AGG-Hopping geht in die nächste Runde

Entschädigungszahlungen

Im Jahr 2006 Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft, im Volksmund auch Antidiskriminierungsgesetz genannt. Ziel des Gesetzes ist es, Menschen vor Benachteiligungen aufgrund des Alters, des Geschlechts, einer Behinderung, der Religion, der sexuellen Identität oder aus rassistischen Gründen zu schützen. Diese gut gemeinten Absichten werden jedoch teilweise missbraucht. So auch in dem nachfolgend skizzierten Fall, über den das Landesarbeitsgericht Hamm zu entscheiden hatte: Der 1994 geborene Kläger war ausgebildeter Industriekaufmann und hatte sich in der Vergangenheit bereits mehrfach auf Stellenausschreibungen für eine „Sekretärin“ bei verschiedenen Unternehmen beworben. Im Nachgang führte er dann jeweils Entschädigungsprozesse, da er aufgrund seines Geschlechts benachteiligt worden sei.

Klage auf Entschädigungszahlung

Am 3. Januar 2023 bewarb sich der Kläger schließlich bei der Beklagten, die auf der Website „Indeed“ eine Stelle als „Bürokauffrau/Sekretärin“ ausgeschrieben hatte. Der Kläger gab dabei lediglich an, dass er eine siebenjährige Erfahrung als Sekretär und in Microsoft-Office habe. Details zu seiner Tätigkeit sowie Nachweise über eine Ausbildung und die jeweiligen Unternehmen übersendete der Kläger der Beklagten nicht. Auf seine Bewerbung erhielt der Kläger keine Rückmeldung. Die Stellenausschreibung wurde im weiteren Verlauf auf der Plattform gelöscht und die Position mit einer Frau besetzt. Das monatliche Durchschnittsgehalt als Sekretär liegt bei circa  3.000 Euro brutto. Ohne zuvor außergerichtlich in Kontakt zu treten, reichte der Kläger beim Arbeitsgericht Dortmund Klage ein. Mit dieser Klage begehrte er eine Entschädigungszahlung, da er aufgrund seines Geschlechts benachteiligt worden sei. Die Beklagte war der Auffassung, dass die Geltendmachung einer Entschädigung rechtsmissbräuchlich sei, da die Bewerbung lediglich darauf abgezielt habe, eine Absage zu erhalten und anschließend einen Entschädigungsprozess zu führen. Das Arbeitsgericht Dortmund hat die Klage abgewiesen. Hiergegen hat der Kläger Berufung beim Landesarbeitsgericht Hamm eingelegt.

Systematisches und zielgerichtetes Vorgehen

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm bestätigte am 5. Dezember 2023 (6 Sa 896/23) die Entscheidung des erstinstanzlichen Gerichts und wies die Berufung zurück. Das Arbeitsgericht habe zutreffend festgestellt, dass das Entschädigungsverlangen des Klägers rechtsmissbräuchlich sei. Der Kläger habe allein in Berlin innerhalb von 15 Monaten mehr als zehn Verfahren geführt, die alle demselben Muster folgten: Der Kläger hat bereits im Anschreiben Rechtschreib- und Formfehler gemacht, sperrige Formulierungen verwendet und keine Anlagen beigefügt. Das LAG Hamm hat darin ein systematisches und zielgerichtetes Vorgehen des Klägers gesehen, das ausschließlich dazu diente, einen Entschädigungsanspruch zu erlangen. Damit seien die Voraussetzungen des Rechtsmissbrauchs nach Paragraf 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) erfüllt.

Beim AGG-Hopping wird beispielsweise versucht, gezielt Diskriminierungsfälle zu konstruieren oder zu provozieren, um dann wegen eines Verstoßes gegen das AGG zu klagen. Dabei wird häufig vermutet, dass es nicht in erster Linie darum geht, die tatsächliche Diskriminierung zu bekämpfen, sondern vielmehr darum, finanzielle Entschädigungen oder andere Vorteile zu erlangen.

In einem weiteren Verfahren vor dem Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein dagegen war der Kläger erfolgreich und bekam eine Entschädigung in Höhe von 7.800 Euro zugesprochen. Inwieweit das oben besprochene Urteil des LAG Hamm Bestand hat, wird sich zeigen, denn der Kläger hat bereits Revision zum Bundesarbeitsgericht eingelegt. Ob ein solches Vorgehen strafrechtliche Konsequenzen hat, bleibt ebenfalls abzuwarten. Das Landgericht München I hat derzeit einen ähnlich gelagerten Fall strafrechtlich zu beurteilen.

Arbeitgeber sollten das Risiko einer Diskriminierung und eine möglicherweise damit einhergehende Entschädigungsklage minimieren, indem sie Stellenanzeigen nicht geschlechtsspezifisch formulieren.

 

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Joachim Huber, Foto: Privat

Joachim Huber

Dr. Joachim Huber ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Kanzlei Dr. Huber Dr. Olsen in München.

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