Das betriebliche Lernen hat mit den Veränderungen in den Umwelten nicht Schritt halten können. Dabei müsste sich ein Paradigmenwechsel vollziehen: hin zu einem selbstgesteuerten Lernen und einer entsprechenden Organisationskultur. Damit ändert sich auch die Rolle der Personalentwickler dramatisch – oder sie werden keine Relevanz mehr haben.
Globalisierung, Digitalisierung, Wissensgesellschaft, Arbeitswelt 4.0 – verschiedene Trends mit einem verbindenden Element: Lebenslanges Lernen wird zum Erfolgsfaktor für Unternehmen und Menschen. Zudem werden Unternehmen aufgrund des demografischen Wandels und des zukünftigen Fachkräftemangels intensiver als bisher mit dem Potenzial der bestehenden Belegschaft arbeiten und die Mitarbeiter in der Arbeit für neue berufliche Aufgaben qualifizieren müssen.
PE ist noch im 20. Jahrhundert – weiter wie bisher geht nicht
Um in der VUCA-Welt bestehen zu können, haben Unternehmen längst zukunftsfähige betriebliche Arbeitsformen und -prozesse beispielsweise mit dem Fokus auf Agilität ausgerufen und implementiert. Die Personalentwicklung (PE) hat in der Gestaltung der Weiterbildungsprozesse bislang jedoch nicht nachgezogen. Häufig verweilt die PE noch bei standardisierten Angeboten bestehend aus Seminaren, Schulungen, Webinaren, klassischen eLearnings. Zudem wird Weiterbildung häufig noch über betriebliche (jährliche) Veranstaltungskataloge verwaltet und kategorisiert, als sei die Personalentwicklung noch im tayloristischen Management-Denken verhaftet. Damit ist die PE-Welt weit entfernt von agilen Strukturen und Flexibilität in den Prozessen.
Auf Basis dieser tradierten Vorgehensweisen wird stillschweigend gebilligt, dass die Entwicklung der beruflichen Handlungskompetenz entweder vom Arbeitsprozess entkoppelt oder einer unpassenden, ineffizienten und zeitlich losgelösten Vorgehensweise überlassen wird. Statt hier anzusetzen, wird häufig diskutiert, mit welchen Methoden potenzielle Transferlücken zwischen Lernen und Arbeiten zu schließen wären.
Anforderungen an eine flexible Kompetenzerweiterung und eine für eine agile Arbeitswelt notwendige Verschmelzung von Arbeit, Lernen und Wissensmanagement kann so nicht nachgekommen werden. Um den Wandel der Arbeitswelt mitzugestalten und die Produktivität in der Wissensarbeit weiter zu steigern, bedarf es vor allem eines neuen Lern- und Weiterbildungsverständnisses.
„Der Job der Zukunft“ ist ein Hybrid aus betrieblichen Lern- und Arbeitsprozessen. Dabei wird das Lernen an den Bedürfnissen von Unternehmen und Mitarbeiter ausgerichtet und den Lernern zunehmend in die eigene Verantwortung übergeben. Wir erleben einen Paradigmenwechsel von einer angebots- zu einer nachfrageorientierten PE. Der damit einhergehenden Forderung nach einem Weiterbildungskonzept, das Handlungsorientierung, Arbeitsplatz- und zeitliche Nähe, örtliche Unabhängigkeit, Individualisierung und Spezifizierung sicherstellt, kann damit entsprochen werden. Damit dieser Paradigmenwechsel im betrieblichen Lernen allerdings gelingen kann, bedarf es unter anderem einer Selbststeuerung der Lernprozesse von den Mitarbeitern („Employee-Led-Learning“) und einer angepassten Lern- und Unternehmenskultur („Lernende Organisation“) sowie die Neugestaltung der Rollen aller Beteiligten. In diesen Ansätzen sind die Schlüsselelemente für eine zukünftig wertschöpfende PE zu finden.
Wie PE in Zukunft weiter eine Berechtigung hat
Die Umgestaltung des betrieblichen Lernens formuliert grundlegend neue Erwartungen an Personalentwickler. Das angedeutete Lern- und Arbeitsverständnis ganzheitlich einzuführen und zu etablieren ist ein langer Weg. Diese Neuausrichtung wird allerdings notwendig sein, um als Personalentwicklung in der Zukunft ernst genommen zu werden. Bei der Verwirklichung zukunftsfähiger PE sind vier verschiedene Rollen für die Personalentwicklung notwendig (siehe auch obige Abbildung).
Strategie-Umsetzer: Sicherung des Unternehmenserfolgs
Die Personalentwicklung muss frühzeitig über strategische Unternehmensentscheidungen informiert sein und diese dann in Kompetenzanforderungen an die bestehende Belegschaft übersetzen, sie kommunizieren und in Mitarbeiterqualifizierungen transferieren. Insbesondere Selbstlernangebote bieten hier gute Möglichkeiten, neue Anforderungen zu kommunizieren und schnellstmöglich flächendeckend auszurollen. Die schnelle Umsetzung von Selbstlernangeboten wird also zum erfolgskritischen Faktor.
In der LEKAF-Studie (siehe Infokasten) geben allerdings 30,8 Prozent der über 10.000 befragten Mitarbeiter an, dass ihr Arbeitgeber (eher) keine guten Selbstlernangebote wie mobile Learning, Webinare, Literatur, Videos, Handbücher aber auch einfach einen Internetzugang mit guten Datenbankzugängen bietet. Obwohl vieles nicht kostenintensiv ist, scheint bei KMUs (50,6 Prozent) hier ein Nachholbedarf zu bestehen.
Förderer der Unternehmens- und Lernkultur
Um Lernen in den Arbeitskontext einbinden zu können und Weiterentwicklung die notwendige Aufmerksamkeit zu geben, müssen zum Beispiel Weiterbildung und Innovationsfähigkeit gelebte Werte im Unternehmen sein. Nur 29,1 Prozent der Befragten bestätigen dato, dass dies überwiegend in ihren Unternehmen der Fall ist. KMUs scheinen hier entweder bereits einen sehr großen Wert darauf zu legen – oder gar keinen: Teilnehmer aus KMUs haben sehr in den Extremen geantwortet.
In der praktischen Umsetzung wurde in Bezug auf Wertschätzung von Lernen schon viel versprochen, aber viel ist noch nicht passiert: Nur 23,3 Prozent der befragten Teilnehmer empfinden, dass in ihrem Unternehmen Karriere nicht nur durch Mitarbeiterführung sondern auch durch Fachexpertise möglich ist.
Geht man noch tiefer in die Unternehmenskultur und fragt, ob denn in den Unternehmen Lernen auch bedeutet, Fehler machen zu dürfen, bestätigt ein Viertel der Befragten eine positive Lernkultur (27,1 Prozent). Zur Förderung einer passenden Unternehmenskultur gehört auch die Entwicklung eines neuen Führungsverständnisses, dass Führung als Ermöglicher effizienter und zufriedener Teams und Individuen begreift, und Führung über gemeinsameErfolge und Mitarbeiterzufriedenheit anstatt formaler Hierarchie und Statusorientierung definiert. Eine der wesentlichen Aufgaben der Führungskräfte wird also die Förderung der Entwicklung von Individuen und Teams unter anderem als Lerncoaches sein. Dazu gehört auch die Ausrichtung der Mitarbeitergespräche auf Performance und Potenzial. Auch hier zeigt sich, dass KMUs entweder absolut oder gar nicht Wert darauf legen, dass Lernen und Weiterentwicklung eine große Rolle in den persönlichen Mitarbeitergesprächen spielen (27,1 Prozent der KMU-Teilnehmer stimmen sehr zu und 25,3 Prozent stimmen gar nicht zu).
Weitere Bausteine einer neuen, bedarfsorientierten Lernarchitektur resultieren aus den beiden Lerntrends Digitalisierung und Sozialisierung (von- und miteinander lernen) von Weiterbildung. Hier sind PE und Unternehmensführung gemeinsam gefordert, die tradierte Trennung von Lernen und Arbeiten endgültig aufzuheben, jeden Arbeitsplatz zum Lernort zu machen und allen Mitarbeitern Wege zum lebenslangen Lernen zu eröffnen. Dass die Nutzung digitaler Medien in den Belegschaften angekommen ist, zeigt, dass 71,3 Prozent der Studienteilnehmer den Computer und die sozialen Medien als eine wesentliche Bereicherung ihrer beruflichen Lernprozesse empfinden.
Doch Achtung: Nur 34 Prozent aller Mitarbeiter möchten in der Zukunft noch mehr computergestützt lernen – soziale Lernformate werden gerade von älteren Mitarbeitern deutlich mehr geschätzt. Schaut man sich allerdings die Generationen Y und Z an, so fordern diese eher das computergestützte Lernen.
Lerncoach für Mitarbeiter
Selbstgesteuertes Lernen wird in der Zukunft eine deutlich stärkere Rolle spielen. So spricht Jane Hart vom „Employee-led Learning“ und die große Konferenz OEB 2016 hat das Thema „Ownership of learning“ zum Hauptthema ausgerufen. Ob 70:20:10 Systematik, Workplace Learning, eLearning – alle modernen Entwicklungen übergeben mehr Verantwortung für den Lernprozess an die Lerner. Doch hier liegt die Krux. Die Mehrheit der Mitarbeiter fühlt sich von diesen Erwartungen überfordert und alleine gelassen und empfindet, dass sie nicht die notwendigen Lernkompetenzen für diese Aufgabe besitzen.
Hier muss PE Unterstützung bieten. Statt die Vermittlung von Inhalten zu fördern und an deren transferförderlichen Gestaltung zu arbeiten, sollte PE helfen, neue Denk- und Handlungsmuster zu etablieren und insbesondere Lernkompetenzen von Mitarbeitern zu fördern, um lebenslanges Lernen wirklich zu ermöglichen. PE muss sich als Entwicklungspartner verstehen und gerade in der Transformationsphase Lerncoachings auf individueller Basis übernehmen.
Broker
Die Möglichkeiten zu Lernen sind vielfältig; Lernen und Wissensmanagement verschwimmen. In diesem Kontext die richtige Auswahl zu treffen, bedarf einer Expertise, die die PE leisten kann und muss. Allerdings scheint sie dies bislang nicht wirklich zu tun. Nur 17,5 Prozent der Befragten meinen, dass die Personalentwicklung ein vielfältiges Angebot hat und bei der Auswahl berät.
Dabei könnten neben der Vermittlung von Lernangeboten auch gerade Lernpartner beispielsweise im Rahmen von Lerntandems, Peer-Coachings oder Mentoring sehr erfolgversprechend sein. Insbesondere da über die Hälfte aller Mitarbeiter am liebsten im Austausch mit anderen lernt.
Agile Arbeit, agiles Lernen
Nicht nur die Arbeitswelt sondern auch das betriebliche Lernen muss sich an die VUCA-Welt anpassen. Dazu gehört es, die Denk- und Handlungsmuster kritisch zu hinterfragen und anzupassen und Lernen als Erfolgsfaktor neu zu verstehen und zu implementieren. Bei diesem Transformationsprozess sind die Mitarbeiter entscheidend. Ohne eine Begleitung und Unterstützung beim Heranwachsen in die Rolle des selbstverantwortlichen Lerners kann moderne PE nicht funktionieren. PE muss den Fokus der eigenen Wertschöpfung wiederfinden und neu gestalten.