Zehn Jahre AGG – der Stand der Dinge

Arbeitsrecht

Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz ist nun seit zehn Jahren in Kraft. Seither hat es schon vielfach die Gerichte beschäftigt und auch Anpassungen werden gefordert. Ein Überblick.

Im August 2006 trat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, kurz AGG genannt, zum Schutz vor Diskriminierungen in Kraft. Seitdem gab es zahlreiche Konkretisierungen durch Gerichtsurteile und Entwicklungen in der Praxis, wie zum Beispiel die Einführung anonymer Bewerbungsverfahren bei einigen Unternehmen. Zum zehnjährigen Jubiläum plädiert die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes für einen noch besseren Schutz vor Diskriminierungen und eine Änderung des Gesetzes.

Folgende Fragen treten in der Praxis nach wie vor besonders häufig auf:

Vor welchen Benachteiligungen schützt das AGG?

Das AGG schützt vor Benachteiligungen wegen der Rasse, der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität.

Sind auch übergewichtige Mitarbeiter nach dem AGG geschützt?

Übergewicht ist kein durch das AGG geschütztes Diskriminierungsmerkmal. Allerdings kann schwere Fettleibigkeit eine Behinderung sein und diese wiederum ist nach dem AGG geschützt. Dies hat der Europäische Gerichtshof Ende 2014 entschieden. Dabei ist – wie bei jeder anderen Behinderung – nicht relevant, ob der Arbeitnehmer zu seinem körperlichen Zustand selbst beigetragen hat.

In welchen Situationen sind Diskriminierungen von Arbeitnehmern nach dem AGG verboten?

Der Schutz von Arbeitnehmern durch das AGG beginnt nicht erst mit der Unterzeichnung eines Arbeitsvertrages. Vielmehr erstreckt sich der Schutz schon auf den vorvertraglichen Bereich und gilt auch für Bewerbung, Bewerberauswahl und Einstellung. Er umfasst ferner Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen. Insoweit ist der sogenannte Equal-Pay-Grundsatz, der gleiche Bezahlung von Männern und Frauen für die gleiche Tätigkeit fordert, besonders relevant. Schließlich ist das AGG auch bei Versetzungen und Beförderungen sowie Kündigungen und der betrieblichen Altersversorgung anwendbar.

Gibt es auch zulässige Ungleichbehandlungen?

Ja, Ungleichbehandlungen können erlaubt sein und stellen dann keine Diskriminierung dar. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn eines der oben genannten Merkmale wegen der Art der auszuübenden Tätigkeit eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt. Klassische Beispiele sind nach wie vor die Einstellung eines weiblichen Models für die Vorführung von Damenmode oder eines Sängers, wenn eine männliche Stimme aufgrund der Rolle in einer Oper oder einem Musikstück erforderlich ist. Ferner kann beispielsweise eine Ungleichbehandlung wegen des Alters gerechtfertigt sein, wenn damit ein legitimes Ziel wie unter anderem die Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur im Unternehmen verfolgt wird.

Welche Pflichten sollte der Arbeitgeber nach dem AGG in der Praxis besonders beachten?

Der Arbeitgeber ist unter anderem verpflichtet, Stellenausschreibungen so zu gestalten, dass sie keine Diskriminierung enthalten. Hierzu gab es in den letzten Jahren viele Urteile, die diese Verpflichtung konkretisiert haben. Das Gebot zur geschlechtsneutralen Ausschreibung wird inzwischen weitgehend eingehalten. Arbeitgeber sollten in jedem Fall aber auch den umschreibenden Merkmalen in einer Anzeige besondere Aufmerksamkeit schenken, um auch unbeabsichtigte mittelbare Diskriminierungen zu vermeiden.

Haftet der Arbeitgeber, wenn ein Headhunter oder eine Personalvermittlung eine nicht AGG konforme Stellenanzeige schalten?

Ja, wenn der Arbeitgeber Dritte in Stellenausschreibungen einbezieht, haftet er, wenn diese einen Bewerber diskriminieren. Allerdings kann der Arbeitgeber gegebenenfalls von dem Dienstleister Schadensersatz verlangen.

Welche Fristen sind zu beachten?

Einen Anspruch auf Entschädigung oder Schadensersatz wegen einer Diskriminierung müssen Arbeitnehmer innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend machen. Erfolgte die Diskriminierung bei einer Bewerbung für eine Stelle oder einer Beförderung, beginnt die Frist mit der Ablehnung. Eine Klage auf Entschädigung ist innerhalb von drei Monaten nach der schriftlichen Geltendmachung zu erheben. Arbeitgeber sollten insbesondere Bewerbungsunterlagen so lange aufbewahren, um eine Diskriminierung gegebenenfalls widerlegen zu können.

Zudem bleibt abzuwarten, ob diese Fristen im Rahmen einer möglichen Gesetzesänderung verlängert werden.

Gilt das AGG nur im Arbeitsverhältnis?

Nein. Das Gesetz hat seinen Schwerpunkt bei Diskriminierungen im Arbeitsverhältnis, enthält aber auch Vorschriften zum Schutz vor Benachteiligungen in einigen Zivilrechtsverhältnissen. Beispielsweise darf niemand wegen der oben genannten Diskriminierungsmerkmals bei der Reservierung in einem Restaurant benachteiligt werden.

Fazit
Durch die Einführung des AGG vor gut zehn Jahren hat sich der Schutz vor Diskriminierungen verbessert. Die oben dargestellten Grundsätze sollten sich vor allem Arbeitgeber und Arbeitnehmer ab und zu wieder in Erinnerung rufen, um auch unbeabsichtigte Diskriminierungen noch weiter zu vermeiden.

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Katrin Scheicht, Foto: Privat

Katrin Scheicht

Fachanwältin für Arbeitsrecht und Partnerin
Norton Rose Fulbright

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