Rund 27 Millionen Beschäftigte in Deutschland haben per Gesetz Anspruch auf Weiterbildung via Bildungsurlaub. Und trotzdem fristet der Bildungsurlaub in Deutschland immer noch einen Dornröschenschlaf – dabei schlafen sowohl Beschäftigte als auch Arbeitgeber. Denn zum einen kennen immer noch viel zu wenige überhaupt ihr Recht auf Bildungsurlaub oder sie trauen sich nicht, diesen zu beantragen. Und zum anderen haben viele Unternehmen den Mehrwert von Bildungsurlaub noch nicht verinnerlicht und sprechen von „Fehlzeit“ statt von „Förderung“. Hier müssen wir gemeinsam als Arbeitsgemeinschaft umdenken. Doch kurz einen Schritt zurück:
Was ist Bildungsurlaub?
Hinter Bildungsurlaub verbirgt sich der gesetzliche Anspruch von Arbeitnehmenden auf fünf bis zehn Tage Extraurlaub pro Jahr, für als Bildungsurlaub anerkannte Seminare. Bildungsurlaub kann weltweit stattfinden und es ist inhaltlich kein direkter beruflicher Bezug erforderlich. Wir sprechen von: Sprachkursen, Marketing-Fortbildungen und Führungskräftetrainings – aber auch von gesundheitlichen Präventionskursen wie Yoga oder Seminaren gegen Burnout. Die Kosten für den Bildungsurlaub tragen dabei die Arbeitnehmenden und das Unternehmen stellt diese für den Zeitraum bezahlt frei.
Bildungsurlaub – vom gesetzlichen zum freiwilligen Trend in Unternehmen
Berufliche Weiterbildung wird von den jeweiligen Bildungsurlaubsgesetzen der Länder zumeist breit verstanden, denn der berufliche Vorteil eines Bildungsurlaubskonzeptes darf sich auch erst mittelfristig einstellen. Zum Beispiel durch mental und körperlich gesunde Mitarbeitende. Diesen Mehrwert verinnerlichen auch immer mehr Unternehmen.
Bei einer Bildungsurlauber.de-Befragung von 14 DAX-Konzernen – bei der unter anderem Allianz, Deutsche Telekom, Merck und RWE teilnahmen – gaben 86 Prozent an, ihre Mitarbeitenden aktiv über ihr Recht auf Bildungsurlaub aufzuklären.
Beim Automobilhersteller Volkswagen hat sogar die Hälfte der Beschäftigten bereits mindestens einmal im Rahmen der Betriebszugehörigkeit Bildungsurlaub wahrgenommen. Die Begründung: „Volkswagen unterstützt die Teilnahme von Beschäftigten an Bildungsurlaubs-Maßnahmen. Diese Weiterbildungen bereichern und fördern die Beschäftigten, steigern die Arbeitszufriedenheit und erhöhen die Qualifikation der Teilnehmerinnen und Teilnehmer.“
Wie profitieren Arbeitgeber von Bildungsurlaub?
Wer Argumente pro Bildungsurlaub sucht, findet viele. Hier drei Impulse:
- Ergänzung des Betrieblichen Gesundheitsmanagements. Rückenschmerzen und psychische Erkrankungen wie Burnout waren laut DAK-Gesundheitsreport 2020 für über 30 Prozent der Arbeitsunfähigkeitstage aller Versicherten verantwortlich. Dabei dauerte ein psychischer Krankheitsfall durchschnittlich 39 Tage – so lange wie noch nie. Vor diesem Hintergrund ist der Besuch eines Anti-Burnout-Seminars oder eines Yoga-Seminars hochprofessionell und zukunftsgewandt, indem Beschäftigte aktiv und individuell in ihre Gesundheit investieren.
- Geringere Fluktuation. Die Fluktuation von Mitarbeitenden ist gerade für kleine und mittlere Betriebe ein Problem: Wenn Beschäftigte sich entscheiden ein Unternehmen zu verlassen, folgt oftmals die zeitlich und finanziell anstrengende Suche und Einarbeitung neuer Mitarbeitenden. Wer sich als Arbeitgeber einen attraktiven Bewerberpool wünscht und gleichzeitig Betriebszugehörige loyal und langfristig an sich binden möchte, der muss sich heutzutage neben der beruflichen auch für deren persönliche Weiterentwicklung interessieren. Das Gehalt am Ende des Monats zu zahlen, reicht nicht mehr aus.
- Motivierte Mitarbeitende durch Wertschätzung und Förderung. 5,7 Millionen Arbeitnehmenden in Deutschland haben laut der Gallup-Studie 2020 bereits innerlich gekündigt. Mit „Dienst nach Vorschrift“ bewältigt man allerdings selten Herausforderungen. Gespräche mit Personen, die Bildungsurlaub genommen haben, zeigen: Bildungsurlaub kann die Begeisterung für lebenslanges Lernen sowie die Motivation und Zufriedenheit im Job stärken. Wer Raum für frische Ideen hat, packt auch frisch (und anders) an.
So ermutigen Sie Mitarbeitende zu Bildungsurlaub
Wer sich als Unternehmen bildungsurlaubsfreundlich zeigen will, sollte offen kommunizieren. Auch hier drei Tipps:
- Bildungsurlaub gehört in Stellenanzeigen. So geben Sie direkt Einblick in Ihre Unternehmenskultur. Denn: Im Wettbewerb um motivierte, gut ausgebildete Fachkräfte, müssen Arbeitgeber heute mehr leisten, als nur das Gehalt zu zahlen.
- Sprechen Sie auch firmenintern über Bildungsurlaub. Zum Beispiel im Intranet, in Feedbackgesprächen oder via HR-Veranstaltungen. Die transparente Kommunikation zeugt von ehrlichem Interesse an der persönlichen Weiterentwicklung der Beschäftigten und bestärkt sie Bildungsurlaub zu nehmen.
- Akzeptanz nicht nur theoretisch stärken. Bildungsurlaub muss in einem Unternehmen nicht nur erklärt, sondern gelebt werden. Mein Tipp: Ermutigen Sie Beschäftigte nach dem Bildungsurlaub ihrem Team einen kleinen Einblick über das Gelernte zu geben – so profitiert gegebenenfalls nicht nur eine Person, sondern ein ganzes Team vom Seminar zu gewaltfreier Kommunikation oder Entspannungstipps. Außerdem werden so auch andere Mitarbeitende ermutigt Bildungsurlaub wahrzunehmen. Ganz nach dem Motto: Bildungsurlaub wird mehr, wenn man ihn teilt.
Fazit
Bildungsurlaub ist ein Tool, dass Selbstverantwortung, Selbstvertrauen und Selbstwirksamkeit von Menschen fördert. Wer erwartet, dass Mitarbeitende eigenverantwortlich Herausforderungen im Arbeitsleben lösen, offen neuen Lösungen gegenüberstehen und motiviert anpacken – der profitiert genau davon. Denn letztlich ist die Förderung keine Fehlzeit, sondern eine Wertschätzung mit Mehrwert. Für alle.