Arbeiten im Metaverse: Rechtsprobleme der Personalführung

Arbeitsrecht

Das Metaverse ist ein gemeinsam genutzter digitaler Raum, der digitale Repräsentationen von realen Objekten enthält. Einige Unternehmen bezeichnen das Metaverse als eine neue Wirtschaft, ein völlig neues Geschäftsparadigma, das durch den kombinatorischen Effekt der Entwicklung verschiedener Technologien angetrieben wird. Es wird als Zukunftstrend gesehen, was die Umbenennung von Facebook in Meta deutlich macht.

Im Kern baut das Metaverse auf den Grundlagen immersiver und dezentraler Technologien auf. Es ist ein Vorgriff auf die virtuelle Realität des realen Lebens, indem die physische Welt durch Technologien wie AR-Headsets (Augmented Reality), Brillen und VR-Handschuhe (Virtual Reality) in die digitale Dimension erweitert wird. Für die Nutzenden ergeben sich umfangreiche Interaktionsmöglichkeiten.

Das Metaverse bietet eine fast unbegrenzte Anzahl an Nutzungsmöglichkeiten und Anwendungsszenarien. Es können beispielsweise Teamarbeiten erledigt werden und es kann in hybriden Modellen gearbeitet werden. Es kann digital in hybriden Schulungsmodellen unterrichtet werden. Auch Kundenakquise, Kundenberatungen, Werbe- und Marketingkampagnen können virtuell und real durchgeführt werden.

Besonders für Führungskräfte mit Personalverantwortung ist es daher relevant etwas über das Metaverse sowie die damit verbundenen arbeitsrechtlichen Problemstellungen und nicht nur über datenschutzrechtliche Themen zu wissen.

Das Metaverse als Chance

Es besteht kein Zweifel, dass virtuelles Arbeiten in den letzten Jahren seine Vorteile hatte, aber auch seine Grenzen. Es wird behauptet, dass die erhöhte Konnektivität des Metaverse viele Probleme im Zusammenhang mit virtuellem Arbeiten löst. Die Verlagerung von Arbeits- und Beschäftigungsbereichen ins Metaverse bieten die Möglichkeit, an einem virtuellen Tisch zu sitzen und die Körpersprache der Teammitglieder zu lesen. Dies soll die Beziehungen am (hybriden) Arbeitsplatz verbessern und die Zoom-Müdigkeit minimieren. Gemeinsames Arbeiten wird im Metaverse auf eine neue Ebene gehoben. Es könnten Fachingenieurinnen aus verschiedenen Ländern dynamisch an einem Sandkastenprojekt zusammenarbeiten oder Chirurgen in Echtzeit arbeiten, während Studierende zusehen.

Für die Angestellten, so der Hype, soll das Metaverse die Voreingenommenheit der Büroangestellten abschwächen, da alle Angestellten im selben Medium arbeiten werden. Aber wird es zu einer Gleichmacherei führen?

Diskriminierung von Avataren

Die Arbeit im Metaverse wird trotz der versprochenen Vorteile der Konnektivität und Flexibilität neue arbeitsrechtliche Probleme aufwerfen. Viele Probleme am heutigen Arbeitsplatz könnten sich im Metaverse wiederholen und möglicherweise noch verschärfen.

Dies gilt beispielsweise für die Bereiche Gleichberechtigung und Diskriminierung: Avatare am Arbeitsplatz sind ein besonderes wichtiges Thema. Ein Avatar ist die virtuelle Repräsentation einer Person im Metaverse. Teammitglieder werden in der Lage sein, das Aussehen ihres Avatars individuell zu gestalten, ähnlich wie bei der Wahl der Kleidung für die Arbeit.

Obwohl sie schon seit einiger Zeit in Online-Spielen verwendet werden, sind Avatare am Arbeitsplatz ein neues Konzept ohne soziale Normen oder Erwartungen. Bei der Anpassung kann man die Rasse, das Geschlecht oder sogar den Schwangerschaftsstatus ändern.

Man kann sich vorstellen, dass dies zu einer Vielzahl von Problemen führen kann. Avatare eröffnen eine ganz neue Welt diskriminierender Verhaltensweisen – Beschneidung der Geschlechtsidentität, kulturelle Aneignung, Stereotypisierung, Belästigung, die Liste ist endlos.

Auch das Ausmaß, in dem der Arbeitgeber verlangt, dass der Avatar eines Teammitglieds „realistisch“ ist, kann problematisch sein. Wieweit kann sich der Arbeitgeber in die Identitätsfindung eines Teammitglieds einmischen? Wann liegt ein unzulässiger Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Person vor?

Fehlverhalten im virtuellen Raum

Auch auf mögliches Fehlverhalten von Mitarbeitenden sollten Führungskräfte ein besonderes Augenmerk legen.  Ein virtueller Raum oder virtuelle Interaktionen können sich weniger real anfühlen, was sich auf das Verhalten einer Person und die Wahrung beruflicher Grenzen auswirken kann. Man denke nur an die Trolle in den sozialen Medien, die sich in einer gewissen Anonymität verstecken. Dies wirft die Frage auf, inwieweit eine Führungskraft einen sicheren Arbeitsbereich für ihr Team gewährleisten und überwachen kann. Wie kann man Fehlverhalten in einem Online-Raum verhindern, der nicht über die Aufsichts- und Kontrollmechanismen verfügt, die am physischen Arbeitsplatz vorhanden sind?

Die dunkle Seite des Metaverse ist kürzlich ans Licht gekommen: Kürzlich wurde eine Journalistin im Metaverse sexuell belästigt. Ihr Avatar wurde von einem anderen Nutzer begrapscht. Meta – ehemals Facebook – reagierte daraufhin, indem es einen Vier-Fuß-Abstand zwischen Avataren vorschrieb. Das Problem ist, dass dies reaktionär und nicht präventiv ist. Und verfehlt ein Vier-Fuß-Abstand nicht seinen Zweck? Kann dies wirklich die neue Ebene der Zusammenarbeit fördern, die das Metaverse verspricht?

Richtlinien anpassen

Bestehende Arbeitsplatzrichtlinien müssen überarbeitet und an die Kompatibilität mit dem Metaverse angepasst werden, und sie müssen regelmäßig überarbeitet werden, wenn sich die Technologie weiterentwickelt, um die Sicherheit der Mitarbeitenden zu gewährleisten.

Führungskräfte müssen hier den Überblick behalten. Sie müssen sicherstellen, dass sie und ihr Team über die besten Praktiken im Metaverse Bescheid wissen (sobald diese bekannt sind) und über entsprechende Schulungen verfügen (sobald diese entwickelt wurden). Insoweit ist rechtszeitiges Handeln gefragt, nichts zu tun ist keine Option.

Die Führungskräfte sind mit der Verpflichtung aus dem Gleichbehandlungsgesetz vertraut und somit damit, beispielsweise angemessene Anpassungen für schwerbehinderte Mitarbeitende vorzunehmen. Infolge der Pandemie sind sie zudem damit vertraut, solche Anpassungen auch vorzunehmen, um die Arbeit im Homeoffice zu erleichtern. Die Anpassung an eine Umgebung, die mit den neuen Technologien funktioniert, wird jedoch die Einführung neuer Arbeitsmethoden erfordern. Dies ist Neuland und wird zwangsläufig mit einer Lernkurve für alle Beteiligten einhergehen. Dies muss sorgfältig gesteuert werden.

Gesundheit und Wohlergehen

Das Wohlergehen der Mitarbeiter ist ein weiteres Problem. Das Metaverse kann sich positiv auf die Konnektivität der Mitarbeitenden auswirken, aber schlechte Grafik und technische Probleme beeinflussen das Nutzererlebnis und führen dazu, dass sich die Personen abgekoppelt oder nicht engagiert fühlen, was zu Stress und Leistungsschwäche führen kann. Nutzerinnen und Nutzer der derzeit auf dem Markt befindlichen VR/AR-Headsets haben berichtet, dass sie über längere Zeiträume schwerfällig und unbequem zu benutzen sind, was sich negativ auf das Wohlbefinden der Menschen auswirkt.

Das Metaverse könnte somit zwar dazu beitragen, einige Barrieren zu beseitigen, doch besteht auch die Gefahr der Ausgrenzung. Führungskräfte müssen sicherstellen, dass die VR/AR-Technologie beispielsweise schwerbehinderte Beschäftigte nicht ausschließt. Für diejenigen, die bereits Schwierigkeiten am „normalen“ Arbeitsplatz haben, könnten sich diese Probleme noch verschlimmern. Es handelt sich um eine neue Arbeitswelt, und viele könnten es zu schwierig finden, in einem virtuellen Raum mitzuarbeiten.

Metaverse als Arbeitsplatz der Zukunft?

Es bleibt abzuwarten, ob die Mitarbeitende die Arbeit im Metaverse annehmen werden. Wenn der Arbeitgeber diesen Weg einschlägt – und manche sagen, dass dies eines Tages jedes Unternehmen tun muss –, dann muss dies sorgfältig geplant und gesteuert werden. Eine vom Fachinstitut Yougov in Auftrag gegebene Studie in deren Rahmen rund 7.500 Berufstätige in den USA, Großbritannien, Brasilien, Singapur, China und Japan befragt wurden, hat überraschender Weise gezeigt, dass 44 Prozent der Arbeitnehmenden im Metaverse arbeiten möchten. 20 Prozent haben angegeben, nicht in einem Metaversum arbeiten zu wollen, 21 Prozent war es egal, und 15 Prozent haben gesagt, sie haben sich noch keine Meinung gebildet.

Viele Beschäftigten machen sich jedoch Sorgen über die Fähigkeit ihres Arbeitgebers, einen reibungslosen technischen Übergang in das Metaverse zu ermöglichen. Die Beratung der Mitarbeitenden über die Pläne für den Einstieg in das Metaverse, die Anhörung ihrer Bedenken und die Zusammenarbeit mit ihnen bei der Entwicklung von Arbeitsmethoden (Richtlinien und Verfahren) werden für das Gelingen dieses Vorhabens entscheidend sein.

In dem Maße, in dem sich das Metaverse ausweitet, kommen mehr rechtliche und regulatorische Fragen ans Licht, auf die wir vorbereitet sein müssen. Das Metaverse bietet zwar aufregende Möglichkeiten für die Zukunft des hybriden Arbeitens, wird aber auch einige Herausforderungen mit sich bringen. Derzeit stoßen wir mit der derzeitigen Technologie und Infrastruktur an Grenzen, und viele Beschäftigte werden berechtigte Bedenken haben, in diesem neuen digitalen Raum zu arbeiten.

Arbeitgeber, die sich jetzt Zeit nehmen, um die Möglichkeiten und Grenzen dieser neuen virtuellen Realität zu verstehen, werden am besten in der Lage sein, die Vorteile zu nutzen und ihre Mitarbeiter mit ins Boot zu holen. Bereits die Pandemie hat zu einer ungeahnt schnellen Veränderung vieler Arbeitsplätze beigetragen, das Metaverse wird dies in vielen Bereichen noch verstärken.

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Claudine Gemeiner, Foto: Privat

Claudine Gemeiner

Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht
Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH
Claudine Gemeiner ist Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht bei der Heussen Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in München.

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