Der Fachkräftemangel und neue Ansprüche an den Arbeitgeber stellen Unternehmen im Recruiting vor Herausforderungen. Employer Branding wird somit immer mehr zur Königsdisziplin.
Aufgrund des demografischen Wandels gibt es in Deutschland immer weniger potenzielle Arbeitskräfte. 4 von 5 Unternehmen haben bereits Probleme, offene Stellen zu besetzen (Ernst & Young, „Mittelstandsbarometer 2018“). Aus der Personalknappheit erwachsen verpasste Wachstumschancen, die zu großem wirtschaftlichen Schaden führen können. Aber nicht nur das Finden der richtigen Mitarbeiter gestaltet sich zunehmend schwierig, auch das Binden fällt schwer. Laut einer Studie des Gallup-Instituts fühlen sich 85 Prozent der Arbeitnehmer kaum oder gar nicht emotional mit ihrem Arbeitgeber verbunden. Die Folgen sind eine höhere Fluktuation, mehr Fehltage und eine geringere Produktivität (Gallup Institut, „Gallup Engagement Index 2016“). Das Finden und Binden der richtigen Beschäftigten wird daher für immer mehr Unternehmen zu einer zentralen Business-Herausforderung.
Diese Entwicklung hat dazu geführt, dass Employer Branding in den letzten Jahren enorm an Bedeutung hinzugewonnen hat. Der Aufbau einer attraktiven Arbeitgebermarke soll helfen, die richtigen Mitarbeiter für das Unternehmen zu begeistern und für eine hohe Identifikation der Beschäftigten mit ihrem Arbeitgeber zu sorgen. Die meisten Unternehmen haben die Bedeutung von Employer Branding zwar erkannt, aber noch keine Strategie für ihre Arbeitgebermarke entwickelt und umgesetzt. Hier klafft in der Realität noch eine große Lücke zwischen Theorie und Praxis. Im Folgenden wird ein etablierter Ansatz aus der Praxis zum Aufbau einer starken Arbeitgebermarke vorgestellt.
Initiierung – Alles beginnt mit dem richtigen Set-up.
Es ist ein Irrglaube, dass mit der Freigabe eines Mini-Budgets und dem Abstellen eines Mitarbeiters eine starke Arbeitgebermarke aufgebaut werden kann. Mit der Entscheidung eine Arbeitgebermarke aufzubauen, beginnt ein Veränderungsprozess. Um diesen erfolgreich zu gestalten, müssen bestimmte Voraussetzungen geschaffen werden. Grundlegend für den Erfolg sind das Commitment der Führungsebene, die Partizipation der relevanten Stakeholder und Mitarbeiter, Transparenz durch projektbegleitende Kommunikation, sowie genügend Zeit, Ressourcen und Verantwortung für das Projektteam. Dieses besteht idealerweise aus Entscheidern aller relevanten Bereiche und Initiativen (HR, Marketing, Change etc.), steuert den gesamten Prozess und stellt sicher, dass die Arbeitgebermarke in allen Bereichen des Unternehmens zum Leben erweckt wird.
Identität – Ein starkes strategisches Fundament legen
Der Grundstein für ein starkes Arbeitgeber-Profil wird bereits mit der Positionierung der Arbeitgebermarke gelegt. Die Employer Value Proposition (EVP) beantwortet die Frage, wofür das Unternehmen als Arbeitgeber im Kern steht und was das zentrale Versprechen an potenzielle und bestehende Mitarbeiter/-innen ist. Sie gibt die Richtung für alle Employer Branding-Maßnahmen vor.
Viele Marken versprechen das Gleiche, weil sie sich bei der Erarbeitung der EVP vor allem an den Anforderungen der Zielgruppe aus den gängigen Studien orientieren. Wer aus der Masse herausstechen möchte, muss sich auf die eigenen Stärken und die eigene Kultur berufen. So wird auch die Authentizität der Arbeitgebermarke sichergestellt, denn es wird nichts versprochen, was im Unternehmensalltag nicht erlebt wird und somit zu Irritationen und Frustrationen der Mitarbeiter/-innen führen könnte. Es gilt also die wahren Stärken und Kulturmerkmale des Arbeitgebers zu identifizieren und ein relevantes Versprechen an potenzielle und bestehende Mitarbeiter/-innen abzuleiten, das vom Wettbewerb differenziert, zur Unternehmensmarke passt und im Einklang mit der Vision des Unternehmens steht.
Involvement – Die Mitarbeiter einbeziehen.
Die Mitarbeiter werden oftmals nicht eingebunden und erfahren viel zu spät von der Neuausrichtung der Employer Brand – im schlimmsten Fall aus der Presse. Damit die Arbeitgebermarke von allen verstanden, angenommen und letztendlich gelebt wird, müssen die Mitarbeiter frühzeitig informiert und Möglichkeiten zum Austausch sichergestellt werden. Darüber hinaus sollten die Mitarbeiter, passend zur Unternehmenskultur, aktiv eingebunden und an der Maßnahmenentwicklung beteiligt werden. So werden emotional Unbeteiligte idealerweise zu Fürsprechern der Marke mit hoher Identifikation.
Idee – Raus aus dem Einheitsbrei
Die Welt der Employer Brand-Kommunikation ist mehrheitlich durch übertrieben positive Klischeewelten gekennzeichnet. Glückliche Arbeitnehmer in typischen Arbeitssituationen und generische Versprechen dominieren die Auftritte der meisten Arbeitgeber. Um in dieser Welt zu bestehen und etwas zu bewegen,braucht es originelle Lösungen, die für Begeisterung und Interaktion sorgen.
Integration – An allen relevanten Kontaktpunkten erlebbar
Die EVP sollte entlang der gesamten Candidate Journey an allen relevanten Kontaktpunkten erlebbar werden. Im besten Fall spüren Kandidatinnen und Kandidaten in der Phase vor dem Eintritt ins Unternehmen, in der Bewerbungsphase und in der Phase nach Eintritt ins Unternehmen die EVP, immer und überall. Welche Kontaktpunkte relevant sind, hängt von der Mediennutzung der Zielgruppe ab. Fakt ist, dass Employer Brand-Kommunikation bereits heute zum Großteil digital ist – aufgrund der Mediennutzung, der relativ geringen Budgets und der Möglichkeit unterschiedlichste Zielgruppen sehr effizient erreichen zu können. Es ist zu empfehlen, mit der Aktualisierung und Optimierung der eigenen Kanäle (z.B. Karrierewebsite) zu beginnen und daran anschließend die Zielgruppen durch zielgerichtete Maßnahmen (z.B. Werbebanner) zu aktivieren.
Der vorgestellte Ansatz kann ein Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber positionieren. Über eines sollte man sich allerdings im Klaren sein – eine starke Arbeitgebermarke lässt sich nicht über Nacht aufbauen. Der Aufbau muss langfristig geplant und über Jahre hinweg kontinuierlich verfolgt werden.