu einer speziellen Konstruktion des Selbstverleihs eines Geschäftsführers hat das Landesarbeitsgericht (LAG) Schleswig-Holstein (Urt. vom 1.Dez. 2015 – 1 Sa 439 b/14) nun geurteilt, dass bereits seit Jahren ein Arbeitsverhältnis zum Entleihunternehmen gegeben war. Die bestehende Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis half insofern für einen Geschäftsführer nicht.

Der Sachverhalt
Der Kläger war langjährig als freier Kameraassistent und Kameramann für eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, tätig. Nach einer internen Vorgabe sollte die Beschäftigung freier Mitarbeiter an maximal 60 Tagen im Jahr erfolgen. Der damalige Produktionschef wies den Kläger darauf hin, dass eine umfangreichere Beschäftigung möglich sei, wenn dieser über ein Verleihunternehmen mit einer Erlaubnis nach § 1 des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes (AÜG) ausgeliehen werde.

Daraufhin gründete der Kläger eine eigene Firma, deren Geschäftsführer und einziger Gesellschafter er selbst war. Diese Firma besaß die Erlaubnis zur gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung und schloss in der Folgezeit Rahmenvereinbarungen über Einsätze, die der Kläger als Geschäftsführer unterzeichnete. Sie verpflichtete sich, dem Beklagten nur solche Arbeitnehmer zu überlassen, die mit ihr mindestens für die Dauer der Überlassung in einem Arbeitsverhältnis stehen.

Von September 2007 bis 2013 war der Kläger ausschließlich im Rahmen von Verträgen mit seiner Firma für den Beklagten tätig, regelmäßig an über 150, teils über 190 Kalendertagen im Jahr gegen Abrechnung eines Pauschalsatzes von 10 Stunden pro Einsatztag. Die Arbeit des Klägers bestand überwiegend in der Kameraführung für kurze Nachrichtenbeiträge von ein bis drei Minuten, die er nach kurzfristiger Anfrage übernahm und für die der Beklagte jeweils die Kameraausrüstung stellte. Der Kläger wurde dabei in gemischten Teams aus Arbeitnehmern und freien Mitarbeitern des Beklagten nach engmaschigen Regievorgaben tätig.

Nach Beendigung der Geschäftsbeziehung machte der Kläger geltend, dass seit September 2007 ein Arbeitsverhältnis bestehe und er als Kameramann in Vollzeit zu beschäftigen sei.

Die Entscheidung
Das LAG Schleswig-Holstein gab der Klage statt und bejahte ein Arbeitsverhältnis sowie den Beschäftigungsanspruch für die Zukunft. Es könne trotz der bestehenden Verleiherlaubnis nicht von der an sich vereinbarten Arbeitnehmerüberlassung ausgegangen und ein Arbeitsverhältnis lediglich zum Verleihunternehmen angenommen werden. Denn die Regelungen des AÜG fänden auf Geschäftsführer keine Anwendung.

Der Einordnung der Beschäftigung als Arbeitsverhältnis stand nicht entgegen, dass vertragliche Regelungen nur zwischen dem Beklagten und der Firma des Klägers bestanden. Eine Berufung des Beklagten hierauf ließ die Kammer nicht zu, da das Verhalten objektiv darauf gerichtet gewesen sei, Schutzvorschriften zu Gunsten des Klägers zu umgehen und auf Anregung eines verantwortlichen Mitarbeiters des Beklagten erfolgte. Dass der verliehene Kläger Geschäftsführer der Firma war, sei deutlich erkennbar gewesen.

Der Kläger sei aufgrund zumindest inhaltlicher und zeitlicher Weisungsgebundenheit und Eingliederung in die Arbeitsorganisation in Wirklichkeit als Arbeitnehmer tätig geworden. Seine Aufgaben seien auch nicht „programmgestaltend“ im Sinne eines speziellen freien Mitarbeiterstatus im Rundfunkbereich.

Obwohl der Kläger gegen die vertragliche Absprache verstoßen hat, wonach er dem Beklagten nur Arbeitnehmer seiner eigenen Firma verleihen durfte, kann er sich auf das begründete Arbeitsverhältnis berufen. Dies ordnet das Gericht nicht als rechtsmissbräuchlich ein, da das Vorgehen des Klägers nicht auf den Arbeitnehmerstatus, sondern auf eine höhere Anzahl von Einsätzen bei dem Beklagten gerichtet gewesen sei. Auch zielte es in keiner Weise heimlich oder auf Täuschung. Die Verurteilung zu einer Beschäftigung in Vollzeit sprach das Gericht aufgrund des bisherigen Umfangs der Tätigkeitsverpflichtungen aus.

Hinweise für die Praxis
Die Entscheidung betrifft eine Konstellation, die in der Praxis – in unterschiedlicher Ausgestaltung – seit einigen Jahren öfter anzutreffen ist. Ein-Mann-Gesellschaften bieten als Dienstleistung die Tätigkeit ihres Gesellschafter-Geschäftsführers an. Dies wirft Fragen einer möglichen Umgehung der Sozialversicherungspflicht wie auch der Begründung eines an sich vom Auftraggeber nicht gewollten Arbeitsverhältnisses auf.

Die Entscheidung des LAG Schleswig-Holstein zeigt, dass aus Auftraggebersicht Vorsicht geboten ist. Allein das Vorhandensein einer Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis hilft beim Verleih des Geschäftsführers nicht weiter. Vielmehr ist weiterhin maßgeblich darauf zu achten, dass der Einsatz als echter freier Mitarbeiter, das heißt unter Vermeidung von Weisungsgebundenheit und Eingliederung in die Arbeitsorganisation, erfolgt. Andernfalls droht ein Arbeitsverhältnis mit dem eingesetzten Geschäftsführer. Gerade langfristige und sehr umfangreiche Dauerkooperationen erhöhen dieses Risiko. Zwar werden die Gerichte im jeweiligen Einzelfall zu prüfen haben, ob die Berufung auf ein Arbeitsverhältnis rechtsmissbräuchlich sein könnte. Wie die Entscheidung zeigt, werden für eine solche Annahme zu Lasten des Mitarbeiters aber hohe Anforderungen gestellt.

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