Plant der Arbeitgeber die Durchführung einer Massenentlassung, treffen ihn nach § 17 KSchG Anzeigepflichten gegenüber der Agentur für Arbeit sowie Unterrichtungspflichten gegenüber dem zuständigen Betriebsrat. Die ordnungsgemäße Unterrichtung des Betriebsrats ist von großer praktischer Bedeutung, da Fehler bei der Unterrichtung grundsätzlich zur Unwirksamkeit der Massenentlassungsanzeige und damit auch der auszusprechenden Kündigungen führen. Unter gewissen Umständen können Fehler bei der Betriebsratsunterrichtung allerdings geheilt werden, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer aktuellen Entscheidung (9. Juni 2016 – 6 AZR 405/15) entschieden hat.
Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat im Vorfeld einer Massenentlassungsanzeige über die in §17 Abs. 2 Satz1 Nr.1 bis Nr.6 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) aufgeführten Umstände – unter anderem die Berufsgruppen der betroffenen Mitarbeiter – schriftlich zu informieren. Diese Auskunfts- und Unterrichtungspflicht dient dem Zweck, dem Betriebsrat ein möglichst umfassendes Bild über die geplante Maßnahme zu verschaffen und über Maßnahmen zu beraten können, wie die geplanten Entlassungen vermieden werden könnten. Der Betriebsrat ist dabei so genau und umfassend zu unterrichten, dass weitere eigene Nachforschungen über die tatsächlichen Gründe der Entlassungen entbehrlich sind.
Mit Urteil vom 9.Juni 2016 (6 AZR 405/15), das bislang nur als Pressemitteilung (Nr.30/16) vorliegt, hat das Bundesarbeitsgericht entschieden, dass eine unterbliebene Information über die betroffenen Berufsgruppen durch eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats geheilt werden kann, sofern aus dieser hervorgeht, dass der Betriebsrat seine Beteiligungsrechte als erfüllt ansieht. In dem diesem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt entschloss sich der Insolvenzverwalter nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin zur Betriebsstilllegung und unterrichtete den Betriebsrat über die Kündigung aller Mitarbeiter, ohne deren Berufsgruppen mitzuteilen. In einem später abgeschlossenen Interessenausgleich bestätigte der Betriebsrat jedoch, vollständig unterrichtet worden zu sein und das Konsultationsverfahren nach abschließender Beratung als beendet anzusehen. Gegen die anschließend ausgesprochene Kündigung wandte sich eine Arbeitnehmerin mit der Begründung, dass die Kündigung wegen fehlerhafter Durchführung des Konsultationsverfahrens unwirksam sei. Das Bundesarbeitsgericht hat mit dem vorliegenden Urteil die klageabweisenden Entscheidungen der Vorinstanzen bestätigt, da die fehlerhafte Unterrichtung durch die abschließende Stellungnahme des Betriebsrats als geheilt anzusehen sei.
Praxishinweis
Die Entscheidung liegt damit auf einer Linie mit einer früheren Entscheidung des BAG aus dem Jahr 2013 (20.September 2012 – 6 AZR 155/11), wonach eine abschließende Stellungnahme des Betriebsrats zu den Entlassungen genügt, um einen etwaigen Schriftformverstoß im Konsultationsverfahren zu heilen.
Die aktuelle Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass nicht alle Fehler im Rahmen einer Massenentlassungsanzeige heilbar sind, wie ein weiteres Urteil des Bundesarbeitsgerichts (20.Januar 2016 – 6AZR 601/14) zeigt. In diesem Fall erfolgte ebenfalls eine Betriebsstilllegung durch den Insolvenzverwalter des Arbeitgebers. Nach erfolgter Massenentlassungsanzeige hatte der Insolvenzverwalter das Arbeitsverhältnis des Klägers gekündigt, später aber die Kündigung zurückgenommen und durch eine neue Kündigung zu einem späteren Zeitpunkt ersetzt. Gegen diese zweite Kündigung erhob der Kläger Kündigungsschutzklage und rügte die Verletzung des Anzeigeverfahrens nach §17 KSchG. Das BAG gab dem Kläger Recht, denn durch die zeitlich erste Kündigung habe der Insolvenzverwalter die Massenentlassungsanzeige „verbraucht“, sodass die zweite Kündigung wegen des Fehlens einer erneuten Massenentlassungsanzeige unwirksam sei.
Die jüngere Rechtsprechung macht einmal mehr deutlich, dass das Bundesarbeitsgericht das Anzeigeverfahren gegenüber der Agentur für Arbeit sowie das Konsultationsverfahren mit dem Betriebsrat als jeweils eigenständige Wirksamkeitsvoraussetzungen für eine im Zusammenhang mit einer Massenentlassung ausgesprochene Kündigung ansieht. Aus Arbeitgebersicht sollte eine Massenentlassungsanzeige und insbesondere die Beteiligung des Betriebsrats – trotz der grundsätzlich bestehenden Möglichkeit der Heilung eines Fehlers im Konsultationsverfahren – mit größtmöglicher Sorgfalt vorbereitet und durchgeführt werden, um unliebsame Überraschungen in späteren Kündigungsschutzverfahren zu vermeiden. Zudem sollte in einem etwaigen Interessenausgleich eine ausdrückliche Regelung aufgenommen werden, wonach der Betriebsrat bestätigt, dass das Konsultationsverfahren durchgeführt wurde und abgeschlossen ist.