Arbeitgeber haben die Möglichkeit, Sonderzahlungen unter einen Vorbehalt zu stellen. Wie sie dabei vorgehen sollten.
Sonderzahlungen sind Mittel zur Steigerung der Mitarbeitermotivation und im Rahmen von Arbeitsverhältnissen häufig anzutreffen. Dabei gibt es ganz unterschiedliche Bezeichnungen. Es gibt Weihnachtsgelder, Urlaubsgelder, 13. Monatsgehälter, Gratifikationen, Boni, und vieles mehr. Kurzum: Sonderzahlungen sind ein gängiges Gestaltungsmittel im Arbeitsverhältnis, das sowohl in Tarifverträgen als auch in Arbeitsverträgen regelmäßig zu finden ist. Trotz der vielfältigen Bezeichnungen haben die Sonderzahlungen Gemeinsamkeiten und werden vom Bundesarbeitsgericht (BAG) daher in drei Kategorien eingeordnet:
- Sonderzahlungen, mit denen der Arbeitgeber geleistete Dienste honorieren möchte (Kategorie 1);
- Sonderzahlungen, mit denen der Arbeitgeber die vergangene sowie die zukünftige Betriebstreue des Arbeitsnehmers belohnen möchte (Kategorie 2);
- Sonderzahlungen, mit denen der Arbeitgeber beide zuvor genannten Zwecke gemeinsam verfolgt (Kategorie 3).
Wird das Arbeitsverhältnis mit einem Arbeitnehmer aber im engen zeitlichen Zusammenhang mit einer Sonderzahlung beendet, stellt sich Arbeitgebern häufig die Frage, ob sie eine vorgesehene Sonderzahlung an den ausscheidenden Arbeitnehmer auszahlen müssen oder ob sie eine ausgezahlte Sonderzahlung sogar zurückfordern können.
Die Antwort auf diese Fragen ist von zwei Aspekten abhängig – einerseits ob für die Sonderzahlung ein tarifvertraglicher oder ein arbeitsvertraglicher (Rückzahlungs-)Vorbehalt vereinbart wurde und anderseits welcher der drei zuvor genannten Kategorien die Sonderzahlung zuzuordnen ist. Die unterschiedlichen Anforderungen und Folgen hat das BAG mit seinem Urteil vom 27. Juni 2018 zum Az.: 10 AZR 290/17 dargestellt. Dabei ist das BAG bei einer konkreten tarifvertraglichen Rückzahlungsklausel zu dem Ergebnis gelangt, dass diese Klausel eine hinreichende Anspruchsgrundlage für den Rückzahlungsanspruch darstellt, um eine Sonderzahlung der Kategorie 3 zurückzufordern. Das BAG stellte in seinem Urteil zugleich dar, dass die konkrete tarifvertragliche Rückzahlungsklausel unwirksam wäre, wenn sie arbeitsvertraglich vereinbart worden wäre. Daher soll im Folgenden aufgezeigt werden, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitgeber die Zahlung einer Sonderzahlung ausschließen und zurückfordern kann und welche Unterschiede zwischen tarifvertraglichen und arbeitsvertraglichen Rückzahlungsklauseln bestehen.
Urteil des BAG vom 27. Juni 2018
Das BAG hat mit Urteil vom 27. Juni 2018 festgestellt, dass der dort betroffene Arbeitnehmer eine Sonderzahlung für das Jahr 2015 an den Arbeitgeber zurückzuzahlen hat beziehungsweise dass der Arbeitgeber seinen Rückzahlungsanspruch gegen pfändbare Vergütungsansprüche des Arbeitnehmers aufrechnen kann.
Auf das Arbeitsverhältnis war ein Tarifvertrag kraft einzelvertraglicher Inbezugnahme anzuwenden, der die Sonderzahlung an sich und zudem die Rückzahlungsverpflichtung vorsah.
Tarifvertragliche Voraussetzung für die Sonderzahlung war, dass der Arbeitnehmer in einem Jahr am 1. Dezember seit dem 1. Oktober ununterbrochen bei demselben Arbeitgeber beschäftigt war. Der Tarifvertrag sah zudem vor, dass diese Sonderzahlung zurückzuzahlen ist, wenn der Arbeitnehmer bis einschließlich 31. März des folgenden Jahres aus eigenem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem Beschäftigungsverhältnis ausscheidet.
Im konkreten Einzelfall kündigte der betroffene Arbeitnehmer sein Arbeitsverhältnis im Oktober 2015 zu Ende Januar 2016, woraufhin der Arbeitgeber seinen Rückzahlungsanspruch mit der letzten Vergütungszahlung verrechnete.
Das BAG zur tarifvertraglichen Rückzahlungsklausel
Das BAG prüfte die konkrete tarifliche Rückzahlungsklausel und gelangte zu dem Ergebnis, dass diese Rückzahlungsklausel wirksam ist. Vor allem sah sich das BAG nicht im Stande, eine Verletzung der Grundrechte des Arbeitnehmers festzustellen. Zwar erkannte das BAG eine Beeinträchtigung der Berufsfreiheit. Da aber mit dem Tarifvertrag auch eine grundrechtlich geschützte Position betroffen ist, war diese Beeinträchtigung durch den Arbeitnehmer gemäß dem BAG noch hinzunehmen. Die tarifvertragliche Rückzahlungsklausel war schließlich auch nicht unwirksam, obwohl sie bei einer Sonderzahlung aus der Kategorie 3 für den Arbeitnehmer eine Bindung bis zu einem Stichtag vorsah, der außerhalb des Zeitraums lag, für den die Sonderzahlung gezahlt wurde (Bezugszeitraum).
Das BAG zur arbeitsvertraglichen Rückzahlungsklausel
Des Weiteren führte das BAG in seinem Urteil aus, dass die konkrete tarifvertragliche Rückzahlungsregelung jedoch unwirksam wäre, wenn sie in einem Arbeitsvertrag vereinbart worden wäre. Dabei nahm das BAG auf seine frühere Rechtsprechung zu arbeitsvertraglichen Rückzahlungsklauseln Bezug und stellte in diesem Zusammenhang dar, welche arbeitsvertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten herausgearbeitet wurden.
Und welche Gestaltungsmöglichkeiten stehen für arbeitsverträgliche Vereinbarungen zur Verfügung?
Zur Bestimmung der arbeitsvertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten sind Sonderzahlungen zunächst in eine der drei oben genannten Kategorien einzuordnen, da das BAG in den verschiedenen Kategorien unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten vorsieht. Welche Kategorie für die Sonderzahlung letztlich einschlägig ist, ist im Einzelfall anhand des Willens des Arbeitgebers und der von ihm verfolgten Zwecke zu bestimmen. Festzuhalten ist, dass bereits die Erwähnung eines Dankes für erbrachte Arbeitsleistung in der Regel dazu führt, dass die Sonderzahlung nicht mehr der Kategorie 2 zuzuordnen ist.
Bei einer Sonderzahlung aus der Kategorie 1 ist nach der Rechtsprechung des BAG bereits unwirksam, wenn für die Auszahlung arbeitsvertraglich die Voraussetzung aufgestellt wird, dass das Arbeitsverhältnis bis zu einem Zeitpunkt besteht, der außerhalb des Bezugszeitraums liegt. Das heißt bei einer Sonderzahlung dieser Kategorie darf für den Arbeitnehmer arbeitsvertraglich nur eine Bindung bis zu einem Zeitpunkt innerhalb des Bezugszeitraums entstehen, wenn sich der Arbeitgeber wirksam eine Ausschlussmöglichkeit vorbehalten möchte.
Bei Sonderzahlungen aus der Kategorie 3 wendet das BAG nach einer Rechtsprechungsänderung aktuell die identischen Grundsätze wie bei Sonderzahlungen aus der Kategorie 1 an. Ein Ausschluss des Anspruchs auf eine Sonderzahlung dieser Kategorie ist demnach nur wirksam, wenn er durch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses innerhalb des Bezugszeitraums ausgelöst wird.
Handelt es sich hingegen um eine Sonderzahlung der Kategorie 2, ist sogar eine arbeitsvertragliche Rückzahlungsvereinbarung wirksam, wenn die Rückzahlungspflicht durch eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses außerhalb des Bezugszeitraums ausgelöst wird. Das BAG begründet diese Differenzierung damit, dass der Arbeitnehmer bei Sonderzahlungen aus der Kategorie 2 nicht benachteiligt wird, indem ihm Vergütung für bereits erbrachte Arbeitsleistung vorenthalten wird. Ein solcher Zusammenhang fehlt aufgrund des alleinigen Zwecks, den der Arbeitgeber mit der Sonderzahlung aus der Kategorie 2 verfolgt.
Aber wie weit darf sich bei einer Sonderzahlung der Kategorie 2 der Stichtag vom Bezugszeitraum entfernen? Das BAG knüpft die Antwort an die Höhe der Sonderzahlung:
- bis zu einem Betrag in Höhe von 100,00 Euro ist eine Rückzahlungsklausel generell unwirksam;
- liegt die Sonderzahlung zwischen 100,01 Euro, aber unterhalb eines Bruttomonatsgehalts, ist eine Rückzahlungsklausel wirksam, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum März des Folgejahres die Rückzahlung der Sonderzahlung auslöst;
- übersteigt die Sonderzahlung ein Bruttomonatsgehalt, ohne aber zwei Bruttomonatsgehälter zu erreichen, ist die Rückzahlungsklausel wirksam, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum Juni des Folgejahres die Rückzahlung auslöst;
- eine Rückzahlungsklausel, die eine über den Juni hinausgehende Bindung des Arbeitnehmers bewirken soll, kann nur wirksam sein, wenn die Sonderzahlung eine eindrucksvolle und beachtliche Zuwendung darstellt.
Fazit und Handlungsempfehlung
Die Rechtsprechung des BAG eröffnet dem Arbeitgeber die Möglichkeit, eine Sonderzahlung und den Zeitpunkt, zu dem der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsverhältnis ausscheidet, miteinander zu verknüpfen. Der Umfang der Gestaltungsmöglichkeiten ist von den Zwecken abhängig, die der Arbeitgeber mit einer Sonderzahlung verfolgt. Der Arbeitgeber muss sich also zunächst die Zwecke bewusst machen, die er mit der Sonderzahlung verfolgt und die Zwecke – bestenfalls in schriftlicher Weise – detailliert dokumentieren. Zudem sollte mit einer Sonderzahlung jeweils nur ein Zweck – also entweder der Zweck, die Betriebstreue zu honorieren oder der Zweck, geleistete Dienste zu belohnen – verfolgt werden. Will der Arbeitgeber im zeitlichen Zusammenhang aber sowohl die Betriebstreue als auch geleistete Dienste honorieren, ist für diesen Fall anzuregen, zwei getrennte Sonderzahlungen zu tätigen, diese klar voneinander zu trennen und den jeweils verfolgten Zweck detailliert mit einem Begleitschreiben schriftlich zu dokumentieren.