„Red’s in a Sackerl und stell’s ma vor die Tür“ – das war die Antwort, die eine meiner (österreichischen) Mitarbeiterinnen von ihrem ehemaligen Manager in einem Gespräch über Überforderung im Job bekommen hat. Was so viel bedeutet wie: „Hör auf zu reden, es interessiert mich nicht, was du sagst“. Das zeugt nicht von großer Empathie.
Seit ich selbst Führungsverantwortung habe, merke ich jedoch, dass diese Eigenschaft (oder soll man es Skill nennen?) um einiges komplexer ist, als ich bisher dachte. Empathische Führung scheint oft im Widerspruch zu Zielerreichung, Erfolg oder Performance zu stehen. Ich frage mich dabei immer: Ist der Widerspruch tatsächlich so groß?
Ist es nicht vielmehr so, dass sich unsere Wahrnehmung von Leistung, Führung und Arbeit ändert: Die Zeiten des strengen, autoritären Chefs, der seinem Team Befehle entgegen bellt, sind eindeutig vorbei. Im Gegenteil. Die erfolgreichsten – und beliebtesten – Leader führen mit Empathie; sie geben ihrem Team das Gefühl, gesehen und respektiert zu werden.
Warum Empathie gerade am Arbeitsplatz wichtig ist
Empathie ist die Fähigkeit, sich in die Perspektiven, Emotionen und Einstellungen von anderen Menschen einzufühlen. Was viele falsch verstehen: Empathische Führung bedeutet dabei nicht uneingeschränkte Nettigkeit oder „Kuschelkurs“ im Team – sie bedeutet Respekt und Verständnis für andere in der gemeinsamen Arbeit an Unternehmenszielen.
Einige Studien zeigen inzwischen, dass empathische Führung die Performance im Team tatsächlich fördert: Laut einer Studie von EY US Consulting sind 86 Prozent der Mitarbeitenden überzeugt, dass empathische Führung die Motivation im Team verbessert. Ein empathischer Führungsstil wirkt sich am Ende durchweg positiv auf das Unternehmen aus: Mehr Innovation, mehr Motivation und stärkere Mitarbeiterbindung – und, was mir von all dem am wichtigsten erscheint: Mitarbeitende sind gesünder und zufriedener.
„You can’t pour from an empty cup“
Die Grundlage für empathische Führung ist eine gute mentale Verfassung der Führungskraft selbst. Dabei stehen gerade Leader oft unter enormen Druck, den (finanziellen) Erfolg des Unternehmens zu gewährleisten und ihre Teams dementsprechend zu pushen. Eines wird den Leadern dabei aber immer abgesprochen: Sie sind am Ende auch „nur“ Menschen, die genauso mit finanziellem Druck, geopolitischen Ereignissen und ihren eigenen persönlichen Herausforderungen konfrontiert sind.
Oft wird das zu viel: Die Krankheitstage aufgrund von Stress gehen seit Jahren laufend nach oben, Depressionen und Burnout werden immer mehr zum Problem. Der erste Schritt zu einem empathischen Führungsstil muss also Prävention und Awareness für das eigene Wohlbefinden sein. Denn letztlich kann man aus einem leeren Brunnen nicht schöpfen, wie auch das Sprichwort „You can’t pour from an empty cup“ sehr gut ausdrückt.
Unter Druck entstehen… keine erfolgreichen Teams
Um meine Frage aus der Einleitung wieder aufzunehmen: Aus meiner Sicht ist der Gegensatz zwischen empathischer Führung und deinem Unternehmenserfolg keiner. Vielmehr gehen die beiden Hand in Hand. Mir erscheint das auch durchaus logisch: Einerseits hilft mir die empathische Führung dabei, Mitarbeitende und ihre Bedürfnisse, Interessen und Stärken besser zu verstehen. Damit kann ich ihre Fähigkeiten gezielt einsetzen und sie motivieren. Andererseits fördert ein empathischer Führungsstil das Vertrauen und die psychologische Sicherheit in Teams, was die Motivation, Innovation, die Feedbackkultur und die Mitarbeiterbindung deutlich verbessert. Laut Studien von Catalyst zu „Benfits of Empathy“ sind es ganze 61 Prozent mehr an Innovation und 76 Prozent mehr Engagement der Mitarbeitenden. Richtig gute Ergebnisse entstehen dort, wo ambitionierte Erwartungen und hohe Standards auf eine respektvolle, psychologisch sichere Unternehmenskultur treffen.
Mehr als ein Bauchgefühl
Wir haben Empathie und empathische Führung viel zu lange als ein „Gespür“, als ein „gutes Bauchgefühl” verstanden. Ein guter Weg, Empathie greifbarer zu machen, ist es, sie zur Kennzahl für den Erfolg einer Führungskraft zu machen. Einige Bereiche, in denen man Empathie im Unternehmen konkret integrieren kann, sind zum Beispiel:
- Kommunikation: Es klingt so simpel, kann aber so viel bewirken: Einfach mal die Teammitglieder fragen, wie es ihnen geht. Damit meine ich nicht den obligatorischen „Wie geht’s?“ – „Danke, gut!“ Dialog im Vorbeigehen, sondern eine ernst gemeinte Frage, die Raum für eine ausführliche Antwort gibt.
- Prozesse und Richtlinien: Je diverser ein Team, desto diverser sind die Lebensentwürfe, Bedürfnisse und Anforderungen der Mitarbeitenden. Und hier liegt ja der Kern von empathischer Führung: Das Einfühlen in die Erfahrungen und Bedürfnisse anderer. Konkret heißt das, Mitarbeitenden genug Flexibilität zu geben, um den eigenen „Sweet Spot“ zu finden und Diversität und Inklusion in den Regeln und Richtlinien im Team zu verankern.
- Unterstützung: Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, dass es nicht immer einfach ist, empathisch zu führen. Wir sehen oft, dass Manager damit alleine gelassen werden und überfordert sind. Dabei gibt es inzwischen genügend Unterstützungsangebote, die Menschen mit Führungsverantwortung dabei helfen, gute Strategien für empathische Führung zu entwickeln und sie beraten, wenn sie an ihre Grenzen stoßen.
Der erste Teil der Kolumne Healthy Workplace: