Geistiges Eigentum bei Remote Work schützen

Arbeitsrecht

In Deutschland setzen immer mehr Unternehmen auf Remote Work. Das alternative Arbeitsmodell bietet zahlreiche Vorteile für beide Seiten: Während Mitarbeitende die Chance bekommen, ihren Wohnort frei zu wählen, können Arbeitgeber Talente auch über die Landesgrenzen hinweg rekrutieren. Angesichts des sich immer weiter zuspitzenden Fachkräftemangels kann diese Flexibilität für Unternehmen den entscheidenden Unterschied machen. Kein Wunder, dass im Rahmen einer IDC (International Data Group)-Umfrage 35 Prozent der Firmen angaben, bereits Richtlinien für Remote Work etabliert zu haben. Bei weiteren 38 Prozent war dies zum Zeitpunkt der Befragung ebenfalls in Planung.

Was in der Theorie so verheißungsvoll klingt, kann in der Praxis allerdings einige neue Herausforderungen mit sich bringen, zum Beispiel die Frage nach dem Schutz des geistigen Eigentums. Denn nur, weil in Deutschland gewisse Richtlinien gesetzlich festgeschrieben sind, bedeutet das nicht, dass dies zwangsläufig auch in anderen Regionen der Welt gilt – und aus dieser Unwissenheit können schnell Risiken für den Geschäftserfolg eines Unternehmens entstehen.

Geistiges Eigentum ist überall

Der Schutz geistigen Eigentums sollte für jedes Unternehmen eine wichtige Rolle spielen – und zwar unabhängig davon, welcher Branche es angehört oder wie viele Mitarbeitende es weltweit beschäftigt. Einige könnten dem Irrglauben zum Opfer fallen, dass sie über kein hohes Maß an geistigem Eigentum verfügen. Von Produkten über Designs bis hin zu Websitetexten steckt dies jedoch in jedem erdenklichen Asset und diese müssen zu jeder Zeit vor Missbrauch geschützt sein.

In vielen Teilen der Welt gilt: Wenn Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter im Rahmen ihres Arbeitsverhältnisses Erfindungen tätigen oder neue Dinge erschaffen, geht das geistige Eigentum automatisch an das Unternehmen über – soweit die gute Nachricht. Doch es ist von unschätzbarer Bedeutung, die rechtlichen Einzelheiten frühzeitig abzuklären. So kann zum Beispiel die genaue Art und Weise des Beschäftigungsverhältnisses darüber entscheiden, bei wem das geistige Eigentum liegt.

Da Unternehmen in der Regel eine Niederlassung in den Ländern benötigen, in denen sie Mitarbeitende anstellen wollen, greifen viele auf externe Anbieterinnen und Anbieter zurück. Mit ihrer Hilfe haben sie die Möglichkeit, schnell neue Talente zu rekrutieren, ohne selbst in den langwierigen Prozess einer Anmeldung vor Ort investieren zu müssen. Gerade hier kann die Frage nach dem geistigen Eigentum doppelt wichtig sein – rechtlich könnte dies bedeuten, dass das geistige Eigentum nicht beim auftraggebenden Unternehmen, sondern beim Dienstleistungsunternehmen liegt. Ähnliches gilt, wenn Beschäftigte freiberuflich angestellt sind. Auch hier kann die Sachlage anders als bei Festangestellten sein.

Klare Richtlinien sind entscheidend

Ohne eindeutige Richtlinien steht für Unternehmen vieles auf dem Spiel. Ist ihr geistiges Eigentum nicht ausreichend geschützt, könnte es seitens der Kundschaft sowie der Geschäftspartnerinnen und -partner zu einem Vertrauensverlust kommen. In vielen Fällen führt das nicht nur kurzfristig zu einem geschmälerten Umsatz. Auch auf lange Sicht kann es aufgrund der bröckelnden Reputation schwieriger werden, neue Vertragsabschlüsse zu erzielen. Darüber hinaus besteht für ortsunabhängige Unternehmen das Risiko, sich in einem Rechtsstreit vor einem ausländischen Gericht wiederzufinden.

Auch dann, wenn einzelne Teammitglieder – beispielsweise neben ihrer eigentlichen Arbeit –zusätzliche Projekte verfolgen, müssen Arbeitgeber sicherstellen, dass keine vertraulichen Geschäftsinformationen oder anderes geistiges Eigentum ohne Rücksprache dafür herangezogen werden. Um Grauzonen und daraus resultierende Sicherheitsrisiken bereits im Vorfeld zu vermeiden, ist es wichtig, klare Richtlinien zu definieren. Das ist auch dann bedeutend, wenn zum Beispiel Open-Source-Lösungen verwendet werden. Dies kann ebenfalls leicht das geistige Eigentum Dritter verletzen, wenn die Lizenzbeschränkungen nicht überprüft und eingehalten werden.

Die Frage nach dem geistigen Eigentum ist nicht nur für große Konzerne, sondern vor allem auch für Start-ups entscheidend. Wenn es darum geht, eine Finanzierungsrunde zu starten, an die Börse zu gehen oder das Unternehmen zu verkaufen, fließen Assets wie das geistige Eigentum unmittelbar in die Bewertung mit ein. Hat das Start-up sich nicht von Anfang an ausreichend informiert und geistiges Eigentum zum Beispiel an ausländische Entwicklerinnen oder Entwickler verloren, sind die finanziellen Einbußen im schlimmsten Fall sehr groß.

Ein Beispiel: Ein Start-up hat eine neue Dating-App entwickelt, die basierend auf den Interessen und Charaktereigenschaften der Nutzenden passende Partnerinnen oder Partner vorschlägt. Der zugrunde liegende Algorithmus ist der USP (Unique Selling Proposition oder Unique Selling Point), das Alleinstellungsmerkmal, des noch jungen Unternehmens. Entwickelt wurde er allerdings von einem Developer auf den Philippinen, der freiberuflich tätig ist und über eine Online-Plattform beauftragt wurde. Obwohl die eigentliche Idee beim Start-up liegt, kann der Algorithmus geistiges Eigentum des Entwicklers sein – doch ohne ihn ist das gesamte Geschäftsmodell hinfällig.

Fazit

Die Problematik verdeutlicht, welch entscheidende Rolle geistiges Eigentum für Unternehmen aller Art spielt und wie wichtig es ist, von Anfang an auf eindeutige Richtlinien zu setzen. Fakt ist: Remote Work bietet für Unternehmen und ihre Mitarbeitenden zahlreiche Vorteile. Werden die potenziellen Risiken, die mit der Etablierung des neuen Modells einhergehen, nicht richtig eingeschätzt, kann sich die größte Stärke – das Auf- und Ausbauen internationaler Teams – jedoch schnell zum gravierendsten Nachteil entwickeln. Sich dessen bewusst zu sein und frühzeitig die notwendigen Informationen einzuholen, ist deshalb für alle ortsunabhängigen Unternehmen essenziell.

Unsere Newsletter

Abonnieren Sie die HR-Presseschau, die Personalszene oder den HRM Arbeitsmarkt und erfahren Sie als Erstes alles über die neusten HR-Themen und den HR-Arbeitsmarkt.
Newsletter abonnnieren
Sam Ross ist General Counsel bei Remote, einem HR-Tech-Unternehmen, das es Unternehmen möglich macht, Mitarbeiter überall auf der Welt zu beschäftigen.

Sam Ross

Counsel
Remote
Sam Ross ist General Counsel bei Remote, einem HR-Tech-Unternehmen, das es Unternehmen möglich macht, Mitarbeitende überall auf der Welt zu beschäftigen. Zuvor war er General Counsel bei ComplyAdvantage und WorldRemit.

Weitere Artikel