Keine Mitbestimmung des Betriebsrats bei konzernweiter Mitarbeiterbefragung

Arbeitsrecht

Das Bundesarbeitsgericht hat Mitarbeiterumfragen unter bestimmten Voraussetzungen von der Mitbestimmungspflicht ausgenommen. Neben der Anonymität ist vor allem der Aspekt der Freiwilligkeit für die Praxis interessant.

Das Bundesarbeitsgericht hat in seiner Entscheidung vom 21. Juli 2017 (1 ABR 47/16) ausgeführt, dass eine anonyme und freiwillige Befragung aller Arbeitnehmer eines Konzerns mittels eines in Papierform versandten Standardfragebogens weder eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme des Gesundheitsschutzes noch ein zustimmungspflichtiger Personalfragebogen ist, so dass der einzelne Betriebsrat hierbei nicht zu beteiligen ist.

In dieser Entscheidung stritten die Parteien über ein Mitbestimmungsrecht des einzelnen Betriebsrats bei einer konzernweiten Mitarbeiterbefragung, welche im Auftrag der Konzernleitung durch einen externen Dienstleister aufgrund eines standardisierten Fragebogens in Papierform durchgeführt wurde. Alle Arbeitnehmer des Konzerns erhielten einen identischen Fragebogen, welcher in keiner Weise markiert war; die Beantwortung der Fragen war freiwillig. Nach dem Ausfüllen durch die Arbeitnehmer wurde dieser Fragebogen sodann direkt an den externen Dienstleister geschickt; der Arbeitgeber bekam ihn nicht zu sehen, er erhielt lediglich zusammengefasste Auswertungen, aus denen kein Schluss möglich war, inwiefern ein Arbeitnehmer geantwortet hatte. Der standardisierte Fragebogen war in mehrere Themenkomplexe gegliedert (unter anderem „Ihre Arbeitsumgebung“, „Ihre Arbeitsbedingung“ und „Interne Organisation und Zeitmanagement“) und enthielt vorgegebene, anzukreuzende Antwortalternativen. Der Betriebsrat beantragte gerichtlich, dass der Arbeitgeber die Befragung unterließ, bis mit ihm eine Einigung hinsichtlich der Mitarbeiterbefragung gefunden beziehungsweise diese Einigung durch eine Einigungsstelle ersetzt wurde.

Diese Anträge hatten sowohl vor dem Arbeitsgericht als auch vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg. Das Bundesarbeitsgericht jedoch entschied sodann zu Gunsten des beklagten Konzerns. Es sah in der Mitarbeiterbefragung weder die Mitbestimmung nach §87Abs.1Nr.7BetrVG (Maßnahmen des Gesundheitsschutzes) noch die nach §94Abs.1S.1BetrVG (Mitbestimmung bei Personalfragebögen) verletzt. Zwar habe ein Betriebsrat dem Grunde nach ein Mitbestimmungsrecht nach §87Abs.1Nr.7BetrVG bei der Vornahme einer sogenannten Gefährdungsbeurteilung durch den Arbeitgeber (§5ArbSchG), und zwar dann, wenn es darum geht, wie dieser die Gefährdungsbeurteilung organisiert und durchführt. Eine Gefährdungsbeurteilung diene dabei der Überprüfung, ob und gegebenenfalls welche Gefährdungen für die Arbeitnehmer mit ihrer Arbeit verbunden sind. Vorliegend ordnete das Bundesarbeitsgericht die Mitarbeiterbefragung aber nicht als Gefährdungsbeurteilung ein, da sie insbesondere vor allem wegen ihres (globalen) Konzernbezugs keine arbeitsplatz-, tätigkeits- beziehungsweise arbeitsbereichsbezogenen Schlüsse über Arbeitsbedingungen im einzelnen Betrieb zulasse.

Gegen eine Gefährdungsbeurteilung spreche auch, dass die Teilnahme an der Mitarbeiterbefragung freiwillig und anonym sei. Der einzelne Arbeitgeber könne hierdurch somit nicht ermitteln, welche Maßnahmen des Arbeitsschutzes erforderlich sind, was allerdings für eine das Mitbestimmungsrecht auslösende Gefährdungsbeurteilung notwendig sei. Weiter würde es sich bei dem verwendeten Standardfragebogen nicht um einen nach §94Abs.1S.1BetrVG mitbestimmungspflichtigen Personalfragebogen handeln. §94Abs.1BetrVG diene dem präventivem Schutz des Persönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers soweit dieses durch Fragen des Arbeitgebers nach persönlichen Verhältnissen, Eigenschaften und Fähigkeiten beeinträchtigt werden kann. Da der Fragebogen zum einen aber anonym ausgestaltet sei und zum anderen eine Beeinträchtigung bereits deshalb ausscheide, weil die Teilnahme an der Befragung freiwillig ausgestaltet war und es damit am Arbeitnehmer lag, ob und in welchem Umfang er die gestellten Fragen beantwortet oder nicht, sah das Bundesarbeitsgericht auch dieses Mitbestimmungsrecht als nicht verletzt an.

Für die Praxis ist bei Mitarbeiterbefragungen relevant, dass ein Mitbestimmungsrecht nach § 94 BetrVG (wie bisher) immer dann ausscheidet, wenn die Befragung anonymisiert ist und keine Rückschlüsse auf einzelne Arbeitnehmer möglich sind (st. Rspr. des BAG, siehe zum Beispiel BAG vom 18. April 2000 – 1 ABR 22/99). Begrüßenswert und neu an dieser Entscheidung ist, dass das Bundesarbeitsgericht nunmehr auch Mitarbeiterbefragungen, die strikt freiwillig erfolgen, vom Mitbestimmungsrecht ausnimmt, da bei einer freiwilligen Teilnahme das Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers, welches § 94 BetrVG schützen soll, nicht berührt wird. Beachtenswert ist auch, dass eine auf den gesamten Konzern bezogene Befragung, wegen ihrer Globalität keine auf den einzelnen Arbeitsplatz im einzelnen Betrieb bezogenen Ergebnisse liefern kann, womit auch ein Mitbestimmungsrecht nach §87Abs.1Nr.7BetrVG ausscheidet.

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Dr. Sarah Reinhardt-Kasperek, Foto: Privat

Sarah Reinhardt-Kasperek

Partnerin, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht
BEITEN BURKHARDT Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Dr. Sarah Reinhardt-Kasperek ist Partnerin, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Beiten Burkhardt Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in München.

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