Stolperfallen bei Rückzahlungsklauseln für Bildungskosten

Arbeitsrecht

In jüngerer Zeit ist in der Praxis vermehrt festzustellen, dass die rechtswirksame Ausgestaltung von Rückzahlungsklauseln für die Kosten einer vom Arbeitgeber finanzierten Aus- oder Fortbildung Arbeitgebern Schwierigkeiten bereitet. Vor dem Hintergrund, dass eine unwirksame Rückzahlungsklausel für Arbeitgeber weitreichende finanzielle Folgen haben kann („Alles-oder-Nichts-Prinzip“), soll im Folgenden ein Überblick über die im Zusammenhang mit der Ausgestaltung von Rückzahlungsklauseln für Aus- und Fortbildungskosten bestehenden wesentlichen Stolperfallen gegeben werden.

Arbeitgeber, die einem Mitarbeiter ganz oder teilweise eine Aus- oder Fortbildung finanzieren, sei es ein duales Studium oder eine Weiterbildung, haben ein Interesse daran, die vom Arbeitnehmer erworbene Qualifikation nach Abschluss der Aus- oder Fortbildung möglichst langfristig zu nutzen und den Arbeitnehmer entsprechend an das Unternehmen zu binden. Aus diesem Grund vereinbaren Arbeitgeber in aller Regel mit Arbeitnehmern, denen sie eine Fortbildung finanzieren, dass diese die Fortbildungskosten (anteilig) zurückzahlen müssen, wenn sie vor Ablauf einer bestimmten Frist aus dem Arbeitsverhältnis ausscheiden. Die einzelvertragliche Vereinbarung solcher Rückzahlungsklauseln ist grundsätzlich zulässig, sofern die Fortbildungsmaßnahme für den Arbeitnehmer von geldwertem Vorteil ist, ihm etwa neue Chancen auf dem Arbeitsmarkt eröffnet. Ansonsten fehlt das berechtigte Interesse des Arbeitgebers an der Bindung des Arbeitnehmers. Da es sich bei Rückzahlungsklauseln in aller Regel um AGB handelt, sind zudem die Grenzen der AGB-Kontrolle bei der Ausgestaltung zu beachten. So dürfen Rückzahlungsklauseln insbesondere nicht intransparent sein und den Arbeitnehmer nicht unangemessen benachteiligen. Der Arbeitnehmer darf demnach nur in einem solchen Umfang gebunden werden, wie dies im Verhältnis zu den Aufwendungen des Arbeitgebers für die Fortbildung angemessen ist.

Dauer der Bindung

Die Angemessenheit der Bindungsdauer beurteilt sich nach dem Bundesarbeitsgericht (BAG) vorrangig nach der Dauer der Fortbildungsmaßnahme. Aus der Rechtsprechung des BAG hat sich folgende „Faustformel“ hinsichtlich der zulässigen Bindungsdauer entwickelt:

Dauer der Aus- oder Fortbildung
Zulässige Bindungsdauer

Bis zu 1 Monat
Bis zu 6 Monate

Bis zu 2 Monate
Bis zu 12 Monate

3 bis 4 Monate
Bis zu 24 Monate

6 Monate bis 1 Jahr
Bis zu 3 Jahre

Mehr als 2 Jahre
Bis zu 5 Jahre

 

Diese Richtwerte sind jedoch nicht als in Stein gemeißelte Werte zu verstehen, sondern dienen lediglich als Anhaltspunkt für die zulässige Bindungsdauer im Einzelfall. Einzelfallbezogene Umstände – wie die Höhe der vom Arbeitgeber für die Fortbildung getätigten Aufwendungen (Fortbildungskosten, Gehalt während der Freistellung des Arbeitnehmers für die Fortbildung, etwaige Fahrt- und Übernachtungskosten oder Kosten für Lehrmaterialien), die Zeiten der Freistellung des Arbeitnehmers zum Zwecke der Fortbildung oder das Ausmaß der dem Arbeitnehmer (langfristig) zufließenden Vorteile – können auch eine Abweichung von der Faustformel und damit eine kürzere oder längere Bindungsdauer rechtfertigen, wobei eine längere Bindungsdauer nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen dürfte.

So kann nach dem BAG eine verhältnismäßig lange Bindung auch bei einer kürzeren Fortbildung beispielsweise dann gerechtfertigt sein, wenn der Arbeitgeber im Einzelfall erhebliche Mittel für die Fortbildung aufwendet; insoweit sind die tatsächlich anfallenden Aufwendungen des Arbeitgebers mit dem Bruttomonatsgehalt des Arbeitnehmers ins Verhältnis zu setzen. Danach müssen die Kosten für die Fortbildung für den Arbeitgeber – hierbei ist auch die Größe des Unternehmens zu berücksichtigen – einen besonders erheblichen Aufwand darstellen. Bei der Bestimmung der zulässigen Bindungsdauer kommt es somit letztlich immer auf die Umstände des Einzelfalls an. Eine zu lange Bindungsdauer führt zur Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel mit der Folge, dass ein Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers vollständig ausscheidet.

Schwierigkeiten bereitet in diesem Zusammenhang oftmals auch die Berechnung der Dauer der Fortbildung, da diese häufig über einen längeren Zeitraum gestreckt ist. Für die Ermittlung der Dauer der Aus- oder Fortbildung stellt das BAG überwiegend auf die Anzahl der Fortbildungsstunden ab und setzt diese in Relation zur Arbeitszeit des Arbeitnehmers (500 Fortbildungsstunden ergeben eine Arbeitszeit von etwa 3 Monaten, sodass in diesem Beispielfall von einer Fortbildungsdauer von 3 Monaten auszugehen ist). Insoweit sind jedoch bei den Fortbildungsstunden auch Zeiten für etwaige häusliche Studien zur Vor- und Nachbereitung des Fortbildungskurses zu berücksichtigen, für die der Arbeitnehmer unter Fortzahlung der Vergütung auch freigestellt ist. Teilweise rechnet das BAG jedoch auch einfach die Anzahl der Wochen der Fortbildung zusammen (8 Kurse à 1 Woche ergeben eine Fortbildungsdauer von 8 Wochen).

Differenzierung nach der Sphäre der Kündigung

Eine Rückzahlungsklausel muss danach unterscheiden, aus welcher Sphäre der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der vereinbarten Bindungsfrist stammt. Sieht die Klausel beispielsweise vor, dass die Rückzahlung der Fortbildungskosten bei jeder Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer vor Ablauf der vereinbarten Bindungsfrist fällig wird, ohne danach zu unterscheiden, ob die Gründe für die Beendigung in der Sphäre des Arbeitgebers oder des Arbeitnehmers liegen, ist diese unwirksam. Eine Rückzahlung der Fortbildungskosten kommt nur dann in Betracht, wenn der Grund für die Kündigung in der Sphäre des Arbeitnehmers liegt.

„Abschmelzung“

Eine wirksame Rückzahlungsklausel setzt ferner voraus, dass sich die Rückzahlungsverpflichtung während der vereinbarten Bindungsdauer zeitanteilig reduziert. Hieran fehlt es in der Praxis häufig. Der Arbeitnehmer muss durch seine – jedenfalls zeitanteilige – Betriebstreue Einfluss auf seine Rückzahlungsverpflichtung nehmen können. In der Praxis empfiehlt es sich, den sicheren Weg zu gehen und eine monatliche zeitanteilige Reduzierung der Rückzahlungsverpflichtung vorzusehen. Bei einer 2-jährigen Bindungsdauer würde sich die Rückzahlungsverpflichtung für jeden Monat in dem der Arbeitnehmer noch für den Arbeitgeber tätig ist, beispielsweise entsprechend um 1/24 reduzieren.

Erkennbarkeit des Umfangs der Rückzahlungsverpflichtung

Die Höhe des Rückzahlungsbetrags muss für den Arbeitnehmer dem Grunde und der Höhe nach erkennbar sein; andernfalls ist die Rückzahlungsklausel unwirksam. Insoweit kann es sich in der Praxis anbieten, den zurückzuzahlenden Höchstbetrag festzulegen, der im Laufe der Zeit abschmilzt (siehe oben) und der die tatsächlich entstandenen Fortbildungskosten (Fortbildungskosten, Gehalt während der Freistellung des Arbeitnehmers zum Zwecke der Fortbildung, etwaige Fahrt- und Übernachtungskosten oder Kosten für Lehrmaterialien) berücksichtigt. Auch ist zu beachten, dass der Arbeitgeber durch die Rückzahlung des Arbeitnehmers keinen finanziellen Vorteil erlangen darf; der Rückzahlungsanspruch des Arbeitgebers ist daher auf die durch die Fortbildung tatsächlich entstandenen Kosten begrenzt.

Praxishinweis

Der vorliegende Überblick verdeutlicht, dass die Vereinbarung einer Rückzahlungsklausel für die Kosten einer Fortbildung viele Stolperfallen birgt, die bei (restriktiver) Beachtung der geschilderten Grundsätze jedoch gut in den Griff zu bekommen sind. Da die Wirksamkeit einer Rückzahlungsklausel auch immer von den Umständen des Einzelfalls abhängt und der vorliegende Überblick nicht abschließend sämtliche Ausnahmen und Besonderheiten abbilden kann, sollten Arbeitgeber im Zweifel Rechtsrat einholen. Eine unzulässige Rückzahlungsklausel kann mitunter erhebliche finanzielle Folgen für Arbeitgeber haben, wenn sie aufgrund der Unwirksamkeit der Rückzahlungsklausel keinerlei Rückzahlung der Fortbildungskosten vom Arbeitnehmer verlangen können.

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Wolfgang Wittek, Foto: Privat

Wolfgang H. Wittek

Rechtsanwalt
Allen & Overy
Wolfgang H. Wittek ist seit 2014 Rechtsanwalt im Employment & Benefits Team von Allen & Overy und berät zu sämtlichen Fragen des individuellen und kollektiven Arbeitsrechts. Zu seinen Tätigkeitsschwerpunkten gehören die Beratung zu Vergütungsfragen, die arbeitsrechtliche Begleitung von Transaktionen und Betriebsübergängen sowie die Vertretung in Arbeitsgerichtsprozessen.

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