Work hard, rest harder

Healthy Workplace

Was braucht es, um erfolgreich zu sein? Fast alle von uns denken bei dieser Frage unwillkürlich: „Harte Arbeit – ist doch klar!“ Dabei sollte uns inzwischen bewusst sein, dass uns harte Arbeit ohne Ausgleich krank macht: Die Fälle von Burn-out nehmen seit Jahren zu. Immer mehr Studien zeigen, dass Gründerinnen und Gründer sowie Führungskräfte vermehrt unter Depressionen, Suchtproblemen und bipolaren Störungen leiden.

Das spiegelt sich auch in unseren Gesprächen mit People-und-Culture-Teams wider: Die größte Herausforderung für Personalverantwortliche im Jahr 2024 sind Stress und Burn-out – sowohl für sie selbst als auch für ihr Team. Der Preis für „schneller, höher, weiter“ ist am Ende unsere körperliche und mentale Gesundheit. Dieser Preis ist zu hoch. Deshalb müssen wir Arbeit neu denken. Oder anders gesagt: Work hard, rest harder.

Mit Ruhe und Ausgeglichenheit zu mehr Erfolg

Was ich an diesem Thema am spannendsten finde: Gezielte Pausen und ein guter Ausgleich zur Arbeit stehen unserem Erfolg nicht im Weg, sondern befördern ihn. Sie machen uns am Ende produktiver. Deshalb wäre es auch aus einer rein unternehmerischen Perspektive weitaus besser, auf die eigene Gesundheit zu achten: Pausen heben zum Beispiel die Stimmung, steigern die Leistungsfähigkeit und erhöhen die Konzentration. Sie helfen uns dabei, Burn-out vorzubeugen und mit Stress umzugehen. Übrigens: Ich fasse den Begriff Pausen hier etwas weiter und meine damit nicht nur das klassische „Ausruhen“, sondern auch Zeit für Sport, Zeit für sich selbst und Zeit für soziale Kontakte.

Unser Gehirn im Ruhezustand

Bestimmte Bereiche unseres Gehirns werden tatsächlich erst dann aktiv, wenn wir zur Ruhe kommen. Man nennt das ein Default Mode Network (DMN), auf Deutsch auch Ruhezustandsnetzwerk. Es ist unter anderem für Erinnerungen, Kreativität und unser Selbstwertgefühl zuständig. Wir kennen das: Man steht unter der Dusche, denkt an nichts Besonderes und hat genau da die zündende Idee für ein Problem im Job. Das verdanken wir unserem DMN. Dabei wird das DMN nicht nur im absoluten Ruhezustand aktiviert, sondern zum Beispiel auch durch intensive Workouts. Und genau deshalb brauchen wir für eine nachhaltige Leistungsfähigkeit eine gute Balance zwischen Bewegung, Schlaf, Zeit für sich selbst und sozialen Interaktionen.

Es ist ein Marathon, kein Sprint

Hart, schnell und ohne Pausen zu arbeiten funktioniert. Für eine Weile. Und kann in kritischen Phasen sogar Sinn machen. Aber irgendwann funktioniert es eben nicht mehr. Wann dieser Punkt erreicht ist und was wir als Ausgleich brauchen, ist individuell sehr unterschiedlich. Für mich ist zum Beispiel Sport am Morgen essenziell, um resilient und ausgeruht in den Arbeitstag zu starten – für andere löst die Vorstellung, um sieben Uhr morgens im Fitnessstudio zu sein, vielleicht noch mehr Stress aus. Umso wichtiger ist es, sich selbst zu kennen: Wann brauche ich Pausen, wann brauche ich Bewegung, wann kann ich motiviert und fokussiert arbeiten? Dabei sollte man die Erwartungen an sich selbst managen. Um einen unserer Psychologen zu zitieren: „Leg’ dir die Latte vielleicht so hoch, damit du sie zumindest noch mit den Fingerspitzen erreichen kannst.“

Dieser Ansatz sollte sich letztendlich in den Zielsetzungen, der Arbeitszeit und der eigenen Fehlerkultur wiederfinden. So kann man am Ende auf ein starkes Jahr und nicht auf eine starke Woche mit anschließendem Burn-out zurückblicken. Ein kleiner Tipp dazu, der banal klingt, aber sehr hilfreich ist: Die Ausgleichszeiten sollten schon am Anfang der Woche klar im Kalender eingeplant sein: Wenn ich zum Beispiel donnerstags immer um 19 Uhr mit Freunden verabredet bin, ist es wahrscheinlicher, dass ich auch tatsächlich pünktlich aus dem Büro komme und mir Zeit dafür nehme.

Self care verbessert die Unternehmenskultur

Wenn wir uns als Führungskräfte um uns selbst kümmern und unsere Gesundheit zur Priorität machen, bestärken wir unser Team darin, dasselbe zu tun. Einige Studien zeigen, dass sich die Unterstützung der mentalen Gesundheit von Führungskräften direkt auf die mentale Gesundheit im gesamten Unternehmen auswirkt. Das hat andererseits mit der Vorbildwirkung der Führungskräfte zu tun und andererseits mit den weitreichenden Veränderungen im Verhalten der Vorgesetzten und im gesamten Unternehmen, die dadurch angestoßen werden.

Klar, solche Veränderungen sollten nicht nur Top-Down erfolgen, sondern sollten in ganzheitliche Ansätze eingebettet sein. Doch das Vorleben gesunder und nachhaltiger Muster führt am Ende unternehmensweit zu weniger Stress, stärkerer Mitarbeiterbindung und mehr Wohlbefinden im Team. Ich würde sogar behaupten, dass eine gesunde Unternehmenskultur nie funktionieren wird, wenn Führungskräfte nicht mit gutem Beispiel vorangehen.

So ganz nebenbei macht es sie am Ende auch zu besseren Führungskräften: Nur, wenn sie selbst ausgeglichen und gesund sind, sind sie resilient und haben die mentalen Kapazitäten, sich um ihr Team zu kümmern.

Der Weg zu nachhaltigen Arbeitsstrukturen

 Wir kennen sie alle, die guten alten Selfcare-Tipps. Was dabei aus meiner Sicht oft nicht genug betont wird: Sich um sich selbst zu kümmern ist nicht egoistisch und steht nicht im Widerspruch zu beruflichem Erfolg. Ganz im Gegenteil: Unsere Zufriedenheit und Gesundheit erlauben es uns, eine gute Führungskraft zu sein. Sich um sich selbst zu kümmern, ist eine Investition in das eigene Wohlbefinden und den Erfolg des Unternehmens.

Hier ein paar Ansätze, die für mich gut funktionieren – ohne einen Anspruch auf Vollständigkeit:

  • Ich behalte mein Energielevel im Auge: Wenn ich merke, dass ich anhaltend müde, gestresst oder ausgelaugt bin, frage ich mich: Was hat sich verändert? Was zieht mir im Moment Energie? Was gibt mir normalerweise Energie, kommt aber im Moment zu kurz? Das kann Sport sein, das kann richtige Ernährung sein oder vielleicht auch einfach mal wieder Zeit mit Menschen, die mir guttun.
  • Ich meditiere seit fünf Jahren fast jeden Tag. Mir hilft das enorm, abzuschalten, meine Gedanken zu ordnen und fokussiert zu sein. Auch hier gilt: Jeder Mensch muss das finden, was ihm oder ihr guttut. Ich kenne auch Personen, die aktive Meditationen bevorzugen.
  • Ich spreche über die Dinge, die mich beschäftigen. Oft sind es auch scheinbar kleine Dinge, aber gerade dieser präventive Ansatz kann dabei helfen, Krisen zu verhindern.

Alle Tipps für mehr Ausgeglichenheit klingen oft banal und einfach, sind aber an vielen Tagen unglaublich schwer umzusetzen. Ein Vorgesetzter, der Druck macht, eine Deadline, die gehalten werden muss oder auch einfach die Leidenschaft für den eigenen Job. Ich denke, am Ende liegt es an uns selbst, das richtige Maß der Dinge zu finden, aber auch an Unternehmen, gesunde und nachhaltige Strukturen zu schaffen, die es uns erlauben, erfolgreich zu arbeiten.

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Jonas Keil

Jonas Keil ist Co-CEO und Co-Founder vom HR-Tech-Unternehmen Nilo Health, einem Anbieter zur Förderung der mentalen Gesundheit am Arbeitsplatz. Keil ist zudem als Speaker für Organisationsentwicklung, nachhaltige Unternehmenskultur und gesunde Führung tätig. In seiner Kolumne "Healthy Workplace" schreibt er darüber, wie mentale Gesundheit, Performance und eine nachhaltige Unternehmens- und Führungskultur zusammenhängen.

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