Auftraggeber suchen bei der Wahl einer passenden Unternehmensberatung nach eindeutigen Qualitätskennzeichen. Zum einen um der Einkaufsabteilung vergleichbare Angebote qualitativ hochwertiger Beratungsleistungen vorlegen zu können; zum anderen wollen sie sicher gehen, dass ihre angestrebten Ziele auch erreicht werden. Doch an welchen Kriterien können sich Kunden orientieren, wenn jedes Beratungsunternehmen für sich in Anspruch nimmt, Qualität zu liefern?
Die Beurteilung der Qualität von Consultingdienstleistungen ist naturgemäß schwieriger zu bestimmen als die von Gütern stofflicher Beschaffenheit, die auf der Basis physikalisch festgelegter Größen gemessen werden können. Die Beratung des Managements stützt sich auf wissens-, erfahrungs-, vertrauens- und beziehungsbasierte Leistungen. Im sogenannten People Business gelten somit andere Maßstäbe für Qualität und Leistung.
Nicht selten neigen Unternehmensberatungen dazu, allein das Zustandekommen eines Beratungsergebnisses mit Qualität gleichzusetzen. Es liegt auf der Hand, dass dies ein Fehlschluss ist. Richtig ist, dass Beratungsaufträge harte, objektiv messbare und/oder weiche, qualitativ zu bewertenden Ziele beinhalten können. Lautet der Auftrag zum Beispiel, eine höhere Abteilungseffektivität über ein neues Geschäftsmodell zu erreichen, lässt sich das Ergebnis nach gegebener Zeit durchaus messen. Allerdings besagt es wenig über die Qualität der Prozesse, die zum gewünschten Ziel führen. Gleiches gilt für Leistungen wie die Besetzung einer Schlüsselposition oder die Durchführung einer Potenzialanalyse. Hier können die vorgegebenen Ziele erreicht werden, aber möglicherweise sind die involvierten Personen im Unternehmen mit der Beratung und den Prozessen unzufrieden.
Weiche unternehmerische Auftragsziele unterliegen zwangsläufig einer begrenzten Messbarkeit der Ergebnisse, ebenso ist die Qualität der Prozesse schwieriger zu bestimmen. So werden beispielweise bei einem Change- oder Coaching-Projekt in der Phase der Auftragsklärung Zielsetzungen definiert, die sich dann auch in ihrer Erreichbarkeit messen lassen. Allerdings kann der Erfolg des Beratungshandelns nicht unmittelbar auf eine bestimmte Maßnahme zurückgeführt werden. Auf der Zeitachse spielen auch andere Einflussgrößen eine Rolle, die eine Messbarkeit nach dem Ceteris Paribus-Prinzip unmöglich macht.
Der Qualitätsbegriff
Wollen sich Entscheider an objektiven Kriterien orientieren, die eine hohe Beratungsqualität nachweisen, stehen sie vor einem schwierigen Unterfangen. In der Wissenschaft existieren viele unterschiedliche Auslegungen des Qualitätsbegriffs. Sie alle kreisen im Großen und Ganzen um die Übereinstimmung von Leistungen mit Ansprüchen von Kunden, Verwendern, Händlern und Herstellern. Die Qualitätsnorm DIN EN ISO 9000 geht noch einen Schritt tiefer und beschreibt Qualität als „Vermögen einer Gesamtheit inhärenter Merkmale eines Produkts, eines Systems oder eines Prozesses zur Erfüllung von Forderungen von Kunden und anderen interessierten Parteien“. Von Wissenschaftlern und Anwendern wird nahezu einhellig die Auffassung vertreten, dass der Qualitätsbegriff objektive und subjektive Merkmale umfasst. Ebenso, dass Qualität aus Teilqualitäten (wie zum Beispiel funktionale Qualität, Konzeptqualität, Prozessqualität, Preisqualität, Ergebnisqualität) besteht. Für den Einkauf spielt eher die Preis/Vertragsqualität eine größere Rolle, für die Geschäftsführung dagegen die Prozessqualität.
Für die Managementberatung lässt sich festhalten: Aus Sicht des Auftraggebers bestimmt eine Summe von Faktoren die Qualität einer Beratung. Das heißt, in der Praxis müssen die unterschiedlichen Erwartungen an Leistung, Prozesse, Termintreue, Preise, Dokumentation und Resultate innerhalb eines Unternehmens erfüllt werden. Dann stuft er die Qualität einer Beratung als sehr gut ein.
Die Rolle von Zertifizierungen
Suchen Unternehmen vor der Auftragserteilung nach objektiven Kriterien für Beratungsqualität, sind ihre Möglichkeiten eingeschränkt. Als vermeintlich objektive Qualitätskriterien gelten Normen, Zertifizierungen oder spezielle Qualitätssiegel. Zwar erwarten Kunden oft diese Nachweise, doch letztlich geben diese keinerlei oder nur sehr wenig Auskunft über die Qualität der Beratung, wie ein genauerer Blick in die Normenwerke zeigt. Am bekanntesten ist die Qualitätsmanagementnorm nach EN ISO 9000 (aktuell DIN ISO 9001:2015). Sie beschreibt, welchen Anforderungen das Managementsystem eines Unternehmens genügen muss, um einem bestimmten Standard des Qualitätsmanagements zu entsprechen. Sie dient zum Nachweis beispielsweise der Qualitätsentwicklung und -sicherung gegenüber Dritten. Diese Norm definiert jedoch nur die Anforderungen an ein wirksames Qualitätsmanagement im Beratungsunternehmen selber, wobei dieses die Möglichkeit hat, die Anforderungen nach eigenem Werteverständnis zu definieren. Die Norm verlangt lediglich, dass sich Consultingfirmen an einmal gegebene Prozesseschritte halten, aber sie prüft nicht den Grad der Sinnhaftigkeit dieser Prozessschritte.
Seit 2012 existiert die europäische Beratungsnorm EN 16114 Unternehmensberatungs-dienstleistungen (DIN Deutsches Institut für Normung e. V). Die Norm wurde in einem mehrjährigen Prozess als Maßgabe für Beratungsvorgänge entwickelt. Sinn und Zweck der Vorgabe ist, dass Unternehmensberatungsprozesse nach klar definierten Schritten ablaufen sollen und auf diesem Weg mehr Beratungsqualität und Transparenz sichergestellt ist. So ist im Normenwerk unter anderem festgelegt, dass bestimmte Werte in der Beratung eingehalten werden wie Effizienz, Qualität, Stabilität, Flexibilität und die Verpflichtung zur laufenden Verbesserung seitens der Berater. Der Einsatz der Norm ist weder an Audits noch an Zertifizierungen gebunden. Soll heißen, eine Zertifizierung von Beratungsunternehmen nach dieser Norm ist nicht vorgesehen. Sie ist lediglich als Leitlinie für alle Unternehmensberatungen gedacht.
Auch die Consultants, die im Bund Deutscher Unternehmensberater (BDU) organisiert sind, handeln nach Qualitätsmaßstäben. In ihren Berufsgrundsätzen wird auf wesentliche Anforderungen an Berater verwiesen. Zu diesen zählen beispielweise die Pflicht zur Verschwiegenheit, zur Einhaltung der Vorschriften der Datenschutzgesetze des Bundes und der Länder. Der Berater muss Sorge dafür tragen, dass Unbefugte vor, während und nach Beendigung des Auftrags keine Einsicht in interne Unterlagen sowie vertrauliche Beratungsergebnisse des Auftraggebers erhalten. Ebenso sind die im BDU organisierten Berater verpflichtet, „sich in dem Maße fachlich fortbilden, um die zu seiner Berufsausübung erforderlichen Kompetenzen zu erhalten und weiterzuentwickeln.“
In Ausschreibungsprozessen werden zudem, je nach Hintergrund des Auftraggebers, weitere unterschiedliche Zertifizierungen eingefordert. Beispielweise stehen bei Unternehmen der Chemische Industrie und des Textilhandels Nachhaltigkeitssiegel im Vordergrund. Andere Unternehmen legen Wert auf die „Charta der Vielfalt“ oder auf die zehn Prinzipien des „UN Global Compact“. Im Fall der Outplacement-Beratung wird in einigen Fällen auch die Zertifizierung nach der AZAV (Akkreditierungs- und Zulassungsverordnung Arbeitsförderung) verlangt, um Fördermittel bei Bundesagentur für Arbeit akquirieren zu können.
Begrenzte Aussagekraft
Die beschriebenen Ansätze fallen durch ein Merkmal auf: Zertifizierungen und Qualitätssiegel werden oft als Substitution benutzt, um die Definitionen von Beratungsqualität in die Praxis zu umgehen. Sie umkreisen das Thema Qualität mit großer Präzision, weil sie es selbst kaum greifen können. Es entsteht der Eindruck, dass Zertifizierungen genau dort entlasten, wo eine genaue Beurteilung von Qualität in der Beratungspraxis liegen sollte. Was weder die ISO 9001 noch andere Normen abbilden können, ist beispielsweise ob der Beratungshandelnde Probleme außerhalb des Korridors im Rahmen der Aufgabestellung identifizieren und in bestimmten Bereichen sachkundiger als der Auftraggeber agieren kann. Oder ob und wie die Managementberatung nicht nur inhaltlich, sondern auch methodisch und prozessual auf neue Aufgabenstellungen – wie disruptive Veränderungen von Geschäftsmodellen – reagiert. Insofern bleiben Kriterienkataloge für Qualitätsmerkmale immer nur ein Hilfsgerüst. Da auch Unternehmen um die begrenzte Aussagekraft von Zertifizierungen wissen, ziehen sie häufig Referenzen heran. In den letzten Jahren zeigt sich, dass diese zunehmend einen sehr spezifischen, auf ein Projekt bezogenen Charakter haben müssen.
Ein Mehr an Transparenz
Nicht zu unterschätzen ist jedoch, dass die Diskussion um Normen für die Beratungsqualität zu einer positiven Entwicklung geführt hat: Indem Versuche unternommen werden, den Beratungsprozess zu skizzieren und Standards einzuziehen, hat sich die Transparenz für Unternehmen und Klienten erhöht. Früher galt: „Die Undurchschaubarkeit der Prozesse war lange einer der wichtigsten Faktoren für den Erfolg der Branche.“ So urteilt Bernhard Bartsch (Brand Eins: „Ende eines Mythos, Ausgabe 2014/0). Heute gilt: Die Strukturen werden immer transparenter. Dazu beigetragen habe auch die Entwicklung im IT-Sektor. Über die Fähigkeit Daten zu generieren und aufzubereiten, verfügten heute nicht mehr nur Berater; Unternehmen erfassen standardmäßig Informationen zu Lagerbeständen, Maschinenauslastung oder Krankentagen. Auch externe Informationen wie Marktdaten oder anderes Fachwissen sind nicht mehr das Herrschaftswissen einzelner Beratungsunternehmen, sondern frei zugänglich.
Diese Entwicklung verdeutlicht: Was als hohe Qualität von Beratungsinhalten und Prozessen gilt, unterliegt in gleicher Weise dem Wandel wie auch die wirtschaftlichen und technologischen Rahmenbedingungen.
Beispiel: Outplacement-Beratung und umfassende Prozesssteuerung
Am Beispiel der Outplacement-Beratung wird deutlich, welche Kriterien Auftraggeber an eine hohe Beratungsqualität heute stellen:
Als selbstverständlicher Standard gilt, dass die Berater über eigene Managementerfahrung, eine betriebswirtschaftlich-theoretische Grundbildung und Methoden- und Branchenkenntnisse verfügen. Ebenso wird vorausgesetzt, dass unterstützende IT- und personelle Back Office-Ressourcen vorhanden sind sowie die Fähigkeit der Berater, die Klienten (hier: Mitarbeiter im Trennungsprozess) zu coachen. Diese Kriterien lassen sich heute als Eingangsvoraussetzung einer professionellen Outplacement-Beratung formulieren, die sich im Laufe der Jahrzehnte zu einer ganzheitlichen HR-Beratung entwickelt hat. Denn während noch vor zehn Jahren der Auftrag lautete, den entlassenen Mitarbeiter psychisch zu unterstützen und schnellstmöglich wieder in eine neue Position zu bringen, erwarten HR-Manager und Vorstände heute von der Outplacement-Beratung eine komplexere Unterstützung: Sie beginnt bei der Einbindung sämtlicher Stakeholder (Betriebsrat, externen Partner unter andrem) und der Vorbereitung der Vorgesetzten auf das Trennungsgespräch über die Platzierung des Klienten in eine neue Position bis hin zur Beratung der internen und externen Kommunikation in Abbauprozessen.
Daher gilt bei Unternehmen als zu hinterfragendes Qualitätskriterium nicht mehr die Prozessabfolge, sondern die Befähigung der Beratungsgesellschaft, umfassende Projekte zu managen. Zwar bestimmt die Summe aller Leistungen maßgeblich die Wahrnehmung der Kunden von Qualität, doch dem Prozessmanagement kommt eine besondere Bedeutung zu. Eine hohe Beratungsqualität liegt nach Kundensicht dann vor, wenn eine hohe Prozesssicherheit gewährleistet ist. Diese zeigt sich, wenn
- die Beratung bei individuellen Fragestellungen des beauftragenden Unternehmens zeitlich und inhaltlich reaktionsstark ist,
- das Beratungsunternehmen bei Veränderungen der Rahmenbedingungen Interventionsmöglichkeiten bietet,
- die Berater kontinuierlich überprüfen, ob sich Anliegen und Ziele der Kunden (Auftraggeber und Klienten) im Verlauf des Beratungsprozesses verändern,
- Frühwarninstrumente existieren, um bestimmte Fehlentwicklungen zu vermeiden
- Instrumente und Methoden vorhanden sind, um in solchen Situationen zu reagieren,
- die Transparenz über die Rahmenbedingungen, unter denen die Beratung stattfindet, sehr hoch ist, und sie dabei ebenso ermöglicht, dass Dritte sowohl Vorgehen und Methoden als auch die Ergebnisse der Beratung beurteilen können und
- das Reporting aussagefähig und authentisch ist.
Diese genannten Faktoren bilden Zertifizierungen bislang nicht ab
Qualität aus Sicht der Klienten
Auftragsprojekte von Managementberatung bilden häufig die Konstellation ab, dass sie mit zwei oder mehreren Parteien zusammenarbeiten. Im Beispiel der Outplacement-Beratung sind dies der direkte Auftraggeber und seine ehemaligen Mitarbeiter (Klienten), die sich in einer Beratung zur beruflichen Neuorientierung befinden. Diese stellen aus ihrem Blickwinkel andere Erwartungen an Qualität als der Auftraggeber – auch unterscheiden sich ihre Erwartungen je nach der Phase der Beratung und der Entwicklung im persönlichen Umfeld. Hohe didaktische Fähigkeiten des Beraters sowie seine Motivationsfähigkeit werden von den Klienten als selbstverständlich vorausgesetzt. Als besondere Qualitätsmerkmale gelten für sie:
- Ein hohes Maß an Branchen- und Funktionswissen, auch über ihre eigenes berufliches Umfeld hinaus, sodass ein denkbarer Branchenwechsel unterstützt werden kann.
- Ein Höchstmaß an persönlicher Betreuung sowie an methodischer und strategischer Unterstützung.
- Das Einbringen strategischer Ideen und Impulse sowie ein emphatisches Verhalten.
Dabei variiert der Umfang der Unterstützung von Person zu Person. Manche Klienten benötigen mehr Struktur und einen gewissen Druck, um die berufliche Ziele zu verfolgen; andere genießen die Eigenbestimmtheit. Grundsätzlich hat die Beratung das Ziel, den Klienten in die Lage zu versetzen, seinen Berufsweg selbstverantwortlich zu gestalten und ihm die dazu erforderlichen Informationen und Kompetenzen, Einstellungen und Verhaltensweisen zu vermitteln.
Merkmale von Beratungsqualität im Wandel
Die Wahrnehmung von Beratungsqualität unterliegt einem Wandlungsprozess, der durch die Globalisierung und Digitalisierung der Wirtschaft, die eben auch neue Kompetenzprofile der Arbeitnehmer erfordert, vorangetrieben wird. Damit wächst die Komplexität der Projekte. Eine hohe Qualität der Beratung liegt im Sinne der Auftraggeber im Jahr 2017 dann vor, wenn Berater sowohl als sichere Prozesssteuerer agieren können als auch als Input-Geber, die nicht mehr in erster Linie Informationen bereitstellen, sondern gezielt im Auftragssinne selektieren können. Zur hohen Beratungsqualität zählen aktuell insbesondere Transparenz sowie schnelle und passende Reaktionen von Strategien und Maßnahmen bei veränderten Rahmenbedingungen. In diesem Bereich wird die Erwartung exponenziell zunehmen und Beratungsdienstleistungen mit hoher Qualität von denen mit durchschnittlicher Qualität unterscheiden.
Das Streben nach strukturierten und transparenten Prozessen kann allerdings auch dazu führen, dass Prozessqualität vor Inhalt geht. Dieser Fallstrick trifft in gleicher Weise Unternehmensberater wie Auftraggeber. Hier bleibt die Gradwanderung zwischen zwingend erforderlicher Prozessstruktur und flexible, auf individuelle Bedarfe reagierende Beratungsschritte eine wichtige Aufgabe.