Beschäftigte im Renten­alter: Was Unter­nehmen beachten müssen

Arbeitsrecht

Erwerbstätige werden älter

Das Statistische Bundesamt hat eine aktuelle Hochrechnung zur Entwicklung der Altersstruktur bei Erwerbstätigen vorgelegt. Die Statistik zeigt, dass die Zahl der älteren Erwerbstätigen stark zunehmen wird. Bereits in zehn Jahren, so das Bundesamt, gibt es zwischen 1,5 bis 2,4 Millionen Erwerbspersonen zwischen 65 und 74 Jahren.

Was bedeutet das für Unternehmen in der Umsetzung? Wie müssen beziehungsweise können Verträge mit Arbeitnehmern gestaltet werden, die das Rentenalter erreicht haben? Wie wirkt sich eine veränderte Mitarbeiterstruktur vielleicht auf die Sozialauswahl aus, wenn eine Restrukturierung anstünde? Und was ändert sich in der Sozialversicherung?

1. Arbeitsrecht

Das Arbeitsverhältnis mit einem Rentner[1] unterscheidet sich in arbeitsrechtlicher Hinsicht grundsätzlich nicht von einem „normalen“ Arbeitsverhältnis: Der Rentner hat Anspruch auf bezahlten Erholungsurlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und an Feiertagen, genießt Kündigungsschutz und hat auch sonst die bekannten Rechte. Ein paar Besonderheiten gibt es aber doch, die HR kennen sollte.

Besteht mit dem (potenziellen) Rentner bereits ein Arbeitsverhältnis, gilt folgendes:

  • Kein automatisches Ende: Sein Arbeitsverhältnis endet nicht automatisch mit Erreichen der Regelaltersgrenze, sondern nur dann, wenn das im Arbeits- /Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung so vorgesehen ist. Fehlt diese Vereinbarung, läuft das Arbeitsverhältnis über den Termin der Regelaltersgrenze hinaus einfach weiter und kann nur durch Aufhebungsvertrag oder Kündigung beendet werden. Eine Kündigung allein wegen der Möglichkeit zur Inanspruchnahme einer Altersrente ist unzulässig (§ 41 Satz 1 SGB VI).
  • „Hinausschiebensvereinbarung“: Endet das Arbeitsverhältnis eigentlich mit Erreichen der Regelaltersgrenze, tun sich Arbeitgeber manchmal schwer, das Arbeitsverhältnis weiterlaufen zu lassen. Sie befürchten, dass es dann nur noch sehr schwer beendet werden kann. Hier wollte der Gesetzgeber mit flexibleren Altersgrenzen helfen und hat § 41 Satz 3 SGB VI geschaffen: Der Beendigungszeitpunkt „Regelaltersgrenze“ kann (auch mehrfach) hinausgeschoben werden. Das müssen die Arbeitsvertragsparteien während des noch laufenden Arbeitsverhältnisses allerdings vereinbaren. Die Vereinbarung sollte schriftlich festgehalten werden. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat sich mit dieser Regelung bereits befasst. Er hält sie nicht für altersdiskriminierend und sieht sie auch im Einklang mit der europäischen Befristungsrichtlinie (EuGH,Urteilv.28. Februar 2018–Rs. C-46/17).

Anders ist es, wenn (ehemalige) Arbeitnehmer im Rentenalter neu eingestellt werden sollen.

  • Bei einer unbefristeten Beschäftigung gibt es keine Besonderheiten.
  • Soll das Arbeitsverhältnis befristet werden, gelten ebenfalls die allgemeinen Regeln: Handelt es sich um eine Neueinstellung, weil zuvor noch kein Arbeitsverhältnis mit dem Rentner bestanden hat; kann eine sachgrundlose Befristung bis zur Dauer von zwei Jahren vereinbart werden. Oder es gibt für die Befristung einen sachlichen Grund.
  • Für ältere Arbeitnehmer ab dem 52. Lebensjahr, die vor Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses mindestens vier Monate arbeitslos, in einer Transfergesellschaft oder in einer öffentlich geförderten Beschäftigungsmaßnahme waren, sieht das Teilzeit- und Befristungsgesetz die Möglichkeit einer sachgrundlosen Befristung bis zu fünf Jahren vor (§ 14 Abs. 3 TzBfG). Diese Voraussetzungen liegen aber bei einem Rentner, der bereits die Regelaltersgrenze erreicht hat, nicht vor. Deshalb kommt dieser Befristungsgrund nicht in Betracht.

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit einem Rentner folgt ebenfalls den bekannten Regeln. Bei der Sozialauswahl im Rahmen einer betriebsbedingten Kündigung ist jedoch zu berücksichtigen, dass mit höherem Lebensalter nicht zwangsläufig eine höhere Schutzbedürftigkeit gegeben ist. Ein Rentner, der bereits einen Anspruch auf Altersrente hat, ist nämlich deutlich weniger schutzwürdig als ein Arbeitnehmer, der noch keine Altersrente beanspruchen kann (vgl. dazu BAG,Urt.v.27. April 2017–2 AZR 67/16).

2. Sozialversicherung

In der Sozialversicherung werden Rentner besonders behandelt:

  • Rentenversicherung: Ab Erreichen der Regelaltersgrenze besteht in der gesetzlichen Rentenversicherung Versicherungsfreiheit, wenn der Arbeitnehmer eine Altersvollrente Dies gilt unabhängig davon, ob er daneben noch ein Arbeitsverhältnis hat und ob die Beschäftigung geringfügig ist (sogenannter „Minijob“) oder nicht. Allerdings wirkt sich das nur auf die Beitragspflicht des Rentners aus, die entfällt. Der Arbeitgeber muss trotzdem weiterhin die Hälfte des Beitrags – oder den Pauschalbeitrag von 15 Prozent bei einem Minijob – zahlen, der im Fall einer Versicherungspflicht zu zahlen wäre (§ 172 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI). Die Beiträge des Arbeitgebers wirken sich für den Rentner nicht rentenerhöhend aus.

Wird aber nur eine Altersteilrente bezogen, besteht weiterhin Versicherungspflicht. In diesem Fall tragen Beschäftigter und Arbeitgeber die Beiträge wie üblich jeweils zur Hälfte.

  • Arbeitslosenversicherung: Versicherungsfreiheit besteht für Beschäftigte ab Erreichen der Regelaltersgrenze auch in der Arbeitslosenversicherung (§ 28 Abs. 1 Nr. 1 SGB III). Auch hier muss der Arbeitgeber trotzdem die Hälfte des Beitrags zahlen, der im Fall einer Versicherungspflicht zu zahlen wäre. Um die Beschäftigung von Rentnern jedoch attraktiver zu machen, entfällt dieser Arbeitgeberanteil vorübergehend noch bis 31.12.2021 (§ 346 Abs. 3 Satz 1 SGB III).
  • Hinsichtlich der Kranken- und Pflegeversicherung gibt es für Rentner grundsätzlich keine Besonderheiten. Zu beachten ist aber, dass neben dem Arbeitsentgelt auch die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung der Beitragsbemessung zu Grunde gelegt wird (§ 226 Abs. 1 Nr. 2 SGB V). Der Arbeitgeber muss sich also den Rentenbescheid geben lassen. Da die Rentner keinen Anspruch auf Krankengeld haben (§ 50 Abs. 1 Nr. 1 SGB V) gilt allerdings der ermäßigte Beitragssatz von 14Prozent (§ 243 SGB V).

[1] Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich der leichteren Lesbarkeit halber wird bei allen Bezeichnungen nur die grammatikalisch männliche Form verwendet. (Anmerkung der Autorin)

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Martina Hidalgo, Rechtsanwältin CMS

Martina Hidalgo

Rechtsanwältin Martina Hidalgo ist Partnerin in der Wirtschaftskanzlei CMS Hasche Sigle in Deutschland. Sie ist Fachanwältin für Arbeitsrecht und Leiterin des Geschäftsbereichs Arbeitsrecht. Frau Hidalgo ist spezialisiert auf den Bereich des Individual- und Kollektivarbeitsrechts einschließlich angrenzender sozialversicherungsrechtlicher Themen. Philipp Zimmermann ist Rechtsreferendar der Kanzlei.

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