Ukraine-Krieg: Mit Sorgen und Ängsten umgehen

Psychologie

Die Bandbreite der Reaktionen auf den Krieg in der Ukraine ist groß. Sie reicht von business as usual bis hin zum Aktionismus. Was für das eigene Unternehmen passt, ist individuell zu klären und kann sich kurzfristig ändern. Zudem reagieren die Beschäftigten sehr unterschiedlich. Um den Puls des Unternehmens regelmäßig zu fühlen, ist der tägliche kurze Austausch mit der Geschäftsführung, den Führungskräften, dem Betriebsrat und der Kommunikationsabteilung wichtig. Sinnvoll ist es, ergänzend ins Unternehmen reinzuhören – vor allem, wenn viele Personen zuhause arbeiten. Was beschäftigt die Mitarbeitenden, worüber spricht man auf den Gängen, welchen Eindruck haben der Gesundheitsbeauftragte oder die Betriebsärztin? Daraus lassen sich Angebote ableiten, die eine große Bandbreite von Anliegen abdecken sollten. Im Allgemeinen erhöht eine Dauerbelastung der Psyche die Grundanspannung und löst Konzentrationsschwierigkeiten wie sorgenvolle Gedanken aus. Auch die Tendenz zu depressiven Verstimmungen nimmt zu. Was können Unternehmen jetzt für ihre Mitarbeitenden tun?

Entspannungsmethoden zur Stressbewältigung

Bewährte Entspannungsmethoden wie Atemübungen können dabei helfen, Anspannung zu lösen und Druck abzulassen. Doch wer sich ängstigt, glaubt häufig nicht, dass Übungen etwas daran ändern können. Zudem erscheint Entspannung unerreichbar oder sogar irreal zu sein, wenn man das Leid anderer Menschen sieht. Damit Beschäftigte den Entspannungsübungen dennoch eine Chance geben, empfiehlt es sich, diese nicht als Ratschlag, sondern als Angebot zu kennzeichnen. Unternehmen könnten zum Beispiel im Intranet mehrmals hintereinander eine kurze Übung vorstellen. Auch Aufklärung ist empfehlenswert. Wenn Mitarbeitende wissen, dass sie sich erst einmal um die eigene Entspannung kümmern müssen, um handlungsfähig zu bleiben, dann lassen sie sich eher darauf ein. In Webinaren können Expertinnen und Psychologen die Fragen der Belegschaft zum Umgang mit Stress und Krisen beantworten.

Aktiv werden gegen die Ohnmacht

Viele Menschen kommen mit dem Gefühl der Ohnmacht gegenüber den aktuellen Ereignissen nur schwer klar. Ihnen hilft es, etwas Handfestes zu tun. Das kann die Sammlung von Hilfsgütern oder ein Spendenaufruf sein. Wenn die Geschäftsführung solche Aktionen aktiv unterstützt, stärkt es das Gefühl, gemeinsam etwas bewirken zu können. Bei der Planung sollte man zwischen anonymen, bilateralen und öffentlichen Angeboten unterscheiden. Es ist leicht, gemeinsam Kisten zu packen, aber sehr intim, über seine Ängste zu sprechen. HR-Verantwortliche handeln umsichtig, wenn sie sich bewusst machen, dass die Beschäftigten unter Umständen in einem Ausnahmezustand sind.

Die Normalität erlebbar machen

Wenn Unvorstellbares passiert, wird die Normalität daneben sehr klein bis unsichtbar. Dabei trägt sie mit ihren Ritualen und Routinen den Alltag der Beschäftigten. Sie brauchen mehr davon, um sich zu stabilisieren, gerade wenn manches unwichtig erscheint. HR-Verantwortliche können Beschäftigte dabei unterstützen, nicht von Sorgen oder Angst überwältigt zu werden. Sie tun gut daran, Mitarbeitergespräche und Entwicklungsmaßnahmen wie gewohnt durchzuführen. Sie sollten auch die Führungskräfte ermutigen, gezielt und kontinuierlich über die Erfolge im Alltag zu sprechen. Die Idee dahinter ist, das Bewusstsein für das zu schärfen, was gelingt oder gelungen ist. Es stärkt, wenn auch die Normalität in der Krise ihren Platz bekommt.

Pace e Bene – Frieden und Gutes

Ein Leitfaden für mentale Stärke in Krisensituationen

„Pace e Bene“ ist der Gruß der Franziskaner. Aus den Anfangsbuchstaben lässt sich ableiten, wie man sich selbst in Krisensituationen stärken und unterstützen kann.

P wie portionieren: Wer ständig Nachrichten liest, stresst sein Nervensystem. Besser ist es, sich auf zwei seriöse Quellen zu beschränken und sich maximal zweimal täglich zu informieren.

A wie akzeptieren: Angst und Hilflosigkeit zu akzeptieren, bedeutet nicht, sie gutzuheißen. Es geht darum, sie zuzulassen. Denn innerer Widerstand kostet unnötig Kraft und verändert oftmals nichts.

C wie „come together“: Mit der Familie und dem Freundeskreis zu sprechen, verbindet, schafft ein Gemeinschaftsgefühl und entlastet die Seele. Wer sich außerdem in Hilfsaktionen gesellschaftlich engagiert, nimmt sich wieder als handlungsfähig wahr.

E wie Einschätzung: Es lohnt sich, das eigene Kopfkino zu hinterfragen: Wie real ist meine Angst, kommen alte Ängste zum Vorschein? Vielleicht sogar die Ängste meiner Vorfahren? Wenn wir unsere Gedanken nachvollziehen und Reaktionen begreifen, können wir besser damit umgehen.

 

E wie Erlaubnis: Leid und Freude existieren gleichzeitig in der Welt und dürfen auch nebeneinander erlebt werden. Man kann mitfühlend sein und sich bewusst erlauben, sich über einen schönen Ausflug oder ein gutes Gespräch zu freuen.

 

B wie Bewegung: Wer sich bewegt, löst Spannungen im Körper und bremst das Gedankenkarussell im Kopf. Bildlich gesprochen erdet man sich mit jedem Schritt und erhält den Körper gesund.

E wie Entspannung: Je schwieriger die Situation ist, desto wichtiger ist es, gut für sich selbst zu sorgen, um bei Kräften zu bleiben. Es ist wichtig, sich regelmäßig zu entspannen und abzuschalten.
N wie Neuorientierung: Wer sich überlegt, was die aktuelle Situation verändert, kann sich aktiv anpassen. Fragen können sein: Was bedeuten höhere Energiepreise für die Haushaltskasse? Wie möchte ich Geflüchtete unterstützen?

E wie Entscheidung: Wenn ich mir bewusst eine Meinung bilde, nehme ich einen Standpunkt ein. Dieser gibt mir Orientierung im Strudel der Nachrichten und Informationen.

Quelle: Diesen Leitfaden hat der Trainer Roman Glauben in einem Workshop entwickelt.

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Astrid Travi, Beraterin

Astrid Travi

Astrid Travi ist geschäftsführende Gesellschafterin der stg – Die Mitarbeiter Berater GmbH. Sie verfügt über fast 30 Jahre Beratungserfahrung – im Konzern und selbstständig – mit dem Schwerpunkt der Begleitung berufliche Veränderungsprozesse und Krisenberatung. Diese Themen hat sie auch in leitender Funktion für Siemens und andere Unternehmen verantwortet.

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