Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am23. Mai 2018 entschieden: Eine Zeitspanne, während derer ein Besatzungsmitglied der Deutschen Lufthansa AG weder arbeiten noch dem Arbeitgeber zur Verfügung stehen muss, kann gleichzeitig Erholungsurlaub und Ruhezeit sein.
Die Klägerin ist als Kabinenchefin bei der Deutschen Lufthansa AG beschäftigt. Diese plant den Einsatz der Klägerin monatlich in sogenannte Umläufe (Flüge über einen oder mehrere Tage). Die daran anschließende Ruhezeit fiel mehrfach ganz oder teilweise in den Zeitraum des bereits genehmigten Erholungsurlaubs der Klägerin. Die Kabinenchefin sah hierin einen Verstoß gegen Bestimmungen des Manteltarifvertrags (MTV) Nr. 2 für das Kabinenpersonal der Deutschen Lufthansa AG, nationales Gesetzesrecht und (europäisches) Unionsrecht.
BAG: Ruhezeit und Erholungsurlaub können sich überschneiden
Das BAG folgte der Auffassung der Kabinenchefin nicht. Maßgebliche Voraussetzung für Ruhezeit und Erholungsurlaub sei, dass der Arbeitnehmer von der Verpflichtung zur Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt werde. Daher kann eine Zeitspanne, während derer das Besatzungsmitglied weder arbeiten noch dem Arbeitgeber in einer sonst denkbaren Form – etwa Bereitschaft oder Reserve – zur Verfügung stehen muss, Erholungsurlaub und Ruhezeit sein. Der MTV regelt, dass die Ruhezeit zweckentsprechend, d.h. eben zur Ruhe genutzt werden soll. In dieser Zeitspanne soll der Arbeitnehmer von den Belastungen der Arbeit befreit werden und seinen Freizeitbedürfnissen entsprechen können.
Argumentation der Kabinenchefin reicht nicht
Auf das Argument der Kabinenchefin, sie dürfe in der Ruhezeit etwa keinen Alkohol trinken und sei daneben in Freizeit – und Sportaktivitäten eingeschränkt, musste das Gericht im vorliegenden Fall nicht näher eingehen. Die Klägerin hätte hierfür noch konkreter, – substantiiert – vorgetragen müssen. Im Übrigen sei das Erfordernis zum Arbeitsantritt einsatzfähig zu sein, laut dem BAG eine Selbstverständlichkeit und bestehe unabhängig davon, ob die Klägerin vorher eine Ruhezeit hatte oder in Erholungsurlaub war.
Warum gab es keine Vorlage zum EuGH?
Das BAG hat dem EuGH die Frage nicht vorgelegt (Art. 267 AEUV) Die Entscheidung sei offenkundig mit den Mindeststandards des Unionsrechts vereinbar. Das Unionsrecht schafft keinen höheren Schutz als das nationale oder tarifvertragliche Recht in Deutschland hinsichtlich der Ruhezeit.
Positive und richtige Entscheidung des Arbeitgebers
Eine positive Entscheidung für Arbeitgeber! Sie müssen Ruhezeit und Erholungszeit nicht doppelt gewähren, sondern beides kann zusammenfallen. Alles andere wäre – jedenfalls in diesem Fall – eine künstliche Aufspaltung einer arbeitsfreien Zeitspanne.
Ist das letzte Wort gesprochen?
Ja und Nein. Die Entscheidung klärt die Grundsatzfrage, dass Ruhezeit und Erholungsurlaub sich „überlappen“ können. In dem Einzelfall muss jedoch immer geprüft werden, ob die Ruhezeit auch tatsächlich zur Erholung bzw. zum „Ausruhen“ genutzt werden kann. Sollten beispielsweise Dienstanweisungen und Tarifregelungen dem Arbeitnehmer so viele Pflichten auferlegen, dass er sich faktisch nicht „erholen“ kann, sollten Arbeitsgerichte die Sach- und Rechtslage anders bewerten. Diese Einschränkungen muss der Arbeitnehmer aber eben auch konkret darlegen und beweisen.