4 aktuelle Urteile, die Personaler kennen sollten

Arbeitsrecht


Verdachtskündigung: Anhörungsfrist in Zeiten von #MeToo

Vor Ausspruch einer sogenannten Verdachtskündigung muss der Arbeitgeber den Arbeitnehmer anhören, in der Regel spätestens innerhalb einer Woche nach Bekanntwerden der Vorwürfe. Aber: Wie geht der Arbeitgeber vor, wenn die Kündigung auf einen internen Hinweis gestützt wird, der Betroffene, in diesem Fall eine belästigte Kollegin, aber um Vertraulichkeit gebeten hat? Ein längeres Abwarten führt nach Auffassung des BAG (Entscheidung vom 27. Juni 2019, 2 ABR 2/19) grundsätzlich nicht zum Fristablauf. Der Arbeitgeber hat der Betroffenen aber eine „angemessen kurze“ Frist zu setzen, während der sie erklären muss, ob sie auf die Vertraulichkeit verzichtet. In besonderen Umständen (hier: eine Erkrankung der Betroffenen) ist ein Verzicht auf die Fristsetzung zulässig. Das ist vom Ansatz her zu begrüßen. Die Einzelfallbetrachtung schafft aber Rechtsunsicherheit. Eine saubere Umsetzung in Whistleblowing-Prozeduren oder Ähnlichem wird nur schwer möglich sein.

Arbeitnehmerüberlassung: Bezugnahme auf Tarifvertrag und Equal Pay

Wer Arbeitnehmer an Dritte überlässt, muss den Equal-Pay-Grundsatz beachten. Eine Ausnahme kann ein Tarifvertrag der Zeitarbeitsbranche sein. Existiert er, darf eine Abweichung vom Equal Pay durch einzelvertragliche Bezugnahme vereinbart werden. Die Versuchung für den Arbeitgeber ist groß, auf die niedrigeren Tarifgehälter zu verweisen, aber die übrigen Vorschriften außen vor zu lassen. Dem hat das BAG eine Absage erteilt. Damit eine Bezugnahme den Anspruch auf Equal Pay ausschließe, müsse der Tarifvertrag vollständig in Bezug genommen werden.

Altersdiskriminierung: Kein Verstoß durch Suche nach „Berufseinsteigern“

Stellenausschreibungen müssen wohlüberlegt formuliert sein. Andernfalls droht ein haftungsträchtiger Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot. Die Suche nach „Berufseinsteigern“ stellt nach Auffassung des LAG Hessen (Entscheidung vom 28. Mai 2019 – 15 Sa 116/19) keine Altersdiskriminierung dar. Der Begriff Berufseinsteiger spreche nicht zwangsläufig nur junge Menschen an, die in ihr Berufsleben starteten. Erfasst seien auch Menschen, die schon im Berufsleben stehen und sich beruflich neu orientieren. Somit handele es sich um ein neutrales Kriterium, durch das Bewerber nicht unterschiedlich behandelt würden.

Kündigung: Zustellungszeitpunkt bei Einwurf in den Briefkasten

Bislang war ungeklärt, bis wann eine Kündigung in den Briefkasten eingeworfen werden muss, damit sie noch am selben Tag als zugestellt gilt. Zu dieser Frage hatte sich kürzlich das Bundesarbeitsgericht (BAG) zu äußern. In seiner Entscheidung (22. August 2019, 2 AZR 111/19) griff es den bekannten Grundsatz der Verkehrsanschauung auf, wann ein Empfänger üblicherweise den Briefkasten leert. Die Hoffnung, das BAG werde insoweit Klarheit bringen, erfüllte sich leider nicht. Diese Anschauung, so das BAG, kann regional unterschiedlich ausfallen. Wer Dokumente fristgerecht zustellen muss, sollte diese also vorsorglich nicht erst am letzten Tag, jedenfalls aber im Laufe des Vormittags in den Briefkasten einwerfen.

Dieser Beitrag erschien zuerst in der gedruckten Ausgabe Neuro. Das Heft können Sie hier bestellen.

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Christoph Seidler

Osborne Clarke
Christoph Seidler ist Fachanwalt für Arbeitsrecht bei Osborne Clarke in Hamburg. Sein Beratungsschwerpunkt liegt in betriebsverfassungs-rechtlichen Fragen, insbesondere im Kontext von New Work und Arbeitsrecht 4.0.

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