Mobbing am Arbeitsplatz ist nicht nur für die Betroffenen eine Qual. Es vergiftet das Arbeitsklima auch über den Einzelfall hinaus. Arbeitgeber sind deshalb verpflichtet, sofort einzuschreiten.
Allerdings wird der Begriff „Mobbing“ im Arbeitsleben nach unserer Wahrnehmung seit einigen Jahren zunehmend genutzt – und das auch manchmal voreilig. Gelegentlich wird der Vorwurf auch als Schutzbehauptung erhoben, um eigenes Fehlverhalten zu erklären oder als Gegenangriff auf arbeitgeberseitige Maßnahmen eingesetzt. Hierzu ein Update.
Was ist Mobbing?
Längst nicht alles, was gemeinhin als Mobbing bezeichnet wird, ist auch rechtlich, das heißt insbesondere arbeitsrechtlich und schadensrechtlich, relevant. Denn Mobbing ist für sich betrachtet kein Rechtsbegriff und erst recht keine eigene Anspruchsgrundlage etwa für Schadenersatzansprüche gegen den Arbeitgeber. Ob Mobbing rechtlich gewürdigt wird, richtet sich ausschließlich danach, ob hierdurch arbeitsrechtliche Pflichten oder schadensrechtlich relevante Rechte oder Rechtsgüter verletzt werden.
Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung definiert Mobbing als „das systematische Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte“. Wesentlich für die als Mobbing bezeichnete Form der Persönlichkeitsrechtsverletzung ist die systematische, sich aus vielen einzelnen Handlungen zusammensetzende Verletzungshandlung. Den einzelnen Handlungen kommt bei isolierter Betrachtung oft keine rechtliche Bedeutung zu.
Dennoch gibt es „typische“ Verhaltensweisen, die auf einen rechtlich relevanten Mobbing-Sachverhalt hindeuten können. Zu diesen zählen beispielsweise das Ausgrenzen einer Person bei Gesprächen und Treffen, (anzügliche) Witze oder abfällige Bemerkungen über den Kollegen, Ignorieren/Nicht-Grüßen oder das Vorenthalten von Informationen. Ebenso hierzu gehört, wenn dem Mitarbeiter deutlich unter seiner Qualifikation liegende oder evident sinnlose/überflüssige Aufgaben zugewiesen werden oder auch solche, die ihn inhaltlich oder zeitlich überfordern müssen und/oder seine Anwesenheit oder Arbeit verschärft kontrolliert wird. Über diese herkömmlichen Mobbing-Methoden hinaus spielen die unter dem Stichwort „Cybermobbing“ zusammengefassten Sachverhalte (vor allem Mobbing über Social-Media-Kanäle) in der betrieblichen Praxis mehr und mehr eine Rolle.
Wie erfährt der Arbeitgeber von Mobbingvorwürfen?
In der Praxis werden Mobbing-Vorwürfe gegenüber dem Personalbereich oder dem Betriebsrat, gegebenenfalls in der Eskalationsstufe auch direkt gegenüber der Geschäftsleitung geäußert. Wenn diese intern aus Sicht des Betroffenen nicht angemessen reagieren, suchen sie gegebenenfalls zunächst extern um Beratung, wie sie sich gegen Mobbing zur Wehr setzen können. In vielen Bundesländern existieren eigene „Mobbing-Beratungen“ der Länder, die Hilfestellungen etwa in Form von Telefonhotlines bieten und Kontakte vermitteln. Ebenso können Betroffene Unterstützung zum Beispiel bei Selbsthilfegruppen, Krankenkassen, Gleichstellungstellen der Kommunen, Beratungsstellen der Gewerkschaften oder Wohlfahrtsverbänden suchen. In manchen Fällen lassen sich Betroffene auch sofort anwaltlich beraten und machen ihre Beschwerden unmittelbar per anwaltlichem Schreiben beim Arbeitgeber geltend.
Die Rechtsgrundlage hierfür findet sich in § 84 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG): Jeder Arbeitnehmer hat das Recht, sich bei seinem Vorgesetzten zu beschweren, wenn er sich vom Arbeitgeber selbst oder von Arbeitnehmern des Betriebs benachteiligt, ungerecht behandelt oder in sonstiger Weise beeinträchtigt fühlt. Dabei stellt das Gesetz hierzu explizit klar, dass der sich beschwerenden Person keine Nachteile entstehen dürfen, wenn sie Beschwerde erhebt. Ein ähnliches Beschwerderecht findet sich im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG).
Handlungspflichten des Arbeitgebers
Häufig beschreiben Arbeitnehmer zunächst noch keine konkreten Fakten, sondern geben nur schlagwortartige Einschätzungen („meine Kollegen mobben mich“) ab. In diesen Fällen obliegt dem Arbeitgeber zunächst, den Sachverhalt zu plausibilisieren und möglichst objektiv zu klären. Denn aufgrund seiner Fürsorgepflicht als arbeitsvertragliche Nebenpflicht ist der Arbeitgeber verpflichtet, auf das Wohl und die berechtigten Interessen des Arbeitnehmers Rücksicht zu nehmen und ihn vor Gesundheitsgefahren, auch psychischer Art, zu schützen. Teilweise wird von der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung in Ausprägung dieser Fürsorgepflicht sogar eine besondere Mobbing-Schutzpflicht des Arbeitgebers angenommen.
Um beurteilen zu können, wann der Arbeitgeber von rechtlich relevantem „Mobbing“ ausgehen muss, müssen die vorgetragenen beziehungsweise recherchierten Einzelsachverhalte nicht nur aufgeklärt, sondern auch verifiziert werden. Das betrifft neben der sich stellenden Frage der Glaubwürdigkeit der beteiligten Mitarbeiter insbesondere denkbare Erklärungen oder Ursachen, die das beanstandete Handeln des Kollegen oder Vorgesetzten sachlich rechtfertigen oder aber zumindest entschuldigen können. In diesem Kontext spielt auch die Abgrenzung angeblichen Mobbings zu sozial (noch) üblichen oder anerkannten Verhaltensweisen am Arbeitsplatz hinein. Denn nicht jede abfällige Bemerkung eines Kollegen oder „ungerechte“ Anweisung eines Vorgesetzten stellt schon Mobbing im Rechtssinne dar. Rechtlich maßgeblich ist, ob Verhaltensweisen bezwecken oder bewirken, dass die Würde des Arbeitnehmers verletzt oder ein durch Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigung oder Beleidigung gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
Dem Arbeitgeber ist hier eine schwierige Gratwanderung auferlegt: Er muss zum einen den (mutmaßlich) betroffenen Arbeitnehmer vor Persönlichkeitsrechtsverletzungen schützen, andererseits aber auch Vorgesetzte beziehungsweise Kollegen vor ungerechtfertigten Vorwürfen – und insgesamt den Betriebsfrieden bewahren.
Reaktionsmöglichkeiten des Arbeitgebers
Wenn Hinweise für einen Mobbingsachverhalt sprechen, müssen Arbeitgeber im Regelfall schnell einschreiten. Denn die Erfahrung zeigt, dass sich die Situation in einem frühen Stadium durch Führen von Schlichtungsgesprächen mit „Täter“ und „Opfer“ noch klären und deeskalieren lässt. Je später der Arbeitgeber eingreift, desto wahrscheinlicher ist die Lage bereits so festgefahren, dass Gespräche allein die bestehenden Konflikte nicht mehr lösen können.
Gegebenenfalls kann der Arbeitgeber dem von Mobbing betroffenen Arbeitnehmer auch dazu anhalten, Beweise zu sammeln und ein „Mobbing-Tagebuch“ zu führen, in dem neben eigenen Notizen auch E-Mails oder Social-Media-Nachrichten/-posts gesichert werden sollten. Der Arbeitnehmer, der sich vor Gericht auf einen Mobbing-Sachverhalt beruft, trägt hierfür die volle Darlegungs- und Beweislast; und auch der Arbeitgeber, der einen Mitarbeiter aus verhaltensbedingten Gründen kündigen muss, muss in die Lage versetzt werden, die Mobbing-Einzelakte nach zeitlicher Lage, beteiligten Personen, Anlass und Ablauf detailliert zu schildern und unter Beweis zu stellen.
Auf welche Weise der Arbeitgeber auf das Mobbing eines Arbeitnehmers reagiert, liegt grundsätzlich in seinem freien Ermessen. In Betracht kommt beispielsweise die Durchführung eines Mediationsverfahrens. Auch die Team-Supervision oder Teamcoachings können geeignete und angemessene Maßnahme sein, um einen eskalierten Arbeitsplatzkonflikt zu lösen. Sollten derartige „sanfte“ Maßnahmen aus Sicht des Arbeitgebers keinen Erfolg (mehr) versprechen, kann dem Täter durch den Ausspruch einer Ermahnung oder weitergehend einer Abmahnung vor Augen geführt werden, dass sein Verhalten bemerkt und vom Arbeitgeber nicht geduldet werden wird.
Der Arbeitgeber kann Spannungen zwischen Arbeitnehmern auch durch Um- beziehungsweise Versetzungen der an dem Konflikt Beteiligten begegnen. Als Schutzmaßnahme für den Betroffenen kommt sowohl eine Versetzung des Mobbers oder des Betroffenen selbst in Betracht. In letzter Konsequenz können Mobbingsachverhalte auch zu Kündigungen führen. Vom Spezialfall des § 104 BetrVG (Entfernung betriebsstörender Arbeitnehmer) abgesehen, kann der Arbeitgeber zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen zwar nicht gezwungen werden. Je nach Fallgestaltung kann oder muss aber eine ordentliche oder unter Umständen auch außerordentliche Kündigung des Täters erfolgen. Kündigungsgrund ist in diesem Fall der Verstoß des Mobbing-Täters gegen seine arbeitsvertragliche Treuepflicht, die es auch gebietet, sich betriebsfördernd zu verhalten und den Betriebsfrieden nicht zu stören.
Prävention
Losgelöst von akuten Mobbingsituationen sind Arbeitgeber schon im eigenen Interesse (zum Beispiel mit Blick auf das Betriebsklima und drohende Fehlzeiten beteiligter Arbeitnehmer) gut beraten, mögliches Mobbing in ihren Betrieben durch eine klare Haltung zum Thema zu vermeiden. Das kann auch dadurch geschehen, dass sie erklären, bei solchen Fällen sofort Gegenmaßnahmen zu ergreifen. Darüber hinaus empfiehlt es sich, klare betriebliche Regelungen zum Umgang miteinander festzulegen und gegebenenfalls Verfahrensregeln sowie eine betriebsinterne Beratungs- oder Beschwerdestelle für Mobbingbetroffene einzurichten. Sofern ein Betriebsrat vorhanden ist, kann dies auch auf Grundlage einer „Anti-Mobbing-Betriebsvereinbarung“ geschehen.