Arbeitgeber der öffentlichen Hand haben bei jungen Talenten ein Image-Problem. Die Finanzmarktaufsicht Liechtenstein zeigt, wie man das ändern kann.
Behörden, Ämter, Bundesländer, Kantone und Städte gehören zu den größten Arbeitgebern. Sie haben durch den hohen Altersdurchschnitt einen besonders großen Personalbedarf. Doch sie leiden mehr als andere unter Stereotypen der anvisierten Talente. Und tun meist nichts dagegen.
Zumindest lässt der Blick auf den Auftritt als Arbeitgeber das vermuten. Der verstaubte Außenwirkung ist besonders ärgerlich, weil so Vorbehalte bekräftigt statt abgebaut werden. Dabei lernt man bei öffentlich-rechtlichen Institutionen immer wieder pfiffige Leute kennen, die Lust darauf haben, etwas zu reißen. Ich mache fast nur gute oder sehr gute Erfahrungen mit Behörden und Ämtern in der Schweiz. Freundlich und bestrebt, einen wirklich guten Kundendienst zu bieten. Ist denn das so schwierig, das zu zeigen?
Besonders viele zum Abschauen schöne Inspirationen kann man bei der Finanzmarktaufsicht (FMA) Liechtenstein stibitzen. Dort ist ein gerade einmal dreiköpfiges HR-Team voller Elan dabei, immer noch ein wenig besser auf die Bedürfnisse der Zielgruppen einzugehen. Die Gruppe Kommunikation der FMA unterstützt und die GL trägt (fast immer) mit, was da immer wieder ausbaldowert wird. Richtiges Teamwork halt.
Warum eigentlich?
Wer HR-Leiter Martin Schädler nach dem „Warum?“ fragt, merkt schnell, dass hinter dem Vorgehen der FMA eine klare Strategie und nicht einfach nur die pure Lust an erfrischender Personalwerbung steckt. Die gehört sicher auch dazu, ist aber nicht die alleinige Triebfeder. „Unser Arbeitsmarkt ist klein und wir stehen in Konkurrenz mit großen Banken und Finanzdienstleistern, die als Arbeitgeber auch sehr attraktiv sind. Wir alle suchen ähnliche Profile, als Behörde müssen wir uns da besonders gut Gehör verschaffen.“
+++Martin Schädler spricht auch auf dem Personalmanagementkongress 2021 , der am 30. und 31. August in Berlin und digital stattfindet. Weitere Informationen und Tickets finden Sie hier.+++
Die Notwendigkeit für ein professionelleres und spektakuläreres Personalmarketing wurde Martin Schädler im Verlauf seines Masterstudiengangs so richtig klar. Er schrieb seine Masterarbeit zu diesem Thema, bekam intern Rückenwind und legte mit der Ausarbeitung der Employer Value Proposition (EVP) los. Damit wurde schon 2016 das Fundament für das Employer Branding gelegt.
Der Meilenstein: Die Karriere-Website
Die Karriere-Website ist der Hub, die Drehscheibe, im Personalmarketing der FMA. Das wichtigste Instrument überhaupt. Denn von hier aus werden die verschiedenen Aktivitäten ausgesteuert. Die Seite besticht durch viel Farbe. „Ganz schön bunt“, lacht Martin Schädler. „Wie die FMA“. Der „Asset“ einer Behörde liegt zwischen den Ohren ihrer Mitarbeitenden. Sie produziert nichts, ihr Wert ist der Nutzen für die Bevölkerung, die Wirtschaft, die Gemeinschaft. Und dieser Nutzen hängt einzig vom Engagement und dem Wissen der Menschen ab, die dort arbeiten. „Darum zeigen wir die Menschen, denn sie sind es, welche die FMA ausmachen. Sie sind unser ganzes Kapital. Und sie machen unseren besonderen Teamgeist aus. Meine über 100 Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen und ich, wir stehen gerne für die FMA ein. Darum zeigen wir gerne Gesicht“. War das nicht schwierig, alle vor die Kameralinse zu bewegen? „Nein“, blickt Schädler zurück, „entscheidend war sicher, dass wir einerseits ein klares Commitment und ein Vorangehen der GL hatten. Und dann haben wir allen Mitarbeitenden anlässlich einer Brown Bag Session über Mittag unseren Vorgehensplan und das Warum erklärt. Ich glaube, das war echt wichtig. Wenn man etwas von den Leuten will, muss man halt auch erklären warum. Und auch ein wenig die Werbetrommel rühren.“
Besonders clever: Die Bilder werden vom FMA-internen Fototeam gemacht. Das sind drei begeisterte Hobbyfotografen, die nun im Rahmen des Eintrittsprozesses ihre neuen Gspänli ablichten. Sympathisch. Und günstig und effizient. Gute Stichworte, um auf die Programmierung der Website zu sprechen zu kommen. Diese wurde nämlich nicht etwa von einer Agentur programmiert, sondern wie für die Liechtensteiner Behörden üblich von der landeseigenen Informatikabteilung. Mag sein, dass mit einer Microsite ein noch höherer Bling-Effekt möglich gewesen wäre. Und vielleicht auch eine noch einen Tick bessere User Experience. „Doch diese Lösung passt zu uns. Aufs Geld zu schauen hat bei uns einen sehr hohen Stellenwert.“, so Martin Schädler, der als Mitglied der Geschäftsleitung der FMA auch für deren Finanzen zuständig ist.
Den Dialog lernen: Social Media
Die neuen Medien, wie sie gerne noch von manchen genannt werden, sind längst Teil der alltäglichen Kommunikationsgewohnheiten der Zielgruppen. Darum ist für Martin Schädler keine Frage, die wichtigsten Medien auch zu nutzen. „Gerade hier ist eine gute und enge Zusammenarbeit mit der internen Gruppe Kommunikation wichtig. Denn zwangsläufig überschneiden sich Personal- und Unternehmensmarketing. Mein Tipp: Frühzeitig miteinander an den Tisch sitzen. Sich über die grundlegenden Zuständigkeiten einig werden. Und sich im Alltag eng abstimmen. Dann klappt’s“, rät Martin Schädler. Auch hier zentral: Das Commitment der Geschäftsleitung. Da hilft es natürlich, wenn wie im Fall der FMA ein CEO am Ruder sitzt, der selber zwar wenig auf sozialen Medien aktiv ist, aber die Größe hat, richtungsweisende Entscheide nicht am eigenen Nutzungsverhalten auszurichten. Darum bespielt die FMA seriös, und doch mit einer erfrischenden Leichtigkeit, vor allem Linkedin (über 2.300 Follower) und Instagram (schon über 300 Beiträge) und pflegt auf Kununu (über 90 Prozent Weiterempfehlungsrate) den Dialog mit den Mitarbeitenden.
Das Herzensprojekt: Der Karriere-Reiseblog
Eine der besonderen Herausforderungen für die FMA ist der Standort. Nicht, dass es in Vaduz und in Liechtenstein nicht schön wäre, im Gegenteil. Nur ist Vaduz für viele gut Qualifizierte peripher und die Standortvorteile nahezu unbekannt. Um das zu ändern, betreibt die FMA einen besonderen Reiseführer: den Karriere-Reiseblog. Auf diesem stellen Mitarbeitende der FMA ihre Lieblingsorte vor. Ob Museum, Ausflugsort oder Restaurant, der Blog ist Infotainment pur. Interessierte lernen so Land und Leute und die künftigen Arbeitskolleginnen und Arbeitskollegen kennen. Selbst die von klassischen Reiseführern bekannte „Bloß nicht“!-Rubrik fehlt nicht.
Tja, Budget sollte man haben, werden sich so manche nun denken. Von wegen, der Karriere-Reiseblog ist weitgehend ein Eigenbau. Website? Selbst gemacht auf Basis eines normalen WordPress-Templates. Die Inhalte? Von der Praktikantin produziert. „Der Blog war für mich eine Herzensangelegenheit“, sagt Martin Schädler. Ich liebe den Ort, wo ich mein ganzes Leben verbracht habe. Und ich liebe meinen Job. Im Blog kommt beides zusammen. Vermutlich ist er mir deshalb auch so ans Herz gewachsen. Er ist unsere wichtigste Quelle für unsere Social-Media-Kanäle.“ Kein Wunder, sorgt die kreative Idee sogar über die Landesgrenzen hinaus für Furore, der Karriere-Reiseblog der FMA wurde 2020 in Berlin vom Bundesverband der Personalmanager mit Silber ausgezeichnet.
Die Geschäftsleitung überzeugen
Was bringen all die schönen Ideen, wenn sie nicht „von oben“ mitgetragen werden? „Auch bei uns gibt es nichts geschenkt, weder Budget noch das grüne Licht für unsere Vorhaben. Auch bei uns muss man für seine Ideen kämpfen. Überzeugungsarbeit leisten. Netzwerken. Schlüsselpersonen mit Fakten vom Need überzeugen. Saubere Anträge stellen. Und ganz wichtig: Erfolge feiern, auch kleine. Erfolge sind Bestätigungen. Und jeder Erfolg erhöht den Vertrauensvorschuss für die nächste Idee. Und dann kann man sich immer ein wenig mehr aus dem Fenster lehnen, ohne dabei den Bogen zu überspannen. Schließlich muss es passen.“ Und Schädler weißt auch darauf hin, wie wichtig es ist, à jour zu bleiben und zu wissen, welche Trends „heiß“ sind. Oder es werden könnten. Und es dann einfach mal auszuprobieren. So wie kürzlich mit Podcasts.
Podcast: Die FMA für die Ohren
Neugierde scheint ganz einfach in der DNA der FMA zu liegen. Kein Wunder, experimentiert Martin Schädler auch mit Podcasts. Jede:r Dritte konsumiert diese in der Schweiz und in Deutschland bereits. „Ich finde es faszinierend, wie man selbst ohne Bilder Bilder in den Kopf der Zuhörerinnen und Zuhörer zaubern kann. Darum nehmen wir mit einem Podcast – oder eben: Jobcast – Interessierte mit auf eine auditive Tour-de-FMA. Diese können sich dann dem Rundgang anschließen, wann und wo auch immer sie Zeit und Lust darauf haben. Im Auto, im Zug, beim Geschirrspüler ausräumen. Jederzeit. Es ist fast wie ein Video – aber einfacher und schneller produziert.“ Der FMA-Jobcast ist keine „Standalone-Lösung“, er ist verzahnt mit den Vorteils-Bulletpoints in den Stelleninseraten. Und natürlich wurde er auch wieder als Content für Linkedin, Xing und Instagram genutzt.
Apropos Podcast: Sie wollen sich die Tipps rund um gutes Personalmarketing für Behörden später noch einmal anhören? Martin Schädler hat extra für Sie seine Ideenschätze in die Personalmarketing-Schatztruhe gelegt. Hören Sie sich hier den Podcast zum Thema an.
Man darf gespannt sein, was Schädler und sein Team als nächstes vorhaben.