Wenn Mitarbeiter die Mitarbeitergespräche führen

Personalmanagement

Die Stärken stehen im Mittelpunkt– und der Spaß an der Arbeit. Selbstgesteckte Ziele erhöhen die Motivation. Wie laufen solche Gespräche ab?

Bei dem agilen Beratungsunternehmen Borisgloger Consulting arbeiten die Mitarbeiter in selbstorganisierten Teams. Klassische Vorgesetzte gibt es nicht mehr. Die Folge: Auch das althergebrachte jährliche Mitarbeitergespräch ist passé. Um die positiven Aspekte eines solchen Gesprächs nicht zu verlieren, wird es im Unternehmen in einer anderen Form fortgeführt.

Voraussetzungen für ein Gespräch mit Kollegen

Wenn Mitarbeiter nicht mehr mit dem Vorgesetzten, sondern mit den unmittelbaren Kollegen über Erreichtes, Geplantes und Hürden sprechen, hat das zwei Vorteile: Zum einen eruiert es die wahren Ziele der interviewten Person. Zum anderen erhält die Organisation wertvolles Feedback und kann die Vorstellungen der Mitarbeiter in Einklang mit den Unternehmenszielen bringen.

Die Voraussetzungen für ein solches Gespräch gestalten sich unkompliziert: An einem Mitarbeitergespräch durch die Mitarbeiter nehmen jeweils drei Personen teil, die im Idealfall in der täglichen Arbeit Berührungspunkte haben. Dieses Gespräch kann auch remote stattfinden. Vorab legen sie fest, wer die jeweilige Rolle des Beobachters, des Fragenden und des Interviewten einnimmt.

Der Ablauf des Mitarbeitergesprächs

Das Gespräch beinhaltet drei Phasen. In diesen übernimmt der Interviewende den aktiven Part und stellt Fragen, während der Beobachter auf das Einhalten einer potentialorientierten Haltung achtet. Eine wertschätzende und empathische Kommunikation steht im Vordergrund, ebenso die Weiterentwicklung des interviewten Kollegen.

  • Phase 1: Positiver Rückblick

Die interviewende Person fragt den Kollegen nach den Höhepunkten und Erfolgen des vergangenen Jahres und was ihm besonderen Spaß bereitet hat. Als Interviewer sind Ihre Qualitäten als Zuhörer gefragt – in dieser Phase soll der Interviewte ehrlich über seine Erfahrungen im vergangenen Jahr erzählen. Ist er in seinen Aussagen unspezifisch, sind Rückfragen durch den Interviewer legitim.

  • Phase 2: Pläne für das kommende Jahr

In der zweiten Phase liegt der Fokus auf der Zukunft: Worauf möchte sich der Kollege im kommenden Jahr konzentrieren? Gibt es Schwerpunkte und Entwicklungsschritte – strebt er beispielsweise eine Beförderung an? Trägt das, was sich die Person vornimmt, zu den Zielen des Teams und der Organisation bei? Die Aufgabe der interviewenden Person ist es, den Fokus zu halten. Achten Sie in dieser Rolle darauf, dass die interviewte Person nicht fünfzehn verschiedene Dinge ins Spiel bringt. Falls dies der Fall sein sollte, bitten Sie den Kollegen, zu priorisieren.

  • Phase 3: Konkrete Ziele

Im letzten Schritt geht es darum, das Gehörte in Ziele und in ein Bild für das kommende Jahr zu übersetzen. Als Interviewer helfen Sie der Person in dieser Phase, konkret zu werden. Was möchte der Kollege erreichen und mit welchen Maßnahmen kann das gelingen? Gleichzeitig ist es die Aufgabe des Interviewers, die persönlichen Ziele des Kollegen in Einklang mit den Organisationszielen zu bringen. Fühlen Sie im Gespräch auch vor, welche Hindernisse gegebenenfalls im Weg stehen und welche Unterstützung benötigt wird.

Bei borisgloger consulting gibt es für bestimmte Themen „Führungs“-Verantwortliche (nicht zu verwechseln mit klassischen direkten Führungskräften), die es – angefangen bei unserem Gründer – als ihre Hauptaufgabe sehen, optimale Rahmenbedingungen bereitzustellen, damit sich jede Person bestmöglich entfalten kann.

Die Grafik zeigt die möglichen potenzialorientierten Fragen des Gesprächs in der jeweiligen Phase.

Besinnen Sie sich als Interviewer auf die Punkte in der ersten Phase zurück: Was hat der Person Spaß gemacht? Ist Ihr Eindruck, dass sich die Person etwas vornimmt, was sie von sich aus erreichen möchte? Psychologische Studien haben wiederholt herausgefunden, dass intrinsische Motivation, also das eigene Interesse und Vergnügen an einer Sache, die wichtigsten Faktoren sind, um selbstgesteckte Ziele tatsächlich zu erreichen.

Und nach dem Gespräch? Dann geht es vor allem darum, das Besprochene nachzuhalten: Der Interviewer bedankt sich bei der interviewten Person und bittet sie, die konkreten drei bis vier Ziele zu verschriftlichen und zu übermitteln. Dabei steht Reflexion im Vordergrund, nicht Kontrolle.

Konkret hat sich bei uns folgendes Vorgehen bewährt: Einmal pro Quartal setzen wir uns in der gewohnten Dreier-Konstellation zusammen und eruieren, wo der jeweilige Mitarbeiter aktuell steht: Was hast du gemacht, um deinen Zielen näherzukommen? Der Interviewende berichtet im Idealfall von einem Fortschritt, den der Interviewer positiv bestärkt. Es gilt in diesen Feedback-Gesprächen auch, herauszufinden, ob die gesteckten Ziele noch relevant sind oder den Mitarbeiter etwas hindert, die dafür erforderlichen Maßnahmen umzusetzen.

Der Ansatz von Appreciative Inquiry

Die Potentialorientierung und die Struktur des Gesprächs beruhen auf dem „Appreciative-Inquiry“-Ansatz. Speziell im deutschsprachigen Raum sind wir es gewohnt, auf das hinzuweisen, was nicht gut funktioniert. Appreciative Inquiry kehrt diesen Ansatz ins Gegenteil um: Was läuft gut? Wovon möchtest du in Zukunft mehr haben?

So basiert Appreciative Inquiry auf der Überzeugung, dass wir mit unserer Haltung, mit unserem Denken und mit dem, was wir sagen, die Welt um uns herum kreieren. Wir können über den täglichen Stress in der Firma sprechen oder uns über die gute Auftragslage und Produktivität freuen. Darauf baut auch das Mitarbeitergespräch auf: Phase 1 fokussiert das, was die Person schon kann. Im nächsten Schritt wird herausgearbeitet, was möglich wäre. In der dritten Phase betrachten die Beteiligten das, was in der Zukunft (anders) sein wird.

Der potenzialorientierte Ansatz hilft, das Mitarbeitergespräch wertschätzend und nach vorne gerichtet zu führen.

Fazit

Menschen erzielen bekanntlich Höchstleistungen, wenn sie sich mit Zielen auseinandersetzen, die sie interessieren und beschäftigen. Führungskräfte haben häufig eine (andere) Vorstellung davon, und versuchen, in diese Richtung zu lenken. Das Mitarbeitergespräch durch die Mitarbeiter setzt hingegen auf Eigenverantwortung. So muss ich als Mitarbeiter selbst festlegen, was ich erreichen möchte und kann mich nicht auf den bösen Chef berufen, wenn es nicht klappt. Diese Form des Mitarbeitergesprächs nimmt einerseits den positiven Aspekt der jährlichen Zielreflexion aus dem klassischen Gespräch auf und stärkt gleichzeitig die Eigenverantwortlichkeit der Mitarbeiter.

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Carsten Rasche, Borisgloger Consulting

Carsten Rasche

Carsten Rasche ist Senior Management Consultant bei Borisgloger Consulting. Er begleitet Unternehmen und Führungsteams bei agilen Transformationen und wendet agile Prinzipien im eigenen Unternehmen an.
Lucia Stiglmaier, Borisgloger Consulting

Lucia Stiglmaier

Lucia Stiglmaier ist Management Consultant bei Borisgloger Consulting. Sie begleitet Unternehmen und Führungsteams bei agilen Transformationen und wendet agile Prinzipien im eigenen Unternehmen an.

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