Was sind die ersten Schritte?
Bedarfsanalyse
Anhand der im ersten Teil der Beitragsreihe dargestellten Überlegungen sollten Unternehmen zunächst eine Bedarfsanalyse anstellen. Was bezwecken wir mit dem Thema International Remote Working? Welche Rolle spielt International Remote Working für uns als Marke, auf dem Arbeitsmarkt, für unsere Mitarbeitende sowie die Bewerberinnen und Bewerber? Wie planen wir die Internationalisierung unserer Geschäftsentwicklung? Teil dieser Analyse kann eine Mitarbeiterbefragung sein. Häufig hat die Geschäftsführung (oder eine von dieser Eingesetzte Projektgruppe International Remote Working) keine genauen Vorstellungen davon, wie viel Flexibilisierung die Mitarbeitenden wollen. Auch eine Bestandaufnahme aktueller Anfragen der Mitarbeiter zu International Remote Working ist hilfreich.
Clustering
Weiter ist es wichtig, zwischen verschiedenen Formen von International Remote Working zu trennen, da administrativer Aufwand, Compliance-Risiken und Kosten unterschiedlich sind. Wie dabei geclustert wird, hängt vom Unternehmen ab. Eine sinnvolle Unterscheidung ist zum Beispiel die Einordnung in kurzfristige/temporäre und langfristige Konstellationen. Auf der einen Seite die tage-/wochenweise Verlängerung des Urlaubs zu Arbeitszwecken („workation“). Auf der anderen Seite das Einstellen von Mitarbeitenden im Ausland, die aus ihrem Heimatland für das deutsche Unternehmen arbeiten sollen. Zu den langfristigen Konstellationen zählt auch die Unternehmensorganisation mit globalen Rollen und länderübergreifenden Mehrfachfunktionen („globale Matrixorganisation“). Zum Clustering gehört auch, dass das Unternehmen sich darüber klar wird, welche Relevanz die einzelnen Gruppen für das Unternehmen haben. Viele Unternehmen starten bei der Umsetzung zunächst mit den Gruppen, die leichter umzusetzen sind und nehmen die komplexeren Gruppen in einem zweiten Schritt in Angriff.
Rechtliche Prüfung
International Remote Working berührt verschiedene Rechtsgebiete: Steuerrecht (Einkommen-/Lohnsteuer und Betriebsstätten/Verrechnungspreise), Sozialversicherung, Arbeits- und Aufenthaltsrecht sowie Datenschutz/Datensicherheit. Die Compliance-Risiken der einzelnen Fallgruppen unterscheiden sich erheblich. Ebenso macht es einen großen Unterschied, ob sich die Fälle innerhalb oder außerhalb Europas abspielen. Eine besondere Herausforderung stellt dabei dar, dass es zu International Remote Working zum Teil noch keine klaren Regelungen beziehungsweise keine einheitliche Praxis der Behörden gibt. Der sensibelste Compliance-Bereich für viele Unternehmen ist in diesem Zusammenhang die steuerliche Frage der Begründung von Betriebsstätten, also die Frage ob ein Arbeitnehmer beziehungsweise eine Arbeitnehmerin, der oder die bei einem Unternehmen in Land A angestellt ist und in Land B arbeitet, in diesem Land B eine Steuerpflicht für das Unternehmen aus Land A auslöst. Zwar gibt es hierzu Regelungen in Doppelbesteuerungsabkommen, nationale Gesetze sowie Grundsätze der OECD. Ob diese aber auch auf Homeoffice-Situationen uneingeschränkt anwendbar sind, ist höchst strittig und von Land zu Land unterschiedlich.
Administrativer Aufwand
Neben der Prüfung der rechtlichen Risiken müssen Unternehmen prüfen, welchen administrativen Aufwand die verschiedenen Fallkonstellationen von International Remote Working für sie bedeuten. Auch hier gibt es erhebliche Unterschiede zwischen den verschiedenen Gruppen. Administrativer Aufwand kann zum Beispiel entstehen durch Lohnsteuerverpflichtungen und Registrierungspflichten im Ausland, rechtliche Prüfungen, das Tracking von Anwesenheitstagen in den betroffenen Ländern, und so weiter. Am Ende steht die Abwägung, ob das Unternehmen den administrativen Aufwand, insbesondere für die Vermeidung rechtlicher Risiken angesichts der Bedeutung bestimmter International Remote Working Konstellationen in Kauf nehmen will.
Umsetzung
Im Rahmen der Umsetzung sind verständliche Regelungen, ein gut strukturierter Genehmigungsprozess mit klaren Verantwortlichkeiten sowie die Kommunikation im Unternehmen entscheidend. Wichtig ist dabei, dass das Unternehmen zwei verschiedene Perspektiven im Blick behält. Zum einen muss es sicherstellen, dass einzelne Beschäftigte durch ihre International-Remote-Working-Tätigkeit keinen Risiken ausgesetzt ist. Dass zum Beispiel der Verbleib in der heimischen Sozialversicherung sichergestellt ist und das entsprechende Formular zum Nachweis bei den ausländischen Behörden beantragt ist. Oder dass die Mitarbeitenden durch ihre Tätigkeit im Ausland nicht steuerpflichtig werden.
Aus Sicht der Unternehmensführung ist wichtig, einen geeigneten Compliance-Management-Prozess aufzustellen, um den gesetzlichen Aufsichts- und Organisationspflichten gerecht zu werden. Bei Verstößen gegen diese Verpflichtung greift gemäß § 130 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) eine persönliche Haftung der geschäftsführenden Organe. Daher ist dieser Aspekt der Umsetzung für die Unternehmensleitung von entscheidender Bedeutung. Die Verantwortlichkeit für die Umsetzung liegt häufig bei einer von der Unternehmensleitung eingesetzten Projektgruppe aus HR und den Compliance-Funktionen Steuer und Legal. Stakeholder-Management in Richtung der Unternehmensleitung ist dabei eine der wichtigsten (und häufig auch schwierigsten) Aufgaben.
So gelingt die Umstellung auf International Remote Working
Die Erfahrung der letzten Monate zeigt, dass es sinnvoll ist, das Thema abzuschichten und sich zunächst auf die Umsetzung von weniger aufwendigen oder für das Unternehmen besonders relevanter Formen von International Remote Working zu konzentrieren. Für eine solche Abwägung müssen sich Unternehmen über ihre strategischen Prioritäten im Klaren sein und diese gegen Machbarkeit, Compliance-Risiken und administrativen Aufwand abwägen. Versuchen sich Unternehmen ohne einen solchen langfristigen Plan an einer Umsetzung, so besteht das Risiko, dass sie die Organisation überfordern.