Wenn Unternehmen ihre Mitarbeiter mit Getränken, Obst und Co. versorgen, werden die Auswirkungen auf Leistungsfähigkeit und Energielevel selten hinterfragt. Wer Leistung fordert und einen Beitrag zur Gesunderhaltung leisten will, muss passende Angebote schaffen.
Wo in früheren Zeiten nur Wasser, Kaffee und Tee zur Verfügung standen, sind die deutschen Bürotrakte heute prall gefüllt mit Obstkörben und einer breiten Auswahl an Getreidemüslis. Überall finden sich Snackboxen und es werden frische oder konservierte Smoothies gereicht. In den Berliner Digital-Start-ups hat sich gar der Glaube etabliert, ohne Versorgung mit Mate-Eistee könnten Softwareentwickler keine Zeile Code zustande bringen. Noch viel zu selten wird dieses Nahrungsangebot in Hinblick auf die Leistungsfähigkeit der Belegschaft hinterfragt.
Was ist eigentlich die Zielsetzung dieses Ernährungsangebots? Wenn wir das Employer Branding einmal außen vorlassen und uns nur auf die internen Absichten beschränken, dürfte es darum gehen, den Wohlfühlfaktor und damit die Zufriedenheit zu erhöhen. Aber konterkariert genau das nicht ein anderes zentrales Ziel? Im Betrieblichen Gesundheitsmanagement geht es schließlich darum, die Gesunderhaltung und die Erhöhung der Leistungsfähigkeit in den Mittelpunkt zu stellen. Und genau hier führen die meisten Ernährungsbenefits kilometerweit am Ziel vorbei.
Im Gegenteil, sie laufen der Erhaltung und dem Ausbau der Leistungsfähigkeit entgegen. Was eigentlich gut gemeint ist, hat in der langfristigen Wirkung oft ernstzunehmende Konsequenzen für die Konzentrationsfähigkeit, Energie und Gesundheit der Mitarbeiter. An den folgenden zwei Beispielen lässt sich das verdeutlichen.
Der Glaube, man tue sich mit dem Griff in den Obstkorb während der Arbeitszeit etwas Gutes, führt in die Irre. Im Gegenteil, die Denk- und Leistungsfähigkeit lässt überproportional nach. Wer sich zwischendurch einen kleinen Snack nicht verkneifen möchte, der sollte nicht zu zucker- und allgemein kohlenhydrathaltigen Snacks greifen. Geeignete Alternativen sind zum Beispiel Nüsse oder Mandeln. Dasselbe gilt für Softdrinks. Sowohl Fruchtsäfte, Limonaden als auch der bei Entwicklern so beliebte Mate-Eistee führen zu exakt demselben Effekt. Hier greift man also besser zu ungesüßten Tees und vor allem Wasser, wenn man seine Konzentration dauerhaft aufrechterhalten will.
Das zweite Beispiel, bei dem die gut gemeinte Unterstützung in der Umsetzung oft das Gegenteil bewirkt, ist die Kantine. Viele größere Unternehmen wollen ihren Mitarbeitern mit dem Verpflegungsangebot etwas Gutes tun. Da die Essenszubereitung aber in den wenigsten Fällen zum Kerngeschäft gehört, wird die Kantine meist von externen Dienstleistern betrieben. Und hier entsteht das Problem: Die Dienstleister sehen sich Wettbewerbsdruck ausgesetzt und ihre Preise werden von Einkaufsabteilungen gedrückt. So kann am Ende selten Qualität im Vordergrund stehen. Das Resultat: billiges Fleisch, Kartoffeln, Nudeln, etwas Gemüse und Wackelpudding zum Dessert.
Auch hier gilt: wer am Nachmittag im Kopf noch leistungsfähig sein will, um wichtige Entscheidungen zu treffen oder innovative Konzepte zu erstellen, der sollte sich genau anschauen, wo er zugreift. Es sind die übermäßigen Kohlenhydrate, die allmittäglich für das komatöse Ambiente in den Büros sorgen. Kohlenhydrate bestehen aus Zuckermolekülen und bewirken damit den oben beschriebenen Anstieg des Blutzuckerspiegels, der – wenn er abfällt – direkt ins Mittagstief führt.
Wer mit Energie durch den Tag kommen will, sollte darauf achten, dass Kohlenhydrate erst möglichst spät auf den Teller kommen. So bleibt vorher der Blutzuckerspiegel konstant und man kann konzentriert und fokussiert bleiben. Außerdem sollten gute Fettsäuren in den Speiseplan integriert werden. Insbesondere Omega-3-Fettsäuren versorgen das Gehirn mit Energie, die wir bei der Informationsflut heute benötigen, um fokussiert und nervenstark durch den Tag zu kommen. In der Kantine sollte also (unpanierter) Fisch, Salat mit Körnern, gute Fette aus Saaten, Nüssen oder Olivenöl, grünes Gemüse oder Suppen auf den Teller. Einfache Kohlenhydrate wie Weißmehlpasta lassen den Blutzuckerspiegel hingegena n- und absteigen. Kein Wunder also, wenn der Körper dann um 14 Uhr schon wieder nach Schokoriegel und Co. verlangt.
Angebote kritisch hinterfragen
Wenn Sie sich als HR-Manager für die Gesundheit und Leistungsfähigkeit Ihrer Mitarbeiter verantwortlich fühlen, dann gehört dazu mehr als nur ergonomisches Sitzen und eine jährlich vom HR-Praktikanten organisierte Gesundheitswoche. Bei allen Benefits und Angeboten im Bereich Gesundheit und Ernährung – auch wenn sie als vermeintliches Superfood deklariert sind – muss kritisch hinterfragt werden, inwieweit sie den Zielen des Unternehmens dienen oder sie gar konterkarieren. Die Entscheidung über die Art der Ernährung kann und darf man seinen Mitarbeitern nicht abnehmen, das wäre distanzlos und bevormundend. Aber welches Angebot es kostenfrei zur Verfügung stellt oder bezuschusst, liegt in der Verantwortung eines Unternehmens.
Bei der Frage, was Mitarbeiter gesund und leistungsfähig hält, stehen wir im Hinblick auf das Thema Ernährung in deutschen Unternehmen noch ganz am Anfang. Hier dominieren neben den vermeintlich gesunden Snacks immer noch die obligatorischen Kekse und Gummibärchen die Meetingräume. Doch klar ist: Wer Leistung von seinen Mitarbeitern fordert, muss sich auch in diesem hochkomplexen Feld der leistungsorientierten Ernährung Wissen aneignen und mit den Auswirkungen der eigenen Angebote kritisch auseinandersetzen.