Der Kläger muss mit Audi-Kollegen zusammenarbeiten und hatte sich daran gestört, dass diese in der Kommunikation mit ihm Genderformen mit Unterstrich („Mitarbeiter_innen“), den sogenannten Gender-Gap, benutzten. Der Kläger hatte im Rahmen des Verfahrens aus Arbeitsanweisungen an ihn zitiert, die umständliche Formulierungen enthielten wie: „Der_die BSM-Expertin ist qualifizierte_r Fachexpert_in“. Die bisherigen „Audianer“ sind in den Dokumenten zu „Audianer_innen“ geworden. Er führte an, Gendersprache müsse auch lesbar sein.
Klage abgewiesen
Das Oberlandesgericht München hat nun am 17. Juli 2023 die Berufung gegen ein Urteil des Landgerichts Ingolstadt ohne mündliche Verhandlung zurückgewiesen. Das Rechtsmittel habe „offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg“, so ein Gerichtssprecher. Mit der Entscheidung des Oberlandesgerichts ist das Ingolstädter Urteil vom Juli 2022 rechtskräftig. Der VW-Mitarbeiter war nicht zur aktiven Nutzung des Leitfadens verpflichtet, weil dieser sich nur an Audi-Angestellte richtet. Die passive Betroffenheit des Klägers reichte dem Gericht nicht aus.
Urteilsbegründung
Das Landgericht Ingolstadt hatte argumentiert, es gebe kein Recht für Gegner von Gendersprache, „in Ruhe gelassen zu werden“. Es sah weder einen Verstoß gegen das Allgemeine Gleichstellungsgesetz noch eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers. Die Richter prüften dies unter den Aspekten der geschlechtlichen Identität und der sprachlichen Integrität. Das Landgericht führte aus, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht die Beklagte nicht generell verpflichten würde, den Kläger im geschäftlichen Verkehr mit einer grammatisch männlichen Personenbezeichnung zu erfassen. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass die ihn verpflichtende Nutzung der gendersensiblen Sprache, sowie deren Nutzung ihm gegenüber, eine Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstellen würde, gegen die ihm ein Unterlassungsanspruch gegenüber der Beklagten nach § 1004 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch zustünde (analog in Verbindung mit § 823 Absatz 1 Bürgerliches Gesetzbuch und Artikel 1 Absatz 1 und Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz). Der Kläger sah auch einen Unterlassungsanspruch aus § 21 Absatz 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz gegeben.
Das Landgericht Ingolstadt hat dagegen die nun bestätigte Rechtsansicht vertreten, dass die geschlechtliche Identität zwar vom Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gemäß Artikel 1 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz umfasst sei. Zum Schutzbereich gehöre auch, Personen entsprechend ihrem gewählten Rollenverständnis anzureden und anzuschreiben. Eine Person darf deshalb nicht entgegen ihrem Rollenverständnis angeredet und angeschrieben werden (Bundesverfassungsgericht, Neue Juristische Wochenschrift 2012, 600 Randnummer 12 f.). Maßgeblich ist insoweit der allgemeine deutsche Sprachgebrauch (Bundesverfassungsgericht, Neue Juristische Wochenschrift 1981, 2178 Randnummer 2). Die Persönlichkeitsrechte seien gewahrt, wenn die Geschlechtszugehörigkeit nicht angegeben oder bezeichnet wird und die konkrete Geschlechtszugehörigkeit einer Person keinen Niederschlag findet. Maßgeblich für die Beurteilung eines Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte ist die objektive Sicht eines verständigen Dritten, nicht die subjektive Sicht der betroffenen Person.
Insbesondere stellte das Landgericht fest, dass die eigene sprachliche Integrität nicht das Recht umfasst, von sprachlichen Besonderheiten anderer nicht betroffen zu werden.
Fazit
Die jetzige Entscheidung des Oberlandesgerichts München, mit dem die vorinstanzliche Entscheidung rechtskräftig geworden ist, ist gerade im Hinblick darauf, dass auch viele andere Unternehmen Richtlinien oder sonstige Vorgaben zur Nutzung gendersensibler Sprache eingeführt haben, von Bedeutung. Gerade im Hinblick darauf, dass es heute für Unternehmen immer wichtiger wird, ein attraktives und wertschätzendes Arbeitsumfeld zu schaffen, um offene Stellen besetzen zu können und Mitarbeitende zu halten, ist ein toleranter Umgang mit allen Gesellschaftsgruppen von erheblicher Bedeutung. Dies zeigen auch viele Unternehmensrichtlinien, die das Tragen von Kleidung im Betrieb verbieten, die gemäß verschiedener Verfassungsschutzbehörden ein szenetypisches Erkennungs- sowie Abgrenzungsmerkmal der Rechtsextremisten und Neonazi-Szene darstellen.