Die Vorstandsvergütung muss vielen Anforderungen gerecht werden, um ihre Hauptaufgabe, nämlich das Binden und Motivieren der Top-Führungskräfte, erfüllen zu können. Dies wird zunehmend anspruchsvoller, denn das Hauptaugenmerk verschiebt sich immer mehr auf die Erfüllung von Investorenerwartungen und regulatorischen Anforderungen. Letztere wurden zu Beginn des Jahres angepasst. Dieser Artikel beschäftigt sich mit den aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen der Vorstandsvergütung in Deutschland.
ARUG II – ein Füllhorn von regulatorischen Veränderungen
Das Gesetz zur Umsetzung der zweiten Aktionärsrechterichtlinie (ARUG II) hat einiges an Neuheiten für die Vorstandsvergütung mit sich gebracht. Die entsprechenden Änderungen wurden im deutschen Aktiengesetz verankert und teilweise auch in den Deutschen Corporate Governance Code (Kodex) eingebettet. Durch die vielleicht wichtigste Änderung im Aktiengesetz wird ab 2021 auch auf deutschen Hauptversammlungen die international bereits bekannte Praxis des Say-on-Pay, also die Möglichkeit der Anteilseigner über das Vergütungssystem abzustimmen, in einer nicht-bindenden Form Einzug halten. Des Weiteren werden zweifellos zwei Themen aus dem Kodex eine Sonderrolle einnehmen: zum einen die Ausrichtung der Vergütungsstruktur auf eine nachhaltige und langfristige Entwicklung und zum anderen ein stärkerer Fokus auf den Pay-for-Performance-Zusammenhang.
Die „nachhaltige“ und „langfristige“ Entwicklung steht im Zentrum der Anforderungen
Vor dem Hintergrund der Nachhaltigkeit haben die sogenannten ESG-Kriterien noch einmal an Brisanz gewonnen, wobei E für Environment, S für Social und G für Governance stehen und drei nachhaltigkeitsbezogene Verantwortungsbereiche umfassen. Jeder dieser Bereiche beinhaltet eine Vielzahl von Themen, wie beispielsweise die Reduktion des CO2-Austoßes des Unternehmens, die Repräsentanz von Frauen auf unterschiedlichen Ebenen, und die Einbeziehung von Stakeholdern. Obwohl bereits circa die Hälfte aller Unternehmen soziale Kriterien in ihre Vorstandsvergütung integriert, wird eine Tendenz hin zu einer zusätzlichen Berücksichtigung umweltbezogenen Kriterien immer augenscheinlicher: Es scheint, dass sich Unternehmen zunehmend ihrer Verantwortung bewusst werden, ihre CO2-Emissionen zu reduzieren. Allerdings ist das Ambitionsniveau dieser Ziele zu hinterfragen. Dies liegt vielleicht auch an der Besonderheit von umweltbezogenen Zielen: diese zeichnen sich häufig durch einen sehr langen Zielhorizont aus und sind mit der durchschnittlichen Mandatslänge eines Vorstands nicht einfach zu vereinbaren. Abhilfe schaffen können hier eigenständige Hyper-Long-Term-Incentive-Pläne, die sich im Gegensatz zu üblichen LTIs durch eine Laufzeit von etwa 10 Jahren unterscheiden und die damit der Langjährigkeit von Klimazielen besser gerecht werden können. Auf diese Weise kann die Nachhaltigkeit, die häufig mit großen Kapitalinvestitionen verbunden ist, effizient in die Vorstandsvergütung integriert werden.
Pay und Performance in Einklang bringen
Auch der stärkere Fokus auf den Zusammenhang zwischen Vergütung und Unternehmenserfolg ergibt sich aus den regulatorischen Veränderungen. Aus Sicht der Investoren und Stimmrechtsberater ist dies ein kritischer Punkt. In nicht wenigen Fällen sprechen sie sich gegen das Vergütungssystem eines Unternehmens aus, wenn entweder der Zusammenhang zwischen Vergütung und Ertrag nicht klar und deutlich dargestellt wird oder wenn die Pay-for-Performance Ausrichtung des Unternehmens insgesamt mangelhaft ist. Unternehmen sollten deshalb sicherstellen, dass eine Sensitivität der Auszahlungen zur Unternehmensperformance über die Jahre hinweg sichtbar wird und vor allem, dass Wahl und Gewichtung der Performance-Metriken, die den variablen Vergütungsbestandteilen zugrunde liegen, zur unternehmensspezifischen Strategie passen. Oftmals kann ein strukturierter Ansatz bei der Herleitung der entsprechenden Performance-Ziele helfen, der Vielzahl der zu beachtenden Faktoren gerecht zu werden und sich nicht nur auf die historische Performance zu verlassen.
Ein möglicher und in vieler Hinsicht vorteilhafter Ansatz liegt beispielsweise darin, sich finanzmathematischer Modelle zu bedienen und vom gegenwärtigen Unternehmenswert auf die dem zugrunde liegende zukünftige Entwicklung einzelner Finanzkennzahlen zu schließen. Umfassende Simulationen basierend auf diesem Modell ermöglichen dann die Berechnung der Wahrscheinlichkeit, dass bestimmte Schwellen-, Ziel- und Maximalwerte erreicht werden. Dieses Vorgehen hat drei klare Vorteile: Erstens wird damit die Chance maximiert, dass die gewählten Zielwerte im Vergütungssystem realistisch sind; zweitens lassen sich daraus direkte Annahmen bezüglich der zu erwartenden Auszahlung ableiten; und drittens kann dieses Vorgehen ganz spezifisch auf die verwendeten Performance-Metriken eingestellt werden, das heißt bei der Kalibrierung von Schwellen- und Maximalwerten kann die spezifische Volatilität der gewählten Performance-Metrik berücksichtigt werden. Alles in allem gewichtige Gründe, um damit die Hauptversammlung bei der konsultativen Abstimmung über das Vergütungssystem von einem funktionierenden Pay-for-Performance Zusammenhang zu überzeugen.
Maximalvergütung bietet Raum für Interpretation
Eine weitere Neuerung für den deutschen Markt liegt in den Themen Vergütungssystem und Maximalvergütung. Die börsennotierten Unternehmen müssen das Vergütungssystem im nächsten Jahr der Hauptversammlung konsultativ zur Abstimmung vorlegen. Im Vergütungssystem müssen zwingend die unterschiedlichen Vergütungsinstrumente, ihr relatives Gewicht zueinander und auch die Maximalvergütung geregelt werden. Die Einführung von Vergütungsobergrenzen für Vorstände börsennotierter Unternehmen stellt ein Novum dar. Dabei ist die inhaltliche Ausgestaltung des Begriffes Maximalvergütung dem Aufsichtsrat überlassen. Es gilt den bestehenden Ermessensspielraum hinsichtlich der Maximalvergütung mit Inhalten zu füllen. Die wichtige Änderung liegt allerdings darin, dass Aktionäre zukünftig sowohl über Vergütungssystem als auch Vergütungsbericht abstimmen werden.
Ausblick
Alles in allem hat ARUG II eine Vielzahl von Veränderungen für die Vorstandsvergütung mit sich gebracht, die Unternehmen vor neue Herausforderungen stellen – die wichtigsten davon sind sicherlich in der nachhaltigen und langfristigen Entwicklung, sowie dem Pay-for-Performance Zusammenhang der Vergütungssysteme zu sehen. In der Folge gilt es entsprechende Anpassungen in den Vergütungssystemen vorzunehmen und Obergrenzen für Vorstände einzuführen. Unternehmen müssen zukünftig den Aktionären das Vergütungssystem und den Vergütungsbericht zur Abstimmung vorlegen. Viel Arbeit also für die Personalabteilungen börsennotierter Unternehmen, aber die daraus entstehenden nachhaltigen Veränderungen dürften es wert sein.