Aufhebungsvertrag: Eine sichere Alternative zur Kündigung?

Arbeitsrecht

Schließen Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Aufhebungsvertrag ab, erklären sich beide Vertragsparteien damit einverstanden, dass der Arbeitsvertrag zum vereinbarten Zeitpunkt endet. Gemäß § 623 BGB ist für den wirksamem Vertragsschluss erforderlich, dass die gesetzliche Schriftform eingehalten wird – der Aufhebungsvertrag muss also von beiden Vertragsparteien eigenhändig unterzeichnet werden (§ 126 BGB). Mit dieser Formvorgabe soll unter anderem auch ein Schutz vor Übereilung gewährleistet werden.

Obwohl somit eine schriftlich fixierte Einigung vorliegt, wird die Rechtsprechung regelmäßig mit der Frage beschäftigt, ob ein Aufhebungsvertrag wirksam zustande gekommen ist. Dies gilt vor allem – aber nicht nur – in Fallkonstellationen, in denen der Aufhebungsvertrag abgeschlossen wurde, um den Ausspruch einer verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung zu vermeiden.

Anhand des aktuellen Urteils des LAG Hamm vom 23.November 2020, Az.: 1Sa1878/19 wird dargestellt, unter welchen Voraussetzungen ein abgeschlossener Aufhebungsvertrag wieder aus der Welt geschaffen werden kann, was zur Folge hat, dass das Arbeitsverhältnis nicht wie vereinbart endet. Arbeitgeber sollten diese Situationen bei Abschluss eines Aufhebungsvertrags also vermeiden.

I. Sachverhalt (verkürzt), der dem LAG Hamm vorlag:

Ein langjähriger und stets beanstandungsfrei beschäftigter Arbeitnehmer, für den der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz galt, wurde vom Personalleiter und dem technischen Leiter zu einem Personalgespräch gebeten. In dem Personalgespräch wurde das Verhalten des Arbeitnehmers beanstandet, ohne dass die Beanstandungen das Gewicht hatten, eine verhaltensbedingte Kündigung zu rechtfertigen. Dem Arbeitnehmer ist vom Personalleiter dennoch jedenfalls mitgeteilt worden, dass er die Wahl habe, entweder ordentlich gekündigt zu werden oder einvernehmlich unter bezahlter Freistellung einen Aufhebungsvertrag abzuschließen.

II. Anfechtung des Aufhebungsvertrags

Will ein Arbeitnehmer die Entscheidung zum Abschluss eines Aufhebungsvertrags nachträglich wieder beseitigen, wird in der Regel die Anfechtung des Aufhebungsvertrags (präziser: der Annahme des Aufhebungsvertragsangebots) angefochten. Vor allem wenn der Aufhebungsvertrag abgeschlossen wird, um eine verhaltensbedingte ordentliche oder außerordentliche Kündigung zu vermeiden, wird die Anfechtung in der Regel mit einer widerrechtlichen Drohung begründet.

  1. Die ständige Rechtsprechung – so auch das LAG Hamm im Urteil vom 23.November 2020 – geht davon aus, dass das Inaussichtstellen des Ausspruchs einer Kündigung eine Drohung darstellen kann. Für diese Bewertung unerheblich ist, ob eine ordentliche oder eine außerordentliche Kündigung in Aussicht gestellt wird. Beides kann ein empfindliches Übel und somit eine Drohung darstellen.
  2. Widerrechtlich ist die Drohung nach der Rechtsprechung aber nur, wenn ein verständiger Arbeitgeber den Ausspruch der Kündigung in der konkreten Situation nicht ernsthaft in Betracht gezogen hätte. Dem Arbeitgeber fehlt in diesen Fällen das berechtigte Interesse, den Ausspruch der Kündigung in Aussicht zu stellen. Das berechtigte Interesse an der Kündigungsandrohung besteht aber nicht erst, wenn sich die angedrohte Kündigung hypothetisch in einem Kündigungsschutzprozess auch als rechtswirksam erweisen würde. Widerrechtlich ist die Kündigungsandrohung hingegen, wenn der Arbeitgeber unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalls davon ausgehen musste, dass die angedrohte Kündigung – müsste sie ausgesprochen werden – einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht standhält. Die Widerrechtlichkeit der Drohung ergibt sich also in der Regel aus der fehlenden Adäquanz von Mittel und Zweck.
  3. Schließlich hat das LAG Hamm erkannt, dass die Kündigungsandrohung im konkreten Fall für den Abschluss des Aufhebungsvertrags ursächlich war, da der Arbeitnehmer einer fremden Willensbestimmung nachgegeben hat. Gegen die widerrechtliche Drohung kann also sprechen, wenn der Arbeitnehmer den Aufhebungsvertrag nach eigner, selbständiger Überlegung abschließt. In diesem Zusammenhang kann von Bedeutung sein, ob dem Arbeitnehmer vor dem Abschluss eine Bedenkzeit eingeräumt und wie die Bedenkzeit genutzt wurde. Die Ursächlichkeit wird dabei aber nicht bereits dadurch aufgehoben, dass der Arbeitnehmer vor Abschluss des Aufhebungsvertrags überhaupt Bedenkzeit hat (vergleiche BAG, Urteil vom 28.November 2007, Az.:6AZR1108/06). Wenn der Arbeitnehmer die Bedenkzeit dazu genutzt hat, die Konditionen des Aufhebungsvertrags gemäß den eigenen Vorstellungen nachzuverhandeln und ausreichend Bedenkzeit eingeräumt wurde, um sich Rechtsrat einzuholen, spricht dies aber dafür, dass die Drohung für die Willensbildung nicht mehr ursächlich war.
  4. Das LAG Hamm erkannte in seinem Urteil vom 23.November 2020 im Ergebnis, dass die Voraussetzungen der Anfechtung aufgrund widerrechtlicher Drohung erfüllt waren. Das Gericht stellte fest, dass der Personalleiter in dem Gespräch davon ausgehen musste, dass die angedrohte ordentliche verhaltensbedingte Kündigung mit hoher Wahrscheinlichkeit einer arbeitsgerichtlichen Überprüfung nicht standgehalten und ein verständiger Arbeitgeber in dieser konkreten Situation den Ausspruch einer verhaltensbedingten Kündigung nicht in Erwägung gezogen hätte.

III. Das Gebot des fairen Verhandelns

Zwar war es für die Entscheidung des LAG Hamm vom 23.November 2020 wegen der erfolgreichen Anfechtung nicht entscheidungserheblich. Dennoch wurde es in den Entscheidungsgründen erwähnt: Das Gebot fairen Verhandelns.

Das BAG belebte das Gebot fairen Verhandelns in seinem Urteil vom 7.Februar 2019, Az.:6AZR75/18 wieder und stellte fest, dass eine vorvertragliche Nebenpflicht besteht, die Arbeitnehmer noch unter der Schwelle der Geschäftsunfähigkeit und der Willensmängel bei der Anbahnung eines Aufhebungsvertrags schützt. Gegen die vorvertragliche Nebenpflicht, die das BAG Gebot fairen Verhandelns nennt, kann eine Verhandlungsseite verstoßen, indem sie eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt, die eine unfaire Behandlung des Vertragspartners darstellt. Nach dem BAG besteht somit eine Untergrenze für den fairen Umgang in den Verhandlungen über einen Aufhebungsvertrag.

Dem Urteil des BAG können auch Beispiele entnommen werden, wodurch ein Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns entstehen kann.

Mit dem Gebot fairen Verhandelns soll noch vereinbar sein, wenn dem Arbeitnehmer in den Vertragsverhandlungen keine Bedenkzeit eingeräumt wird oder auch wenn kein Rücktritts- oder Widerrufsrecht besteht. Ebenso wenig soll zu beanstanden sein, wenn das Angebot zum Abschluss des Aufhebungsvertrags nicht im Vorfeld angekündigt und überraschend unterbreitet wurde.

Einen Verstoß stellt es hingegen dar, wenn eine psychische Drucksituation geschaffen wird, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners erheblich erschwert oder sogar unmöglich macht. Dies kann bei der Schaffung eines Umfeldes begründet sein, welches stark ablenkt oder dass eine körperliche und/oder psychische Schwäche ausnutzt. Ebenso kann die Ausnutzung fehlender Sprachkenntnisse sowie eine Überrumpelung des Vertragspartners einen Verstoß gegen das Gebot darstellen.

Im Urteil vom 7. Februar 2019 hielt das BAG einen Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns für naheliegend, da der Aufhebungsvertrag hier abgeschlossen wurde, als die Arbeitnehmerin erkrankt zuhause im Bett lag und dort von ihrem Arbeitgeber zum Zwecke der Einholung der Unterschrift aufgesucht wurde. Auch das LAG Mecklenburg-Vorpommern hat im Urteil vom 19.Mai 2020, Az.: 5 Sa 173/19 das Gebot fairen Verhandelns bemüht und dem Arbeitnehmer wegen der Verletzung der Nebenpflicht einen Schadensersatzanspruch zugesprochen, der darauf gerichtet war, den Arbeitnehmer so zu stellen, als wäre es nicht zu dem Vertragsabschluss gekommen. Im Ergebnis wurde also der Aufhebungsvertrag rückgängig gemacht und das Arbeitsverhältnis zu den bisherigen Bedingungen fortgeführt.

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Pascal Verma ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei nbs Partners 

Pascal Verma

Pascal Verma ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei nbs Partners in Hamburg. Seine Tätigkeits- und Beratungsschwerpunkte liegen im Arbeitsrecht und im Datenschutzrecht.

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