Durch die Corona-Pandemie ist auch das Thema Homeoffice in den Fokus geraten. Arbeiten Beschäftigte zu Hause, werden Kontakte am und auf dem Weg zum Arbeitsplatz vermieden, das Ansteckungsrisiko wird reduziert. Doch obwohl nach einer Schätzung des ifo Instituts circa 56 Prozent der Beschäftigten in Deutschland ihre Arbeit zumindest teilweise im Homeoffice erbringen könnten, haben im März 2021 – so das Institut – nur 31,7 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu Hause gearbeitet. Das Homeoffice-Potenzial scheint noch nicht ausgeschöpft. Ob die am 23. April 2021 in Kraft getretenen Neuregelungen im Infektionsschutzgesetz (IfSG) hieran etwas ändern, bleibt fraglich.
Neuregelungen zur Arbeit im Homeoffice
Im Zuge der bundeseinheitlichen „Notbremse“ hat der Gesetzgeber das IfSG, unter anderem durch Regelungen zum Thema Homeoffice, erweitert. Nach dem neuen §28b IfSG bleibt der Arbeitgeber (weiterhin) verpflichtet, der Belegschaft nach Möglichkeit anzubieten, zu Hause zu arbeiten. Eine weitgehend identische Regelung, die durch die Verortung im IfSG zusätzliche Legitimität erhalten soll, war bislang in der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) enthalten. Das IfSG geht aber noch einen Schritt weiter und wendet sich erstmals auch an die Beschäftigten. Diese werden aufgefordert, das Angebot des Arbeitgebers auf Homeoffice-Arbeit anzunehmen.
Homeoffice-Pflicht für Beschäftigte?
Eine zwingende Verpflichtung der Beschäftigten, fortan das Büro zu meiden und die Arbeit stattdessen in die eigene Wohnung zu verlagern, ist mit der Neuregelung jedoch nicht verbunden. Schließlich sollen Mitarbeitende nur dann im Homeoffice arbeiten, soweit „ihrerseits keine Gründe entgegenstehen“. Dieser Zusatz eröffnet der Belegschaft die Möglichkeit, das Homeoffice-Angebot abzulehnen. Nach der Gesetzesbegründung soll hierzu eine (formlose) Mitteilung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers ausreichen, mit der sie oder er der Führungskraft zu erkennen gibt, dass das Arbeiten von zu Hause aus nicht möglich ist. Dabei kann die Gesetzesbegründung so interpretiert werden, dass die Person keinerlei Gründe benennen muss. Die Formulierung ist hier aber nicht eindeutig. Vor diesem Hintergrund kann es in der Praxis für Beschäftigte empfehlenswert sein, den Arbeitgeber – was arbeitgeberseitig teilweise bereits verlangt wird –vorsorglich über die Ablehnungsgründe zu informieren.
An bestimmte oder „zwingende“ Gründe sind Mitarbeitende ausweislich des Gesetzeswortlauts aber nicht gebunden. Lediglich beispielhaft wird in der Begründung aufgeführt, dass etwa beengte räumliche Verhältnisse, unzureichende technische Ausstattung (zum Beispiel fehlendes oder „schwaches“ Internet) oder etwaig zu befürchtende Störungen durch Dritte (zum Beispiel Kinder oder andere Mitbewohner) der Homeoffice-Arbeit entgegenstehen können.
Keine Verschärfung der Angebotspflicht
- 28b IfSG vermittelt Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern keinen gesetzlichen Homeoffice-Anspruch, der Arbeitgeber bleibt lediglich verpflichtet, das Homeoffice anzubieten. In dieser Hinsicht hat sich durch die Verlagerung der Regelung aus der Corona-ArbSchV in das IfSG nichts geändert. Aber auch die Angebotspflicht gilt nicht unbegrenzt. Vielmehr muss der Arbeitgeber eine entsprechende Offerte nur für Büroarbeiten oder vergleichbare Tätigkeiten unterbreiten. Darüber hinaus greift die Verpflichtung nur dann, wenn der Arbeit im Homeoffice keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen. Solche Gründe sind insbesondere dann denkbar, wenn eine Verlagerung der Tätigkeit in die Wohnung des Arbeitnehmers beziehungsweise der Arbeitnehmerin dazu führt, dass der übrige Betrieb nur eingeschränkt oder überhaupt nicht mehr aufrechterhalten werden kann. Somit kann es zum Beispiel erforderlich sein, dass mit der Büroarbeit verbundene Nebentätigkeiten, etwa die Bearbeitung und Verteilung der eingehenden Post vor Ort, im Büro erbracht werden. Rein technische oder organisatorische Gründe sollen nach der Gesetzesbegründung nur vorübergehend als zwingende betriebliche Gründe angeführt werden können.
Handlungsempfehlung für Arbeitgeber
Arbeitgeber sollten für jeden Betrieb zunächst untersuchen, ob die dort verrichteten Aufgaben als Büroarbeit oder vergleichbare Tätigkeit überhaupt – ganz oder teilweise – von zu Hause aus erledigt werden können. Ist das grundsätzlich der Fall, ist in einem zweiten Schritt zu klären, ob der Arbeit im Homeoffice zwingende betriebsbedingte Gründe entgegenstehen. Sofern ein dezentrales Arbeiten danach noch in Betracht kommt, empfiehlt es sich, aktiv auf die einzelnen Mitarbeitenden zuzugehen und ihnen ausdrücklich anzubieten, zu Hause zu arbeiten. Um auf etwaige Nachfragen der zuständigen Behörden reagieren zu können, ist es ratsam, die einzelnen Schritte zu dokumentieren. Dies gilt insbesondere auch für etwaige betriebsbedingte Gründe, aufgrund derer der Arbeitgeber von einem Homeoffice-Angebot absieht.
Keine weitergehenden Kontrollpflichten
Auch wenn das IfSG eine solche Verpflichtung nicht unmittelbar vorsieht, kann es überdies hilfreich sein, die Reaktion der Beschäftigten, das heißt die Annahme oder Ablehnung des Homeoffice-Angebots (gegebenenfalls nebst Ablehnungsgründen) schriftlich festzuhalten. Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitgeber darüber hinaus die Rechtmäßigkeit einer Ablehnung des Homeoffice-Angebots – womöglich durch Besichtigung der konkreten Wohnsituation – prüfen müsste, sind weder dem Gesetzeswortlaut noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen.
Resümee und Ausblick
Entgegen dem ersten Anschein hat sich durch die Neuverortung der Homeoffice-Regelung im IfSG nicht viel geändert. Zwar sind Beschäftigte nun ausdrücklich angehalten, soweit möglich, zu Hause zu arbeiten – eine zwingende Homeoffice-Pflicht lässt sich dem Gesetz aber nicht entnehmen. Auch eine unmittelbare Sanktionierung von Verstößen gegen die Homeoffice-Vorschrift ist bislang nicht vorgesehen. Ob die Regelung vor diesem Hintergrund dazu beitragen kann, die Homeoffice-Quote zu steigern oder sich als zahnloser Tiger entpuppt, bleibt abzuwarten. Sie gilt jedenfalls solange, wie der Bundestag eine epidemische Lage von nationaler Tragweite feststellt, längstens bis zum Ablauf des 30. Juni 2021.