Gesundheit und Sicherheit auf Dienstreisen im New Normal

Gesundheitsmanagement

Geschäftsreisen und Entsendungen sind auch in der neuen Normalität immer noch unverzichtbar. Die Corona-Pandemie hat die Planung von Dienstreisen für Unternehmen jedoch wesentlich komplexer gemacht. Es gilt nun mehr denn je, Mitarbeitende auf Reisen im In- und Ausland vorzubereiten. Vorbeugend können Unternehmen zum Beispiel interne Richtlinien bestimmen, unter welchen Umständen Reisen erlaubt sind, wer sie genehmigen muss und wie gehandelt wird, wenn eine Rückkehr aus dem Ausland nicht mehr möglich ist. Dazu gehört außerdem, mit einem Assistance-Dienstleister abzusprechen, wo sich in der Nähe des Reiseortes Krankenhäuser mit europäischen Standards und Quarantäne-Möglichkeiten befinden und wann eine Rückholung nach Deutschland nötig ist. Eine solche Situation kann zur extremen Belastung werden, es sollten daher weitere Vorkehrungen wie etwa eine mögliche psychologische Betreuung getroffen werden.

Auch das Frankfurter Assistance Center von International SOS erhält verstärkt Anfragen von kleinen, mittelständischen und großen Unternehmen, die ihre Mitarbeitenden zu Kunden, zum Beispiel in China, Nord- und Südamerika, Indien, Südostasien, der Türkei und auch vielen Ländern Afrikas senden. Die Unternehmen möchten meist wissen, wie die Risiken am Zielort einzuschätzen sind und welche Behandlungsmöglichkeiten Mitarbeitende im Falle einer Erkrankung haben. Hinter diesen Anfragen stehen zum einen die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers, soziale Verantwortung oder der Wunsch nach einem möglichst reibungslosen Geschäftsablauf. Zum anderen fordern Betriebsräte und Gewerkschaften eine angemessene Unterstützung von Beschäftigten bei Erkrankungen oder Restriktionen. Eines der obersten Ziele der Personalverantwortlichen bleibt weiterhin, die Gesundheitsrisiken auf einer Geschäftsreise möglichst klein zu halten. Neben Infektionskrankheiten wie Covid-19 betrifft das auch chronische Vorerkrankungen. Denn die können bei einer Reise in ein Land mit einer weniger guten medizinischen Infrastruktur zum gesteigerten Risiko werden.

Umfassende Vorbereitung ist alles

Vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie ist das Risikobewusstsein für Geschäftsreisen noch gestiegen. Eine sachkundige und gründliche Vorbereitung und Betreuung von beruflich Reisenden war aber schon immer Bestandteil der Fürsorgepflicht von Unternehmen. Eine Auslandsversicherung abzuschließen, reicht in den meisten Fällen nicht aus. Die Durchführung einer arbeitsmedizinischen Vorsorge und Impfungen sind ebenso ein wichtiger Bestandteil dieser Vorbereitung. Gerade in der Pandemie ist die arbeitsmedizinische Vorsorge wichtiger denn je geworden. Von Arbeitgebern wird erwartet, dass ihre Mitarbeitenden auch während einer pandemischen Lage auf Reisen im In- und Ausland bestmöglich versorgt werden. Am Anfang einer jeden Dienstreise sollte darüber hinaus immer eine Gefährdungsbeurteilung stehen, die für alle Risiken am Arbeitsplatz durch das Arbeitsschutzgesetz vorgeschrieben ist.

Sicherheitsrisiken sind gestiegen

Im Jahr 2022 sollten sich Unternehmen bewusst sein, dass die immerwährenden Sicherheitsbedenken wie Kriminalität, Unruhen, Terrorismus oder andere geopolitische Probleme durch die Pandemie nicht verschwunden sind. In vielen Fällen sind die Risiken sogar gestiegen. Spannungen im Zusammenhang mit Lockdowns, der Einführung von Impfstoffen und vermeintlichen Eingriffen in die bürgerlichen Freiheiten haben an einigen Orten zu Unruhen und Gewalt geführt. Neben den Covid-19-bedingten Auslösern werden Naturkatastrophen, geopolitische Ereignisse, innerstaatliche Konflikte und Kriminalität weiterhin Auswirkungen auf Unternehmen in der ganzen Welt haben. Es ist wahrscheinlich, dass diese Auswirkungen sich noch verstärken werden, da die Reisetätigkeit wieder zugenommen hat.

Als Reaktion darauf müssen die Unternehmen die Schwachstellen ihres Sicherheits- und Krisenmanagements erkennen und schnell handeln, um effektive Entscheidungen zu

treffen, Risiken zu minimieren und ihre Widerstandsfähigkeit zu stärken. Dazu gehört, ihre reisenden Mitarbeitenden ebenso wie die einheimische Belegschaft mit zuverlässigen und standortspezifischen Gesundheits- und Sicherheitsinformationen auf dem Laufenden zu halten. Entscheidend ist auch, dass sie mit den Änderungen der Rechtsvorschriften Schritt halten und sicherstellen, dass sie auch bei der gestiegenen Komplexität bei der Planung und Durchführung von Dienstreisen ihre Fürsorgepflichten erfüllen.

Praxisbeispiel: Entsendung in die Osttürkei

Was bedeutet diese Entwicklung für die Umsetzung von Projekten und die Entsendung von Mitarbeitenden ins Ausland? Betrachten wir einmal folgenden Fall aus der Praxis:

Ein Maschinen- und Anlagenbauer aus Deutschland baut für einen türkischen Kunden über einen Zeitraum von neun Monaten Maschinen auf einer Produktionsanlage nahe dem Ort Diyarbakir auf. 25 Mitarbeitende werden dorthin entsendet. Der Ort liegt abgelegen, rund 35 Kilometer von Diyarbakir.

Die Beurteilung der Lage ist in diesem Fall wesentlich: Einerseits birgt die geografische Lage Risiken. In Diyarbakir in der Südosttürkei sind die Mehrheit der Menschen Kurdinnen und Kurden und die Grenzen zu Syrien, Iran und Irak sind nicht weit weg. Es handelt sich um ein volatiles Umfeld. Zudem hat die Region in den letzten Jahren mehrere bewaffnete Konflikte erlebt. Andererseits sind im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung auch Gefahren wie Kriminalität, soziale Unruhen, Konflikte, Naturkatastrophen, Straßenverkehr oder kulturelle Aspekte zu betrachten. Das Unternehmen aus dem Maschinen- und Anlagenbau hat dementsprechend Vorbereitungen getroffen in Bezug auf den Umgang mit diesen Risiken:

  • Zugang zu Schulungen schon vor dem Einsatz im Ausland zu medizinischen und Sicherheitsthemen. Die Schulungen sollen ein Grundlagenverständnis der Mitarbeitenden schaffen, wie sie Risiken minimieren könnten, zum Beispiel im Straßenverkehr oder in Bezug auf Kleinkriminalität.
  • Lageberichte und -beobachtung zur Situation vor Ort, damit die Verantwortlichen wissen, wie sich die Situation vor Ort darstellt oder über die nächste Zeit entwickeln könnte.
  • Möglichkeit, sich bei Fragen an einen Experten innerhalb des Unternehmens zu wenden beziehungsweise an einen Assistance-Dienstleister, der 24/7 medizinische oder sicherheitstechnische Informationen liefern kann.
  • Bewertung von Hotels und Unterkünften, aber auch von Transportunternehmen vor Ort, wenn Mitarbeitende wie im Fall von Diyarbakir von der Unterkunft zum Arbeitsplatz, transportiert werden müssen.
  • Bewertung von verlässlichen Wachdienstleistern, um Unterkünfte zu sichern und den Produktionsstandort zu schützen.
  • Erstellung beziehungsweise Überarbeitung von bestehenden präventiven medizinischen und Sicherheitsplänen und auch Notfallplänen, sogenannten Medical Emergency Response Plans (MERP).

Generell gilt: Arbeitgeber sollten Geschäftsreisen und Entsendungen mehr denn je vorausschauend planen, um ihren Mitarbeitenden den bestmöglichen Schutz zu gewähren. Verglichen mit dem medizinischen Risiko hat sich durch die Pandemie das sicherheitstechnische Risiko aus Sicht der Sicherheitsexperten weniger geändert. Denn Länder mit einem hohen Sicherheitsrisiko haben schon immer ein Mehr an Vorbereitung benötigt. Es lässt sich aber erkennen, dass Covid-19 bestehende Probleme wie soziale Ungleichheit und daraus resultierende soziale Proteste verstärkt hat.

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Stefan Eßer, Ärztlicher Leiter für Zentraleuropa bei International SOS.

Stephan Eßer

Dr. Stephan Eßer ist Ärztlicher Leiter für Zentraleuropa bei International SOS.

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