In Zeiten der Digitalisierung liegt es nahe, dass Lohnabrechnungen nicht mehr in Papierform, sondern digital an die Mitarbeiter übermittelt werden. Dies geschieht häufig durch die jeweiligen Mitarbeiterpostfächer, die hierfür angelegt werden. Was passiert, wenn ein Mitarbeiter der Übermittlung der Lohnabrechnungen über das Mitarbeiterpostfach widerspricht? Diese Frage hat bereits zwei Gerichte beschäftigt und liegt nun zur Entscheidung beim Bundesarbeitsgericht.
Widerspruch gegen das digitale Mitarbeiterpostfach
Die Klägerin ist als Verkäuferin bei einem Lebensmitteleinzelhändler tätig. Ihre letzte Gehaltsabrechnung in Papierform erhielt sie für Februar 2022. Die folgenden Abrechnungen erteilte der beklagte Arbeitgeber digital. Zudem speicherte er die Abrechnungen in einem Mitarbeiterpostfach ab, das er für die Klägerin und für alle anderen Mitarbeiter in einer Cloud eingerichtet hatte. Grundlage für dieses Vorgehen war eine Konzernbetriebsvereinbarung (KBV) vom April 2021 über die Einführung und Anwendung eines digitalen Mitarbeiterpostfachs. Die Klägerin widersprach der Erteilung von Abrechnungen über das digitale Mitarbeiterpostfach und forderte den Beklagten zur Erteilung schriftlicher Abrechnungen auf.
Das Arbeitsgericht Braunschweig hat die Klage auf Erteilung von Abrechnungen in Papierform für die Zeit nach Februar 2022 abgewiesen.
Die Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen (LAG) hat am 16. Januar 2024 (9 Sa 575/23) der Klage stattgegeben. Die Klägerin habe der Erteilung der Abrechnungen über das digitale Postfach widersprochen. Hierüber habe sich der Beklagte nicht hinwegsetzen dürfen. Die Konzernbetriebsvereinbarung sei keine Rechtsgrundlage für das streitige Vorgehen gewesen. Grundsätzlich könne eine Lohnabrechnung auch in Textform nach Paragraf 126b BGB erteilt werden. Diese in Textform erteilte Lohnabrechnung wird dem Arbeitnehmer jedoch nur dann in einem digitalen Mitarbeiterpostfach übermittelt, wenn der Arbeitnehmer dem zugestimmt hat. Widerspricht der Mitarbeiter der Übermittlung der Lohnabrechnungen auf digitalem Weg, muss er mit dieser Art der Übermittlung auch nicht rechnen. Die fehlende Einwilligung kann nicht durch eine Betriebsvereinbarung ersetzt werden.
Das LAG Niedersachsen hat die Revision zugelassen. Der Fall liegt mittlerweile zur Entscheidung beim Bundesarbeitsgericht (1 AZR 48/24).
Praxistipp
Als Arbeitgeber können Sie Lohnabrechnungen auch in Textform nach Paragraf 126 b BGB übermitteln und müssen diese nicht mehr in Papierform erteilen. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn Sie hierfür ein digitales Mitarbeiterpostfach verwenden. Stimmt der Mitarbeiter der Übermittlung der digitalen Lohnabrechnungen über das Mitarbeiterpostfach nicht zu, wird der Anspruch auf Erteilung der Lohnabrechnung nach Paragraf 108 GewO nicht erfüllt.
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