Mails oder Anrufe der HR-Abteilung? Das kann nichts Gutes bedeuten – viele Mitarbeitende gehen gerade aktuell direkt von einer drohenden Kündigung aus. Über 100 Gespräche mit Personalverantwortlichen deutscher Top-Unternehmen haben uns gezeigt: Die Beziehung zwischen Mitarbeitenden und HR steht mit den veränderten Arbeitsbedingungen ganz neuen Herausforderungen gegenüber. Um zu vertrauensvollen Partner:innen der Teams zu zählen, gelten jetzt der Fokus auf neue Bedürfnisse, eine angepasste interne Kommunikation, ein ganzheitlich gedachtes Gesundheitsmanagement und das Neudenken der eigenen Rolle.
Offene Augen und Ohren für neue Bedürfnisse
Neue Arbeitsbedingungen kommen mit neuen Bedürfnissen, die sich mit jedem Lockdown und seinen Regeln auch wieder verändern. Nur wer die Bedürfnisse kennt, kann auch kurzfristig darauf reagieren. Wo liegen jetzt Herausforderungen und Unsicherheiten? Was bewegt das Team? Regelmäßige Evaluation ist entscheidend. In gemeinsamen Meetings kann die allgemeine Stimmung eingefangen werden, in direkten Feedbackgesprächen individuelle Wünsche abgefragt und größere Herausforderungen mit anonymen Umfragen beleuchtet werden.
Der Wunsch nach mehr offener Kommunikation zählt laut Peakon zu den Top 3 der Arbeitnehmer:innen-Feedbacks in Unternehmen, durch die Gerüchte, Flurfunk, Ängste und Perspektivlosigkeit vermieden werden können. Wer transparent kommuniziert und auch Entscheidungen erklärt, schafft in herausfordernden Situationen Akzeptanz und kann darüber hinaus das Zusammengehörigkeitsgefühl stärken. Fragen, die sich Mitarbeitende aktuell stellen, sind zum Beispiel: Wie läuft es mit dem Geschäft? Welche Konsequenzen hat das für mich als Arbeitnehmer:in? Welche Perspektiven gibt es? Die Besinnung auf die gemeinsame Vision kann hier Wunder wirken.
Mehr als Onboarding, Jahresfeedback und Kündigungsgespräche
Das Arbeiten im Büro lässt sich nicht 1:1 auf das Homeoffice übertragen, so auch nicht die interne Kommunikation. Die Basis für „gesundes“ Führen – insbesondere über Zoom – ist ein Vertrauensverhältnis. Die gute Nachricht: Das Vertrauen in die Mitarbeitenden im Homeoffice ist im vergangenen Jahr laut einer Umfrage im Wirtschaftsmagazin Capital stark gestiegen. Wer früher noch dachte, im Homeoffice würde nicht richtig gearbeitet, wurde positiv überrascht. Das Jahr hat bewiesen, dass zum Teil mehr gearbeitet worden ist und Personalverantwortliche hier sogar gegensteuern sollten. So hat SAP beispielsweise „Back-to-Back“-Meetings gestrichen – es dürfen also keine direkt aufeinander folgenden virtuellen Termine mehr stattfinden.
Andererseits senkt das langfristige mobile Arbeiten auch die emotionale Bindung zum Unternehmen. Man kennt es mittlerweile aus Teamcalls oder digitalen Betriebsfeiern – die Kamera ist schnell ausgeschaltet und man kann die Stimmung einer gemeinsamen Runde einfach nicht ersetzen. Personalverantwortliche dürfen gerade jetzt nicht nur fürs Jahresfeedback, administrative Angelegenheiten, Onboarding oder Kündigungen mit den Mitarbeitenden ins Gespräch kommen. Kurze Check-Ins, in denen die Stimmung im Team abgefragt wird, können bei gesunder Führung unterstützen. Es gilt also, regelmäßige Anlässe für eine positive Kommunikation zu schaffen. So können bestehende Benefits beispielsweise für wöchentliche Updates oder interne Challenges genutzt werden.
Wohlbefinden der Teams als Priorität
Die Ursache vieler Probleme sind die neuen Arbeitsbedingungen selbst. Hier ist die Kernfrage: Wie wird die Gesundheit der Mitarbeitenden beim mobilen Arbeiten sichergestellt? Für eine wirklich zufriedenstellende Lösung können Homeoffice-Budgets mit Wellbeing-Lösungen gekoppelt werden. So können sich Mitarbeitende beispielsweise über das Budget höhenverstellbare Tische für zuhause bestellen. Die Wellbeing-Angebote sollten wiederum für alle Mitarbeitenden gelten und auch praktikabel sein. So müssen sie nicht nur fürs Büro und Homeoffice, sondern oft auch für gewerbliche Mitarbeitende in Schichtarbeit funktionieren – Stichwort Flexibilität.
In einer Studie haben wir festgestellt: Zwei Drittel der Arbeitnehmenden in Deutschland wünschen sich mehr Unternehmensverantwortung für die eigene Gesundheit. Das Wohlbefinden zahlt sich dabei direkt auf die Zufriedenheit, emotionale Bindung, Motivation und Produktivität der Teams aus. So schätzen rund neun von zehn Arbeitnehmende ihr Wohlbefinden als wichtig für die Produktivität ein. Mit Verantwortung und echtem Interesse kann so auch das Vertrauen der Mitarbeitenden gewonnen und gehalten werden. Beispielsweise indem die langfristige und tatsächliche Nutzung von Gesundheitsmaßnahmen immer wieder angeregt wird. Wir arbeiten verstärkt mit der Einbindung von Führungskräften und positiver Incentivierung. Hier reicht es oft schon, den Wettkampfgeist zu wecken.
Die Zukunft der HR-Abteilung
Eine optimale HR-Abteilung schafft optimale Arbeitsbedingungen in einer optimalen Arbeitsatmosphäre. Dies zieht automatisch Talente an, die sich in den positiven kununu- und Glassdoor-Bewertungen bestätigt fühlen. Es geht darum, eine kulturschaffende Institution im Unternehmen zu sein – hier spielen die definierten und gelebten Werte eine entscheidende Rolle. Ein kleiner Test: Fragen Sie in Ihrem nächsten internen Meeting einfach mal, was die eigenen Unternehmenswerte sind? Viele kennen sie nicht, diese im Berufsalltag zu leben, ist dann natürlich noch schwieriger. Für Personalverantwortliche sollte zudem nicht wichtig sein, an alten Regeln, Strukturen und Systemen à la „das haben wir schon immer so gemacht” festzuhalten. Die neuen Arbeitsbedingungen können die Rolle der HR also nicht nur verändern, sondern stellen auch eine große Chance dar: Gemeinsam mit den Mitarbeitenden die Zukunft des eigenen Unternehmens gestalten.