Leidenschaft im Job: Vergnügen macht sich bezahlt

Personalmanagement

Müssen wir für unsere Jobs brennen? Definitiv, sagt unser Gastautor. Darum sollten Unternehmen bei der Bewerberauswahl Leidenschaft als Kriterium beachten.

Dieser Beitrag ist eine Antwort auf den Artikel „Müssen wir für unsere Jobs brennen?“ von Volker Kitz, zuerst erschienen in unserer Print-Ausgabe „Neuanfang“ unter dem Titel „Wir sind ja nicht zum Vergnügen hier“.
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Wenn der Leidenschaft das Merkmal abgesprochen wird, prinzipiell gute Arbeit und ein gelungenes Leben zu fördern, dann wird sich sicher manch ein Leser dieser Hypothese – nicht nur der renommierte Herzchirurg, der mit 56 Jahren seine Leidenschaft für das LKW fahren in die Tat umsetzt – die Nase rümpfen. So ist doch die harmonische Leidenschaft etwas Emotionales, das von großer autonomer Begeisterung für eine Sache herrührt und dabei in der Konsequenz sogar über die (bloße) intrinsische Motivation hinausgeht. Wenn jemand mit Leidenschaft als LKW-Fahrer tätig wird, dann macht er dies nicht nur gern von Zeit zu Zeit, sondern er definiert sich selbst als LKW-Fahrer und setzt sich in einer ganz besonderen Weise ausgesprochen intensiv mit dieser Tätigkeit auseinander. Er liest etwa regelmäßig und aus freien Stücken Fachliteratur, tauscht sich mit Kolleginnen und Kollegen aus, wirbt bei potenziellen Neueinsteigern mit Begeisterung für den Job und beschäftigt sich (womöglich auch außerhalb der Arbeitszeit) mit Wegen zur Optimierung der Arbeitsabläufe.

Leidenschaftliche Mitarbeiter als Wettbewerbsvorteil

Welcher Logistikunternehmer wünscht sich nicht einen Mitarbeiter, der wichtige Prinzipien eines Kraftfahrers, wie etwa die Sicherheit von Mensch und Ladung sowie die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit als Selbstverständnis tief verinnerlicht und den Beruf sowie wahrscheinlich auch das Unternehmen nach außen äußerst positiv vertritt?

Ähnlich wie im Fall der Kandidatinnen und Kandidaten großer Casting-Shows muss die Leidenschaft tatsächlich nicht zwangsläufig positiv mit der Leistung der Arbeit korrelieren – dafür gibt es sicher viele, mitunter auch amüsante Beispiele. Aber das Aussieben derjenigen Menschen, die womöglich – trotz Leidenschaft – nicht dazu im Stande sind, in einem bestimmten Bereich eine wettbewerbsfähige, objektiv definierte Arbeitsleistung zu erbringen, ist ja gerade eine wesentliche Aufgabe des „Job Castings“. Also stellt sich doch eigentlich gar nicht die Frage, ob Leidenschaft das Maß aller Dinge ist – das ist sie wahrscheinlich nicht. Sondern es ist vielmehr zu klären, ob Unternehmen auf einem zunehmend engen Arbeitsmarkt für Fachkräfte nicht gut daran tun, auch und insbesondere die Leidenschaft von Bewerberinnen und Bewerbern für die jeweilige Stelle zu berücksichtigen. Denn anders als derjenige Teil erforderlicher Qualifikationen, der auch nachträglich noch optimiert werden kann, ist Leidenschaft wohl nur schwer gezielt zu beeinflussen. Zudem ist anzunehmen, dass gerade die manchmal schwer zu findende Leidenschaft eine besondere Rolle für die Förderung der heutzutage so wichtigen Kreativität und Innovationskraft spielt.

In der Hervorhebung der besonderen Bedeutung der Leidenschaft liegt somit auch gar kein Widerspruch zur Relevanz von Fähigkeiten, wie etwa Sorgfalt, Zuverlässigkeit und Aufmerksamkeit, auf die es ohne Zweifel ebenfalls und besonders ankommt. Vielmehr ist sogar anzunehmen, dass Leidenschaft die (Weiter-)Entwicklung von beruflich relevanten Fähigkeiten in besonderem Maße fördern kann, während die leidenschaftslose Ausübung einer Tätigkeit oft nur dann zu guten Arbeitsergebnissen führt, wenn die Führungskraft fortlaufend ein Auge darauf hat, dass schon der Arbeitseinsatz den Anforderungen entspricht und mit Blick auf das Ergebnis vielversprechend erscheint. Einem Menschen, der für eine bestimmte Tätigkeit mit Leidenschaft brennt, kann man hingegen in besonderem Maße vertrauen und eine mitunter weiterhin notwendige Kontrolle allein auf das Arbeitsergebnis fokussieren.

Erleben von autonomer Leidenschaft macht glücklich

In Zukunft werden Routineaufgaben zunehmend aus Stellenbeschreibungen und Bewerbungsgesprächen verschwinden, denn es ist anzunehmen, dass Roboter einen immer größeren Teil dieser Aufgaben übernehmen werden. Aber selbst die (noch) verbleibenden, stark strukturierten und sich wiederholenden transaktionalen Tätigkeiten können doch gerne mit Vergnügen einhergehen. Obwohl wir Spaß und Spannung tatsächlich nicht zum absoluten Nonplusultra erheben sollten, so ist es doch gerade die Aufgabe von Personalern, die nachhaltige Wertschöpfung aller Stakeholder und damit auch die Zufriedenheit und das Glück der Mitarbeiter im Auge zu behalten. Allein die Tatsache, dass es womöglich Menschen gibt, die insgesamt glücklich sind, obwohl sie nicht für ihren Beruf brennen, sollte nicht zu der Schlussfolgerung verleiten, dass eine leidenschaftliche Berufsausübung für beide Seiten der Arbeitsbeziehung keine Vorteile bietet.

Allerdings kann Leidenschaft in der Tat auch negative Auswirkungen auf Beschäftigte und Unternehmen haben, wenn sie nämlich von außen aufoktroyiert wird, einen zwanghaften Charakter bekommt und nicht mehr vom einzelnen Individuum autonom kontrolliert werden kann. Daher ist die mittlerweile mitunter inflationär gestellte Forderung nach leidenschaftlichen Mitarbeitern durchaus kritisch zu hinterfragen. Menschen, die einer dysfunktionalen Leidenschaft folgen, brennen nämlich nicht nur für ihre Tätigkeit, sondern sie brennen allzu leicht aus, wenn sie unkontrolliert einem immer höheren Anspruch folgen und zu Lasten anderer Lebensbereiche immer mehr Zeit für die Arbeit „opfern“. Auch hier sind – neben den Führungskräften – die Personaler gefordert, „Leidenschafts-Schieflagen“, die eher Wert vernichten als diesen zu schaffen, rechtzeitig zu erkennen und mit geeigneten HR-Instrumenten gegenzusteuern.

Insofern sollte zwar kein allgemeiner Leidenschaftszwang ausgerufen werden und durchaus ein maßvolles Management von Erwartungen an die Arbeit in Betracht gezogen werden. Der weitere Weg kann aber – gerade im Lichte der zunehmenden digitalen Automatisierung – nur zu mehr Leidenschaft im Arbeitsleben führen, und dies kann der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite gleichermaßen nutzen.

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(c) privat

Sebastian Pitschner-Finn

Sebastian Pitschner-Finn hat an der Technischen Universität Berlin zu den Themen Corporate Governance, nachhaltiges strategisches Management und Organisation geforscht. Nach seiner Promotion hat er Unternehmen zur Transformation der Personalfunktion beraten. Aktuell ist er Leiter der Abteilung Compensation & Benefits eines globalen MDAX-Unternehmens.

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