Eine Arbeitgeberin hat einen Einigungsstellenspruch über eine Mindestpersonalbesetzung als Maßnahme des Gesundheitsschutzes angefochten. Was entschied das BAG?
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat dem Antrag einer Arbeitgeberin stattgegeben, mit dem diese einen Einigungsstellenspruch über eine Mindestpersonalbesetzung angefochten hat (BAG, Beschluss v. 19. November 2019, Az. 1 ABR 22/18). Dabei ließ das BAG die grundsätzliche Zulässigkeit von solchen Regelungen als Maßnahme des Gesundheitsschutzes ausdrücklich offen (Pressemitteilung Nr. 38/19).
Die Arbeitgeberin betreibt eine Klinik mit circa 300 Mitarbeitern, bei der ein Betriebsrat besteht. Zwischen Arbeitgeberin und Betriebsrat kam es immer wieder zu Streitigkeiten hinsichtlich der Dienstplanung und der Mindestbesetzung für den Pflegedienst auf bestimmten Stationen. Im Frühjahr 2013 wurde deshalb eine Einigungsstelle zum Arbeits- und Gesundheitsschutz eingesetzt. Durch diese Einigungsstelle wurden mehrere Gutachten zur Belastungs- und Gefährdungsbeurteilung des Pflegepersonals eingeholt. Da im Rahmen der Einigungsstelle keine Einigung erzielt werde konnte, endete die Einigungsstelle mit einem Spruch. Dieser beinhaltete eine Betriebsvereinbarung, die unter anderem die Mindestbesetzung des Pflegepersonals auf den einzelnen Stationen in den einzelnen Schichten regelte.
Die Arbeitgeberin hat diesen Einigungsstellenspruch angefochten. Sie machte geltend, dass die Regelungen nicht von der Zuständigkeit der Einigungsstelle gedeckt seien und in die unternehmerische Freiheit der Arbeitgeberin eingegriffen hätten. Die Mindestpersonalbesetzung unterliege nicht dem erzwingbaren Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats.
Rechtlicher Hintergrund
Die Personalplanung ist ureigene Regelungsmaterie des Arbeitgebers. Dies ergibt sich aus der unternehmerischen Freiheit (Art. 12 GG). Die unternehmerische Freiheit wird durch die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats eingeschränkt. Dieser hat bezüglich personeller Einzelmaßnahmen zwar ein Beteiligungsrecht gemäß § 99 und § 102 des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) in Form eines Zustimmungserfordernisses und hinsichtlich der Personalplanung ein Informationsrecht gem. § 92 BetrVG; er hat jedoch kein erzwingbares Mitbestimmungsrecht bezüglich der Personalstärke.
Ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht besteht allerdings in Fragen des Gesundheitsschutzes (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG), wobei auch die Durchführung der Gefährdungsbeurteilung nach § 5 des Arbeitsschutzgesetzes (ArbSchG) umfasst ist. Nach der Rechtsprechung des BAG kann das erzwingbare Mitbestimmungsrecht hinsichtlich des Gesundheitsschutzes aber nicht einschränkungslos bejaht werden (BAG, Beschluss v. 08. Juni 2004, Az. 1 ABR 13/03). Voraussetzung ist das Vorliegen konkreter Gefährdungen i.S.d. § 5 ArbSchG (BAG, Beschluss v. 28. März 2017, Az. 1 ABR 25/15). Eine Mitbestimmung kommt also nur dann in Betracht, wenn eine konkrete Handlungspflicht des Arbeitgebers zu Maßnahmen des Arbeitsschutzes besteht.
AG Kiel: Mindestbesetzung als Maßnahme des Gesundheitsschutzes
Das Arbeitsgericht (AG) Kiel hat in erster Instanz entschieden, dass die Mindestbesetzung mit Pflegepersonal eine Maßnahme sein könne, die gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG i.V.m. §§ 3, 5 ArbSchG dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats unterfalle (AG Kiel, Beschluss v. 26. Juli 2017, Az. 7 BV 67 c/16). Damit wäre zwar ein Eingriff in die unternehmerische Freiheit der Arbeitgeberin gegeben. Dem stünde aber das Recht der Arbeitnehmer auf gesunde, sichere und würdige Arbeitsbedingungen aus Art. 31 der EU-Grundrechte-Charta entgegen, das überwiegen würde.
LAG Schleswig-Holstein: Kein Mitbestimmungsrecht bzgl. Personalplanung
Das Landgericht (LAG) Schleswig-Holstein gab der Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin statt und erklärte den Einigungsstellenspruch für unwirksam (LAG Schleswig-Holstein, Beschluss v. 25. April 2018, Az. 6 TaBV 21/17). Die Regelungen des Einigungsstellenspruchs seien vom Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats gem. § 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG nicht gedeckt und würden in die mitbestimmungsfreie Personalplanung eingreifen. Es würde dem Willen des Gesetzgebers widersprechen, wenn die Personalplanung durch das Einfallstor des § 3 ArbSchG mitbestimmungspflichtig würde.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung dieser Rechtsfrage hat das LAG die Rechtsbeschwerde zugelassen. Das BAG hat dem Antrag der Arbeitgeberin zwar stattgegeben, die Frage über die Zulässigkeit von solchen Regelungen als Maßnahme des Gesundheitsschutzes aber ausdrücklich offengelassen.
Bedeutung für die Praxis
Eine Klarstellung des BAG in dieser Rechtsfrage wäre wünschenswert gewesen. Es ist nicht auszuschließen, dass Verhandlungen zwischen Arbeitgebern und Betriebsräten zu Schicht- und Dienstplänen bis zu einem Grundsatzurteil durch die Rechtsunsicherheit erschwert werden können.
Weiterhin gilt jedoch: Die Personalplanung, zu der neben dem Personalbedarf auch der Personaleinsatz und die Personalentwicklung gehören, obliegt dem Arbeitgeber. Der Gesetzgeber hat diesbezüglich eine klare Wertung getroffen, wonach der Betriebsrat lediglich ein Recht auf Information, nicht jedoch auf Mitbestimmung hat. Das Mitbestimmungsrecht in Fragen des Gesundheitsschutzes setzt voraus, dass eine konkrete Gefährdung (zum Beispiel aufgrund einer Gefährdungsbeurteilung) feststeht und eine Handlungspflicht des Arbeitgebers besteht. Der Betriebsrat kann auch keine konkreten Maßnahmen erzwingen, sondern nur solche, die erforderlich sind – das wiederum setzt voraus, dass die konkrete Gefährdung nicht durch ein milderes Mittel abgestellt werden kann.