Krankheitsbedingt arbeitsunfähig: wer zahlt?

Arbeitsrecht

Der Anspruch auf Entgeltfortzahlung bei krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit wird dem Arbeitnehmer gesetzlich und unabdingbar garantiert (§§3, 12 des Entgeltfortzahlungsgesetzes). Im Falle einer Arbeitsunfähigkeit ist einem Arbeitnehmer die Vergütung aber nur weiterzuzahlen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt und bestimmte Ausnahmen nicht einschlägig sind.

Voraussetzungen der Entgeltfortzahlung

Damit der Arbeitnehmer bei einer Krankheit Entgeltfortzahlung beanspruchen kann, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • es muss eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit vorliegen; das heißt, beim Arbeitnehmer muss ein körperlicher Zustand bestehen, der eine Heilbehandlung erfordert und der bedingt, dass der Arbeitnehmer seine konkret vertraglich geschuldete Arbeitsleistung objektiv nicht ausüben kann oder objektiv nicht ausüben sollte, weil die Heilung nach ärztlicher Prognose verhindert oder verzögert wird;
  • das Arbeitsverhältnis muss seit mindestens vier Wochen ununterbrochen bestehen;
  • die krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit muss die einzige Ursache der Arbeitsverhinderung sein;
  • die Arbeitsunfähigkeit muss unverschuldet entstanden ist; der Arbeitnehmer darf die Arbeitsunfähigkeit also nicht leichtfertig oder vorsätzlich herbeigeführt haben; Leichtfertigkeit oder Vorsatz kann ausnahmsweise angenommen werden, wenn die Arbeitsunfähigkeit zum Beispiel auf einem (i) vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Verstoß gegen die Verkehrsregeln, (ii) einer Trunkenheitsfahrt oder (iii) auf einem Sportunfall bei der Ausübung einer besonders gefährlichen Sportart beruht.

Zeitlicher Umfang

Grundsätzlich umfasst der Entgeltfortzahlungsanspruch für eine Arbeitsunfähigkeit einen Zeitraum von 42 Kalendertagen, was sechsWochen entspricht. Dabei werden die Tage, an denen keine Arbeitsleistung erbracht wird (Sonntage, Feiertage, freie Tage) mitgezählt.

Im Ergebnis ist die wirtschaftliche Belastung des Arbeitgebers durch die arbeitsunfähigkeitsbedingte Entgeltfortzahlung aber nicht etwa auf höchstens sechs Wochen je Kalenderjahr und je Arbeitnehmer beschränkt. Vielmehr steht einem Arbeitnehmer bei jeder erneuten krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit im Grundsatz ein neuer sechswöchiger Entgeltfortzahlungszeitraum zu. Dies gilt jedenfalls, sofern bei der erneuten Arbeitsunfähigkeit nicht eine der beiden folgenden Ausnahmekonstellation einschlägig ist:

Wiederholte Erkrankung – Fortsetzungskrankheit

Bei einer Fortsetzungserkrankung beruhen die erste Arbeitsunfähigkeit und die erneute Arbeitsunfähigkeit zwar auf den ersten Blick auf unterschiedlichen Erkrankungen. Jedoch beruhen die unterschiedlichen Erkrankungen auf demselben Grundleiden. Das Grundleiden hat somit (möglicherweise latent) weiterbestanden, aber unterschiedliche Auswirkungen gezeigt. Dies hat zur Folge, dass die erneute Arbeitsunfähigkeit als eine Fortsetzung der ersten Arbeitsunfähigkeit angesehen werden kann, da die erneute Erkrankung eine Folgewirkung des fortbestehenden Grundleidens darstellt. In der Praxis kann dies zum Beispiel so aussehen, dass ein Arbeitnehmer an einer rheumatischen Erkrankung leidet, die zunächst starke Rückenschmerzen verursacht und im Anschluss zu einer Bewegungsunfähigkeit im Bein führt).

Sind die Voraussetzungen der Fortsetzungserkrankung erfüllt, besteht für die erneute krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit kein eigener, neuer 6-wöchiger Entgeltfortzahlungsanspruch (zum Vergleich siehe Bundesarbeitsgerichts (BAG), Urteil vom 10.09.2014, Az.: 10 AZR 651/12 Rn.24 bis 28). Der Entgeltfortzahlungsanspruch ist somit auf sechs Wochen seit Beginn der ersten Arbeitsunfähigkeit beschränkt.

Der Grundsatz der Fortsetzungserkrankung findet schließlich keine Anwendung, wenn zwischen der ersten Arbeitsunfähigkeit und der erneuten Arbeitsunfähigkeit mehr als sechs Monate liegen, ohne dass das Grundleiden eine Arbeitsunfähigkeit bewirkt hat oder seit der ersten Arbeitsunfähigkeit aufgrund des Grundleidens zwölf Monate vergangen sind.

Wiederholte Erkrankung – Einheit des Verhinderungsfalls

Bei der Einheit des Verhinderungsfalls beruhen die erste Arbeitsunfähigkeit und die erneute Arbeitsunfähigkeit auf unterschiedlichen Erkrankungen und Grundleiden. Nach dem zuvor benannten Grundsatz hat der Arbeitnehmer für beide Arbeitsunfähigkeiten eigentlich jeweils einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung für bis zu sechs Wochen. Der Grundsatz wird nach der Rechtsprechung des BAG aber durch die Fallgruppe der Einheit des Versicherungsfalls eingeschränkt. Diese Fallgruppe ist einschlägig, wenn die erneute Arbeitsunfähigkeit entsteht, während die erste Arbeitsunfähigkeit noch besteht und es somit zu einer zeitlichen Überschneidung der beiden Arbeitsunfähigkeiten kommt.

Das BAG hat das Bestehen der Fallgruppe der Einheit des Verhinderungsfalls aktuell im Dezember 2019 in einem Urteil nochmals bestätigt und als Ergebnis festgehalten, dass der Arbeitnehmer bei einer Einheit des Versicherungsfalls nur für sechs Wochen Entgeltfortzahlung beanspruchen kann. Entscheidend kommt es nach dem BAG darauf an, ob die erste Arbeitsunfähigkeit in dem Zeitpunkt vollständig beendet war, als die zweite Arbeitsunfähigkeit hinzugetreten ist. Besteht hierüber Streit und ist ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den beiden Arbeitsunfähigkeiten gegeben, muss der Arbeitnehmer nachweisen, dass zum Zeitpunkt des Hinzutretens der erneuten Arbeitsunfähigkeit die erste Arbeitsunfähigkeit vollständig beendet war. Das Vorlegen einer „Erstbescheinigung“ ist hierfür allein nicht ausreichend. Es ist davon auszugehen, dass die Arbeitsunfähigkeit endet, wenn der Arbeitnehmer die Arbeitstätigkeit tatsächlich wiederaufgenommen hat oder er zumindest arbeitsfähig war (vergleiche Pressemitteilung des BAG, Urteil vom 11.12.2919, Az.:5AZR505/18).

Höhe des Anspruchs

Es gilt gemäß dem sogenannten Entgeltausfallprinzip, dass der Arbeitnehmer während der sechswöchigen Entgeltfortzahlung weiterhin sein Arbeitsentgelt erhält. Das umfasst die Vergütung einschließlich aller laufenden Lohnzulagen, Boni, Provisionen, Prämien und geldwerter Vorteile.

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Pascal Verma ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei nbs Partners 

Pascal Verma

Pascal Verma ist Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner der Kanzlei nbs Partners in Hamburg. Seine Tätigkeits- und Beratungsschwerpunkte liegen im Arbeitsrecht und im Datenschutzrecht.

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